Beiträge von AnnetteV

    Und was passiert mit dem einzelnen Hund, der auf der Strecke bleibt? Außer natürlich, dass es für kein Tier schön ist, wenn es unter einer Krankheit leidet. So ein Hund kann man nicht im Dienst verwenden, Hundesportler wollen den auch nicht und eine Durchschnittsfamilie kann einen so spezialisierten Hund auch nicht gerecht werden. Da bleibt nicht mehr viel.

    Kranke Tiere wird es immer geben. Auch die beste Zucht der Welt wird keine ausschliesslich gesunden Hunde produzieren, das ist eine Illusion. Die Frage ist nun, wie man damit umgeht. Achte ich, obwohl ich natürlich gewisse Merkmale erhalten möchte, darauf, dass die Rasse trotzdem genetisch möglichst vielfältig (heterozygot) bleibt, werden trotzdem Tiere krank, aber sie werden im Durchschnitt eben weniger an den rassetypischen und oft inzuchtbedingten Krankheiten leiden. Das bedeutet nun aber nicht, dass zum Beispiel Mischlinge nicht auch schwerkrank sein können, sondern lediglich, dass im Durchschnitt eine kleinere Anzahl davon betroffen sein wird.

    Deswegen wäre es so wichtig, dass Züchter ihre Hunde möglichst unemotional und objektiv mit der Gesamtpopulation der Rasse vergleichen und abschätzen könnten, ob die geplanten Verpaarungen tatsächlich der Allgemeinheit (und nicht nur ihrem eigenen Geldbeutel, den Wunschträumen und ihrem Ehrgeiz) dienen. Aufgrund der gängigen Zuchtpraxis (z.B. Linienzucht) ist es eine ganz besonders dumme Idee, wenn jeder in seinem Gärtchen sein eigenes Süppchen, pardon, sein Sippchen, kocht.

    In Anbetracht dessen, was ein zu geringes oder nicht vorhandenes Wissen über Populationsgenetik innerhalb einer Hunderasse und (In-)Zucht im Allgemeinen anrichten kann, ist es bei der Auswahl eines Welpen also völlig schnuppe, ob der Züchter den Welpen ein buntes Bällchenbad zur Verfügung gestellt hat, das Tier mit 8 oder 12 Wochen abgibt oder seine Welpen im Internet hübsch präsentiert.

    Aha. Und bei einer anderen, noch viel abstruseren Mischung - ebenfalls aus zwei Rassen - wie dem Silken Windsprite (und den anderen Rassenamen, die diese Mischlinge erhalten haben) - ist die Mixerei dann plötzlich etwas ganz anderes? Weil zumindest eine Varietät nun unter dem VDH anerkannt wurde? Das verstehe ich nicht.

    Wie stehen wir zum Cesky Terrier, der eben mal aus Sealyham und Scottish Terrier zusammengemixt wurde?

    Wie zum Pudelpointer oder einigen französischen Laufhunden, die ebenfalls 'nur' das Produkt zweier anderer Hunderassen waren? Und das sind nur einige wenige Beispiele...

    Und nun komme mir einer und behaupte, ja, weil die 'Rasse' eben über F1 hinausgekommen sei. Genau das wird zumindest bei den Doodles teilweise auch gemacht, aber da - das haben wir in diesem Thread ja zur Genüge gehört - soll das Produkt dann angeblich völlig unvorhersehbar und eine Katastrophe sein.

    Der große Unterschied, wenn man denn eine Parallele unbeding ziehen will... der Doodle soll Werbeversprechen erfüllen, der Xer tut es.
    Der Xer hat eine klar definierte Aufgabe und wird so gezüchtet, dass er diese erfüllen kann. Hunde, die dies nicht können, fliegen aus der Zucht. Darauf wird selektiert.

    Beim Doodle hat man eine Wunschvorstellung und schaut, was am Ende rauskommt. Bei der F1 findet Selektion mit etwas Glück über ein zwei Gesundheitszeugnisse statt und das wars.

    Das ist genau der Punkt, an dem wir uns in unserer Meinung unterscheiden: ich bin überzeugt, dass auch 'gesunder, freundlicher, wenig anspruchsvoller Familienhund' ein sinnvolles und gerechtfertigtes Zuchtziel ist. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass das zumindest implizit mittlerweile bei den allermeisten Hunderassen, die unter dem FCI-Dach gezüchtet werden, schon so ist. Die wenigsten Rassehunde gehen heute tatsächlich noch einer anderen Aufgabe nach, als hauptsächlich Familienhund zu sein.

