Zuerst ein kleiner Exkurs:
Früher war nicht alles besser aber da werden die wenigsten Züchter sich in den Zug gesetzt haben (also damals wo es noch keine Autos gab ) und von a ins 500 Kilometer entfernte b reisen bloß um die Hunde auszustellen.
Kommt darauf an, wann 'früher' war, aber wenn wir von der klassischen Hundeausstellung sprechen, die es in dieser Form seit 1859 gibt, dann sind die Leute sehr wohl sehr weit (und weiter, als Du hier aufführst) gefahren um ihre Tiere auszustellen - und zwar von Anfang an. Das 19. Jahrhundert läutete die Ära der allgemeinen Mobilität - auch für die ärmeren Schichten - ein. Politiker, Wohlhabende, Adelige und Gelehrte (und deren Bedienstete) sind allerdings seit der Antike oft und weit gereist.
Hundeausstellungen sind die Erfindung einer Klasse, die Land, Musse (heute würde man sagen: Freizeit) und Geld genug hatte, um sich mit der systematischen Hundezucht zu beschäftigen. Nur wer sich auf die eigene Herkunft etwas einbildete, konnte auf die Idee kommen, dass so etwas auch für den besten Freund des Menschen anzuwenden wäre. So schaffte man, ganz nach englischem Gesellschaftsvorbild, auch bei den Hunden eine angebliche Oberschicht (die, wie die Königshäuser Europas, oft viel zu eng miteinander verwandt war).
Relativ schnell fand aber auch der 'kleinere Mann', dessen eigene Abstammung vielleicht nicht ganz so lupenrein war, wie er das gerne gehabt hätte, Gefallen am Rassehund. Rassehunde konnten gegen das nötige Kleingeld erworben werden und waren plötzlich (im Gegensatz zu etwa hundert Jahren früher) erschwinglich. Rassehunde wurden zum Statussymbol, deren edle Abstammung vielleicht die eigene, möglicherweise eher unaufregende Herkunft wett machen konnte. Besser noch, man konnte auch als wenig Privilegierter plötzlich aktiv in die Geschichte der 'Veredelung' (lies: Inzucht) dieser Rasse eingreifen und sie mitbestimmen. Insofern ist die Rassehundezucht und ihre Entstehung eine äusserst interessante Thematik, weil sie in einer stark klassenorientierten Gesellschaft wie England plötzlich erlaubte, dass jeder, der sich einen Rassehund leisten konnte, im gleichen Ring stehen durfte.
Aber nicht nur Menschen reisten, sondern auch Hunde. Königin Viktoria reiste mit ihrer Hundeschar jeweils von London nach Balmoral und von da wieder zur Isle of Wight. Durch die neugefundene Liebe der Engländer zu den Alpen wurde alles, was irgendwie nach Bernhardiner aussah, sofort nach England exportiert und dort zur heute bekannten Groteske 'veredelt'. (Dickens erhielt von einem Schauspielerfreund einen Berhardiner, dessen Eltern mit einem Paar Gämsen aus der Schweiz importiert wurden). Neufundländer und Labradore wurden (sobald man die Rasse 'entdeckt' hatte), ebenso aus Kanada mitgebracht, wie Hunde aus allen anderen möglichen und unmöglichen Teilen der Welt. Auf der Jungfrau (dem Berg in der Schweiz) hielt und züchtete man bis vor Kurzem noch mit den direkten Nachkommen von Amundsens Grönlandhunden...
..und Züchter von diversen brachyzephalen Rassen sind schlicht und ergreifend dumm...aber nicht geldgierig
Können wir uns auf 'häufig uninformiert', 'oft desinteressiert' und 'manchmal der Realität nicht ins Auge sehen wollend' einigen? Ich denke, 'dumm' ist hier nicht hilfreich.
Gegenfrage: wer die Hundezucht hobbymäßig betreibt und sorgfältig vorgeht: kann der überhaupt nenneswert daran verdienen?
Die Frage ist halt auch, ob 'Hobbyzucht' etwas wirklich Erstrebenswertes ist. 'Liebhaber' kann man auch mit 'Amateure' übersetzen und diese sind nun eben keine Profis. Ich wage zu behaupten, dass es sogar oft gerade diese angeblichen 'Liebhaber' einer Rasse sind, die mit ihrer Hobbyzucht viel Schaden anrichten. Klar, in der heilen Welt des Dogforums scheint das die Idealform der Hundezucht zu sein, aber wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht und die Rasse auf seine eigene Art und Weise zu 'verbessern' sucht und ein eigenes Zuchtziel definiert, ist eben nichts gewonnen.