Nach dem Lesen hier im Forum kann man durchaus zur Schlussfolgerung kommen, dass die Kastration eine Erfindung des Teufels und durchweg schlecht sei. Dem ist sicher nicht so.
Studien gibt es einige - aber nicht so viele, wie manche vielleicht denken - und diese sind sich auch keinesfalls immer einig. Ein Grundkonsens scheint sich aber mittlerweile dahingehend abzuzeichnen, dass Frühkastrationen (also vor dem 6. Lebensmonat) sich in mehrerlei Hinsicht (höheres Krebsrisiko, aber vor allem erhöhtes Risiko an Gelenk- und anderen Schäden am Bewegungsapparat zu erkranken) tatsächlich ungünstig auswirken können. Ich persönlich würde einen Hund deshalb nicht vor dem ersten Lebensjahr kastrieren, es sei denn, es gäbe dafür einen medizinisch relevanten Grund.
Sicher falsch ist die Aussage, ein kastrierter Hund würde nie wirklich erwachsen werden und ausreifen. Da spielen noch ganz andere körperliche Vorgänge eine wichtige Rolle. Dass das nicht der Fall ist, sieht man ja auch bei anderen Tierarten: Pferde, bzw. Hengste werden ja routinemässig kastriert und sind sicher umgänglicher, aber deswegen nicht weniger erwachsen. Auch kastrierte Rüden markieren - und kein Unterschied zwischen kastrierten und unkastrierten Tieren konnte in dieser Hinsicht festgestellt werden.
Die Kastration hilft nicht bei bekannten Verhaltensproblemen wie Zerstörungswut, Trennungsangst, allgemeinem 'Ungehorsam' und Aggressionsproblematiken. Das lässt sich einzig und alleine über Training und Erziehung regeln. Eine Kastration aus erzieherischen Gründen wird also eher selten helfen (nämlich dann, wenn das Verhalten rein sexuell motiviert ist).
Bezüglich des Aussehens können vor allem Rassen mit seidigem oder besonders dichtem Fell wie der Rough Collie, aber auch die Setter und Spaniel, deutliche Veränderungen zeigen: das Fell kann stumpf und flauschig werden.
Kastrierte Hunde scheinen generell etwas älter zu werden - interessanterweise gibt es hier aber eine Korrelation zwischen dem Zeitpunkt der Kastration und der Langlebigkeit: nur wenn Hündinnen zwischen dem 6. und dem 8. Lebensjahr kastriert werden, lässt sich tatsächlich eine längere Lebensdauer nachweisen.
Bei Hündinnen hat man sowieso die wortwörtliche Qual der Wahl: in durchschnittlich 14-19% der Kastrationsoperationen bei Hündinnen kommt es zu Komplikationen. Das ist insofern logisch, als dass der Eingriff bei Rüden ein viel kleinerer ist. Eine der gefürchtetsten Nebenwirkungen der Kastration bei Hündinnen kann die Inkontinenz sein, die bei intakten weiblichen Tieren nur bei etwa 1%, bei kastrierten allerdings je nach Studie bei zwischen 3 und 20% auftritt. Urintröpfeln oder Inkontinenz scheint bei grossen und riesigen Rassen ebenso wie bei Hunden, die an der Rute kupiert worden sind, häufiger aufzutreten. Andererseits haben unkastrierte Hündinnen eine 23-24%-ige Chance, vor ihrem 10. Lebensjahr eine Pyometra, das heisst eine unter Umständen tödliche Gebärmuttervereiterung zu entwickeln.
(Das alles gibts im Übrigen nachzulesen u.a. bei Hart et al., 'Long-Term Health Effects of Neutering Dogs, 2012, Palmer et al., 'Inconvenient Desires: Should We Routinely Neuter Companion Animals?' 2012.)
Das Leben mit einem kastrierten Hund, der keinerlei Nebenwirkungen der Operation zeigt, ist sicher einfacher und weniger umständlich. Kastrierte Hunde neigen manchmal zu Übergewicht - doch kein Hund wird fett von Luft. 'Gesünder' ist so eine Kastration sicher nicht - aber eben auch nicht unbedingt 'ungesünder,' sofern sie nach dem 6. Lebensmonat durchgeführt wird. Unterschiede im Verhalten werden bei den Besitzern oft keine - und wenn, eher zum Besseren - festgestellt. Alleine die Tatsache, dass man einen kastrierten von einem unkastrierten Hund von Weitem nicht unterscheiden kann, sollte zeigen, dass die Unterschiede im Verhalten allgemein so gross nicht sein können.
Die Entscheidung liegt also ganz alleine bei Dir.