    Familienhund ist nichts Schlechtes, sondern für ein Tier sogar relativ anspruchsvoll. Die Leistung ist hier allerdings aber keine körperliche, sondern eher eine 'geistige', da Impulskontrolle und niedriges Aggressionspotential vor fast allem anderen stehen. Das birgt aber andererseits die Problematik, dass auch gesundheitliche Krüppel wie Möpse und Bulldoggen diese Aufgabe - aufgrund ihrer diversen körperlichen Behinderungen fatalerweise sogar fast noch besser als andere Hunde - erfüllen können. Körperliche Fitness steht beim Familienhund leider viel zu wenig im Vordergrund.

    Da es nun aber keinen Sinn macht, nur Arbeitshunde zu züchten, die ein Normalsterblicher nicht führen kann, man den Leuten aber nicht verbieten kann und soll trotzdem Hunde zu halten, ist eben ein Umdenken in Bezug auf unsere gängige Zuchtpraxis erforderlich. Gesundheit und Heterogenität sollten auch bei Hunden, die 'einfach nur hübsch, lieb und nett' sein sollen, an oberster Stelle stehen. Reine Schoss- bzw. Gesellschaftshunde mit keiner anderen Aufgabe, als Menschen Gesellschaft zu leisten, sind im Übrigen kein neues Phänomen. Man kennt, beschreibt und findet sie in Quellen, die viele hundert, ja sogar mehrere tausend Jahre alt sind. Familien-, bzw. Begleithunde müssen also nicht zwingend krank und ingezüchtet sein und 'nur' Aufgrund ihres 'Jobverlusts' plötzlich dahinvegetieren. Anerkennt man ihre Aufgabe als den anspruchsvollen Job, der er ist und selektiert sie rigoros auf Vitalität, Gesundheit und Wesen, könnte viel Leid vermieden werden.

    Dass eben diese sorgfältige Zucht, die weniger Wert auf Äusseres und mehr auf Inneres legt, aber in vielen Fällen nicht nur bei den Doodels, sondern auch gerade in der Rassehundezucht leider nicht stattfindet, braucht mir keiner zu erklären. Negativbeispiele dafür sehe ich hier täglich.

    Viel Jagdpassion, bei schlechter Ausbildbarkeit.

    Interessant. Hier in England gibts Cockapoos ja wie Sand am Meer (Labradoodles deutlich weniger) und die allermeisten werden von völlig unerfahrenen Besitzern gehalten, die keinerlei Interesse an Hundeerziehung haben, sich zweimal am Tag mit ihnen auf die Wiese stellen und warten, bis jemand vorbeikommt, mit dem ihr Hund 'spielen' kann.

    Die Tiere sind mühsam, weil sie zu jedem hinrennen und die Besitzer das normal finden, sind aber stets freundlich zu Mensch und Hund. Sie wirken nicht bedrohlich, binden sich trotz ihrer mangelhaften (bzw. nicht-existenten) Erziehung fabelhaft an ihre Besitzer, hauen nicht ab, haben einen sehr gemässigten Jagdtrieb, ein für mich immer wieder erstaunlich niedriges Aggressionspotential und sind extrem tolerant, wenn ihnen ihre Ressourcen streitig gemacht werden, möchten unbedingt gefallen, bringen stundenlang Bälle zurück, und was vielleicht das Wichtigste ist: ihre Besitzer sind sehr glücklich mit ihnen.

    Nun kann man natürlich gerne darüber streiten, ob so eine Hundehaltung ideal ist und behaupten, solche Leute sollten erst gar keinen Hund haben. Es ist allerdings eine Tatsache, dass sich gerade solche Menschen so oder so einen Hund holen werden und da ist es mir lieber, wenn sie einen Doodle auswählen als einen Akita (der hier ebenfalls sehr beliebt ist).

    Dass es bei den Doodeln Ausnahmen gibt, glaube ich gerne und möchte sicher auch niemandem seine eigenen Erfahrungen mit diesen Tieren absprechen. Nachdem, was ich hier allerdings tagein, tagaus sehe, kann ich wirklich nicht bestätigen, dass die Doodles in der überwiegenden Mehrheit schwierig zu händeln sind - ganz im Gegenteil.

    Um auch noch eine Studie zum Scheren bei Neufundländern einzuwerfen: Gila, et al. 'Morphometry of Skin Changes in Newfoundland Dogs following Coat Clipping,' The Veterinary Journal, June 2013, vol. 196, no. 3, 510-514.

