Beiträge von AnnetteV


    Ich denke er war von Haus aus schon recht clever, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass seine Lebenserfahrungen ihn zu dem gemacht hat, was er war - ich weiß nicht, wo er geboren und aufgewachsen ist, aber solche Mischungen werden in Irland gern zu wildern gezüchtet und irgendwer muss sich mal um ihn gekümmert haben, da er einen fachgerecht amputierten, gut verheilten fehlenden Zeh hatte, als er ins TH kam. Außerdem hatte er keinerlei Ängste gegenüber Mensch und Umwelt. Ich denk also, er ist einigermaßen vernünftig und liebevoll aufgewachsen und hat vielleicht mal eine Zeit als Jagdhund gearbeitet.
    Er war wohl eine Weile auf der Straße, wie kurz oder lange weiß man nicht, dann kurz im Pound, dann in einem richtigen TH, dann in Deutschland ca. 1 Jahre bei einer anderen Besitzerin (wo er auch nochmal viel erlebt hat) bevor er letztlich bei mir ankam. Da hatte er schon eine Menge erlebt und war wirklich eine gefestigte Persönlichkeit.

    Ein ganz spannender Ansatz, dieser Gedanke, denn der Hund, den ich oben beschrieb, kam ebenfalls aus Irland und wurde ursprünglich sehr wahrscheinlich ebenfalls für die Jagd gezüchtet oder zumindest gehalten. Mental und körperlich konnte er einerseits hart wie sonst etwas sein und ging auf alles los, was kein Mensch war, andererseits hatte er eine furchtbar sensible Seite, die ihn ja auch dazu veranlasste, sich systematisch selber zu verletzen. Bei Druck machte er einfach zu und weiter, damit kam man bei ihm nicht durch. Er wusste genau, was er tat, hätte sofort getötet, wenn man ihn gelassen hätte. Menschen gegenüber war er allerdings sehr freundlich und aufgeschlossen. Aufgelesen wurde er ebenfalls auf der Strasse, wo er aber kaum lang gewesen sein konnte (wir gingen von keinem Tag aus) die typische 'Strassenhundweisheit' hatte er nicht, wahrscheinlich war er irgendwo abgehauen. In der Stadt war er entspannt, Menschenmengen und Verkehr machten ihm gar nichts aus, im Feld war er zumindest anfangs kaum ansprechbar. Er war ein spannender Hund und einer, den wir schlussendlich wahrscheinlich behalten hätten, wenn sich nicht völlig unerwartet das perfekte Zuhause für ihn ergeben hätte.

    Stanley Coren hat sich mit diesem Thema in seinem 1994 erschienen Buch ja ausführlich auseinander gesetzt. Während Coren im Prinzip gute und interessante Arbeit geleistet hat, indem er verschiedene Intelligenzen klar definiert und abgegrenzt hat, ist vielen Leuten leider nur seine Liste der Arbeits- und Gehorsamsintelligenz in Erinnerung geblieben. (Klick mich!)

    Während die Liste an sich sicher interessant ist, war es natürlich unmöglich, frühere Lernerfahrungen der ausgewählten Hunde vorher auszuwerten. Wer sich aber (gerade 1994 in Kanada) einen Border Collie (und nicht z.B. einen Australian Shepherd) kaufte, hatte wahrscheinlich eher die Absicht, mit dem Hund zu arbeiten und ihn viele verschiedene Lernerfahrungen machen zu lassen als jemand, der sich zur gleichen Zeit (und vielleicht einzig für Showzwecke) einen Afghanen holte.

    Der bisher 'intelligenteste' Hund, der mir je begegnet ist, war ein kurzhaariger, hochläufiger Mix, der bunt gemischt war, seine nähere Verwandtschaft zu Staffs, Jagdhunden und Lurchern aber nicht verleugnen konnte. Als hochintelligentes Exemplar brachte er allerlei Probleme mit sich, die sich auch in Selbstverstümmelung zeigten. Er war ein Traum, wenn es darum ging, ihm neue Verhalten beizubringen, ein Alptraum aber wenn seine Ziele und Ideen sich nicht mit meinen deckten. Er war, um den alten Spruch zu bemühen, als Hund eine Katastrophe, aber als Mensch unersetzlich.

    Die Eigenschaften, die ihn für viele als 'intelligent' auszeichneten, waren, dass er

    - sich den Menschen zum Vorbild für neue Verhaltensweisen nahm (und diesen auch oft und lange anschaute)
    - Verhaltensweisen, die er nur beobachtet hatte, sofort auch selber umsetzen konnte
    - aufgrund oder auch trotz bereits gemachter Erfahrungen sein Verhalten in neuen Situationen oft anpassen konnte
    - sich Neues blitzschnell merken und beliebig wieder abrufen konnte
    - sich von neuen Situationen und Aufgaben nicht einschüchtern liess
    - sich von Misserfolgen nicht frustrieren liess, sondern das Problem trotzdem weiterhin zu lösen suchte

    Viele seiner Verhaltensweisen grenzten irgendwo an einem ungesunden, obsessiven Verhalten und waren gleichzeitig sein Segen und sein Fluch. Nachdem bemerkt worden war, wie 'intelligent' dieser Hund ist, sah plötzlich sofort jeder einen (sehr unwahrscheinlichen) Border Collie-Mix in ihm...

    Ich denke, bei der ganzen Geschirrbewertungsgeschichte sollten wir nicht vergessen, die Halter vor allem darauf hinzuweisen, ihren Hund gut zu beobachten.

    Ganz abgesehen davon, wie das Geschirr sitzt, sollte der Hund sich vor allem darin wohlfühlen und möglichst frei bewegen. Zeichen für einen schlechten Sitz können ziemlich unauffälig sein. Fällt er im Geschirr ständig in den Pass, wenn er das ansonsten nicht tut, trabt oder galoppiert er nicht mehr oder nicht mehr gleich häufig, können das alles Anzeichen dafür sein, dass das Geschirr das Tier behindert. Insofern sind Standbilder von allen Seiten zwar sicher hilfreich, Videos der Hunde (mit und ohne Geschirr) in Bewegung wären allerdings noch viel aufschlussreicher.

    Wichtig finde ich dabei nicht die persönlichen Befindlichkeiten, Vorlieben oder die gerade vorherrschenden Modeströmungen, sondern eben das Feedback des Hundes. Norwegergeschirre scheinen im Moment wieder eher verpönt zu sein, doch gibt es durchaus Hunde, die diese Art von Geschirr bevorzugen. Der Vorwurf, Norwegen lägen immer auf der Schulter und würden den Hund behindern, entkräften Bilder von (pferdischen) Einspännern: da liegt das Brustblatt häufig genau da, wo auch der Brustgurt des Hundes verläuft - und im Gegensatz zu unseren Hunden, arbeiten Pferde heute auch heute noch im Geschirr und ziehen Lasten. Amundsens Hunde sowie Balto in Alaska tragen auf manchen Bildern ebenfalls eine Konstruktion, die dem Norwegergeschirr ähnelt. Theorie ist schön und gut, aber 'die Wissenschaft des Körpers' ist nun einmal keine exakte und da spielen so viele Faktoren mit hinein, dass ich deshalb keinen Geschirrtyp einfach per se verurteilen wollte.

    Damit möchte ich keinen Freibrief für 'alles geht' ausstellen, es gibt sicher Geschirre, die sind an manchen Hunden indiskutabel und manche Tiere auch ausserordentlich leidensfähig. Dennoch finde ich, sollten wir unsere kritische Einstellung auch aktuellen Modeströmungen gegenüber nicht ganz vergessen.

    Nun bin ich grundsätzlich Allesfütterer, was das Thema Ausschlussdiät nicht einfacher macht. Er hat nahezu jedes Fleisch schonmal gegessen :/


    Hier meine absolut unquantifizierbare, persönliche Erfahrung und Handhabung bei derartigen Dingen: ich verstehe zwar, weshalb man einem Hund eine Fleischsorte geben sollte, die er noch nie hatte, das bringt aber alles nichts, wenn er dann genau auf diese Fleischsorte ebenfalls reagiert. Ausserdem wissen wir zum Beispiel, dass Welpen häufig das vertragen, was ihre Mutter gefressen hat. Ich mache deshalb mit 'schwierigen' Hunden häufig die 'Express-Ausschlussdiät' durch:

    Weil ich aus diversen Gründen auch kein Fan von Exotenfleisch bin, füttere ich erst einmal einfach schön pampig gekochten Reis (ohne auch nur die geringsten Zusätze und nur mit Wasser) oder - falls das nicht vertragen wird - Kartoffelpüree. Die Idee ist, dass der Darm sich beruhigt und nur mit einer Komponente (die in ihrer eigenen chemischen Zusammensetzung schon komplex genug ist) abfinden muss. Der Hund kriegt keine Leckerli und erhält keine Gelegenheit irgend etwas anderes zu fressen. Ziel ist, die Verdauung innerhalb von etwa 24 Stunden zu stabilisieren, so dass sie vernünftig arbeiten kann.

    Wenn der Hund nach nicht früher als 24 Stunden (während deren er selbstverständlich zu seinen Hauptmalzeiten wieder nur Reis bzw. Kartoffeln erhält) während dieser Zeit nun wieder akzeptablen Kot abgesetzt hat und munter scheint, füge ich Fleisch oder ein Gemüse hinzu. Auch hier achte ich darauf, dass es 'pures' Fleisch einer einzigen Sorte ist. Ich koche es gerne, man kann es sicher aber auch roh reichen wenn der Hund es kennt. Das darf - bei mir - ruhig eine bekannte Fleischsorte sein. Wenn das klappt und nach 24 Stunden wiederum keinerlei Auffälligkeiten auftreten, füge ich eine (einzige!) Gemüse oder Früchtekomponente hinzu. Wird das alles vertragen, mache ich einen Schritt weiter. Sehr gut bewährt hat es sich, dabei wirklich ausführlich und vor allem ehrlich Tagebuch zu führen, damit man auch später noch weiss, was wie gut, wann und wie lange vertragen wurde.