    Hier wird festgestellt, dass geschorene Tiere eine dickere Hautschicht entwickeln und das nachwachsende Fell weniger glänzend und etwas schuppig war. Das könnte evtl. an einer geringeren Sebumproduktion, bzw. der dickeren Hautschicht liegen.

    Das Problem beim Scheren seint mir also hauptsächlich ein kosmetisches zu sein. Natürlich kann ein Hund, der bis auf die Haut rasiert wurde, Sonnenbrand bekommen - ich habe das allerdings noch nie erlebt, bzw. ausserhalb der Internetwelten gehört, da die mir bekannten Hunde eben geschoren und nicht (wie Nackthunde) kahlrasiert werden.

    Ältere Hunde, Tiere, die Probleme mit dem Kreislauf haben oder bei grosser Hitze grosse Leistungen bringen müssen, können tatsächlich vom Scheren profitieren. Ja, die Optik und Haptik des Fells kann, bzw. werden darunter wahrscheinlich leiden, aber das wäre mir wert, wenn ich meinem Hund dafür Erleichterung verschaffen kann und dafür mit einem weniger ansehnlichen Fell leben muss. Die 'natürliche' Schutzfunktion des Fells kommt nämlich nur gerade so lange zum Tragen, wie das Fell in seiner Ausprägung und Umwelt noch 'natürlich' ist - aber diese 'Natürlichkeit' ist bei den meisten Hunden über gezielte Zucht, bzw. einem anderen Lebensumfeld einer Rasse als dem ursprünglichen, eben nicht mehr gegeben.

    Zu FCI und Kennel Club:

    AnnetteV wrote:

    Die Tiere, man mag es kaum glauben, sind teilweise sogar tatsächlich offiziell im Kennel Club (und damit in der FCI) registriert.

    das die Mechanismen des Kennel Clubs das erlauben ist mir relativ klar , aber FCI Mitglied ist der nicht .
    [/quote]
    yane wrote:

    AnnetteV wrote:

    Die Tiere, man mag es kaum glauben, sind teilweise sogar tatsächlich offiziell im Kennel Club (und damit in der FCI) registriert.

    In welchem Kennel Club? Im "Irish Kennel Club"?

    Denn die Briten sind nicht in der FCI.
    [/quote]Da habt ihr natürlich Recht. Die beiden Verbände haben aber Kooperationsabkommen in Bezug auf die in ihrer Organisation gezüchteten Rassehunde. Nachzulesen hier: Klick!
    [/spoiler]

    [/quote]

    Falls tatsächlich bei jedem Besuchstag Welpen vorhanden sind, die Hunde angeblich VDH-Papiere haben, dieser Züchter aber nicht gefunden, bzw. identifiziert werden können, wäre ich skeptisch.

    Hier in GB ist es gang und gebe, dass Importwelpen (normalerweise aus Farmen in Irland) über die Grenze zu Leuten gebracht werden, die sich dann als 'liebevolle Hobbyzucht' ausgeben. Neuerdings werden dabei auch gleich adulte Tiere mitgeliefert, die dann als die Eltern ausgegeben werden, weil die 'kritischen' Welpenkäufer auch den Vater oder die Mutter noch sehen wollen.

    Es sei denn, man legt sich mit einer Kamera auf die Lauer, verfolgt die Anzeigen im Internet und notiert sich die Telefonnummern und Adressen, ist es fast unmöglich zu durchschauen, dass die Leute nicht wirklich Hunde in ihrem Haus züchten. Nachdem die Welpen alle weg sind, gehen die adulten Tiere wieder zurück in die Produktionskette und eine neue Ladung wird geliefert. Die Tiere, man mag es kaum glauben, sind teilweise sogar tatsächlich offiziell im Kennel Club (und damit in der FCI) registriert.

    Ich verstehe, wenn man als Züchter keine Lust hat, Leute einzuladen und zu bewirten, die 'nur mal schauen' wollen, die keine Ahnung haben oder denen man keinen Welpen verkaufen möchte - aber niemand zwingt einen, Hunde zu produzieren.

    Ein solches Vorgehen empfinde ich als äusserst merkwürdig, wenn nicht gar verdächtig, auch wenn es sicher Gründe dafür gäbe.

    Ähm... Ich hab ja in meinem Leben mit sehr vielen Mixen zu tun gehabt, die machen sicher 85% der Hunde aus mit denen ich gearbeitet habe, wenn nicht mehr.Aber die waren nix von dem. Das waren Hunde wie die reinrassigen auch, nur oft problembehafteter wenn sie nicht wußten für welche Seite ihr Herz nun schlägt.
    (Und wenn man wirklich mal nen Hund erlebt hat der wirklich innerlich so konträr ist das er leidet.. Ne, das ist nicht schön.

    Erstens sage das nicht ich, sondern eben der betreffende und vielherbeigezogene Herr Wachtel. Zitiert hat den Wachtel in diesem Thread bisher keiner - es sind nur Behauptungen darüber aufgestellt worden, was er (angeblich) sagt. Da ich den Wachtel sehr gut kenne, hat es mich doch erstaunt, dass ich so viel in fehlerhafter Erinnerung hatte - also habe ich mich hingesetzt und einmal gründlich nachgelesen. Und siehe da: nicht meine Erinnerung war lückenhaft, sondern die Interpretation des Textes anderer, die offenbar nur lesen, was Ihnen gerade passt.

    Ich persönlich behaupte nirgends, Mischlinge seien gesünder - das ist eben eines der Zitate aus dem Buch. Um genau das sichtbar zu machen, habe ich ja Anführungszeichen und Seitenzahlen angegeben. Wenn wir schon gewisse Autoren und ihre Werke diskutieren wollen, dann bitte richtig und mit Quellen.

    Die Idee, der 'Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust' bei Mischlingen ist im Übrigen ein Märchen. Gewisse Mischlinge bringen zwar tatsächlich nicht das gleiche Potential wie Arbeitshunde mit, andere, wie zum Beispiel die X-er, werden aber genau dafür gezüchtet. Manche Border Collie-Mischlinge (zum Beispiel Border x Nichthütehund) sind unter Umständen weniger talentierte Hütehunde (für den Puristen: Koppelgebrauchshunde) als reine Border, andere können aber genau dieselbe Arbeit genauso gut verrichten (Border x Hütehund).

    Ich habe bisher Hunde angetroffen, die aufgrund ihres bewusst angezüchteten Körpers ihr Leben lang leiden, solche, die aufgrund schlechter Aufzuchtbedingungen und Erfahrungen oder aufgrund eines schlechten Nervenkostüms mit sich und der Welt überfordert waren, aber ich habe noch keinen Hund angetroffen, der rein aufgrund seiner 'Rassevermischung' psychisch gespalten gewesen wäre oder litt. So homozygot wie manche ihren Rassehund gerne hätten, sind sie dann doch (noch) nicht. Ein Hund kriegt keine Persönlichkeitskrise, weil er weder reinrassiger x noch y ist - das ist häufig nur die schlechte Ausrede seines überforderten Halters, der seinen Hund nicht zu führen oder auszulasten weiss.

    Ich scheine einen anderen Wachtel zu lesen als manche hier. Meiner sagt:

    'Kreuzungen stehen am Beginn der Entwickllung vieler, ja der meisten Rassen, aber auch in der neueren Rassengeschichte gibt es Beispiele erfolgreicher Einkreuzung. Der schwindende Genpool zwingt heute wieder zu einem Umdenken. Durch eine gut geplante Einkreuzung einer nah verwandten Rasse und sorgfältige Rückkreuzung kann die genetische Vielfalt normalisiert werden, ohne die Eigenart der betreffenden Rasse aufs Spiel zu setzen.' (Wachtel, s. 223)

    Ausserdem sagt Wachtel eins ums andere Mal:

    'Es ist aber blanker Unsinn, die bessere Gesundheit der Mischlinge zu leugnen!' (z.B. s. 169) oder 'Mischlinge sind also durchschnittlich klüger, leistungsfähiger, gesünder, widerstands- und anpassungsfähiger als Rassehunde, darüber kann kein Zweifel mehr bestehen.' (s.164)

    Wachtel diskutiert den Labradoodle, (s. 164), übt aber - so weit ich sehen kann - nicht unbedingt eine Kritik. Scharfe Kritik übt er allerdings zum Beispiel an der (zumindest damaligen) Zuchtpraxis beim Deutschen Schäferhund (s.114).

    Merkwürdig. Und doch steht an meinem Buch vorne ganz klar drauf: 'Hellmuth Wachtel, Hundezucht 2000'. Haben wir es hier etwa mit Harry Potters Spiegel zu tun, der nur genau das zeigt, was man sich wünscht?