    Ziel ist, dass ich innerhalb von relativ kurzer Zeit (eine, oder zwei Wochen) eine Diät finde, die den Hund mit allem Wichtigen versorgt und dann darauf aufbauen kann. Wegen den paar Tagen wird der Hund, sofern er keine anderen Probleme hat, nicht gleich wegen Mangelernährung eingehen.

    Wird eine neue Komponente nicht vertragen, probiere ich nicht weiter, sondern mache einen Schritt zurück und füttere wieder nur die bekannten Komponenten, bis die Verdauung sich wieder stablisiert hat. Ist für 12 Stunden nichts auffällig, mache ich, wenn nötig, mit einer neuen Komponente weiter.

    Fertigfutter enthalten oft noch Stoffe, die nicht angegeben sind oder werden. Kann auch gut sein, dass der Hund mit den Produkten nicht auskommt, die ein gewisses Verfahren, das bei der Futterherstellung angewandt wird, mit sich bringt.

    nach Leuten in der nähe schau ich auch hier noch mal, ... Bin bis letztes Jahr eigentlich eher Stubenhocker gewesen. Daher kommen solche Probleme erst jetzt.

    Das würde ich auch tun. Und ich finde es super, dass Du die Veränderung annimmst und Lösungen suchst. Solange man nämlich nicht der Ansicht ist, man sei der einzige Mensch auf diesem Planeten, der mit dem eigenen Hund kann, findet sich meist auch eine Lösung. Aber manchen scheint es mit dieser merkwürdigen Vorstellung wohl einfach besser zu gehen.

    Was heisst denn 'reisen'? Gehts da um zwei Wochen oder eher eine zweijährige Weltreise?

    Als wir für eine Weile weg mussten und plötzlich niemand für längere Zeit einspringen konnte, haben wir frech alle und alles angeschrieben, die bzw. das wir kannten, die sozialen Medien genutzt und die Angeschriebenen dazu ermuntert, unsere Meldung weiter zu verteilen. Das Angebot war ein Gratis-Urlaub in unserem Haus mit allem drum und dran, dafür musste es eine Person sein, die nachweislich erfahren mit den entsprechenden Tierarten ist, keine dreckigen Hände und Arbeit scheut und verantwortungsvoll genug ist, dass sie nicht alle und alles eingehen lässt, wenn wir weg sind und sich während unserer Abwesenheit auch regelmässig meldet. Wir waren sehr offen, hätten Einzelpersonen genau so wie eine kinderreiche Familie akzeptiert.

    Wir haben tatsächlich in der Art von 'die Familie der Schwester einer Freundin der Bekannten, dessen Nachbar jeweils den Garten des Cousins pflegt' jemanden gefunden. Für beide Seiten wars ein Glücksfall. Für die Leute, die hierher kamen wars ein toller und vor allem einmalig billiger Aktiv-Urlaub mit neuen Erfahrungen, für uns war es grossartig zu wissen, dass alle und alles zuhause gut, liebevoll und gewissenhaft versorgt waren.

    Wir hatten alles, was vertraglich möglich und nötig war, aufgesetzt (der Betrag beim Rechtsanwalt wars uns definitiv Wert), hatten uns in dieser Hinsicht auch ausführlich beraten lassen ('was wäre, wenn...) und von Anfang an unsere wenigen, aber unumstösslichen Bedingungen klar gemacht. Dazu hatten wir mehrere Notanker in der Form von Freunden, die kurzfristig eingesprungen wären (und das auch sind) und mal ab und zu zum Rechten geschaut haben, wenn Not am Mann war. Wäre der Deal aber schief gegangen, hätte zumindest einer von uns ziemlich spontan zurückkehren müssen. Dessen waren wir uns bewusst.

    Wir hatten aber grosses Glück und sind heute noch mit den Leuten, die damals bei uns waren, gut befreundet. Vielleicht wäre so etwas eine Option?

    Ich mag die Konsequenz, die @Brizo beschreibt. Das hilft den Hunden, den anderen Haltern (auch wenn sie das vielleicht nicht mögen) und auch einem selber.

    Das habe ich sogar ganz instinktiv gemacht. Bei dem Cocker zum Beispiel, wo er ja stark deeskaliert, kommt er zu mir und ich lobe ihn verbal. Den Cocker blocke ich gleichzeitig.

    Besser gehts nicht. Super!


    Die einzige Hundeschule hier, die überhaupt "freies Spiel" unter Aufsicht anbietet und mir zudem noch vom Trainingsansatz gut gefällt, nimmt nur kastrierte Hunde. :ugly: Intakte Hunde dürfen nur in Kurse, wo immer an der Leine gearbeitet wird.

    Ohje. Andererseits muss man sich wirklich fragen, ob man für 'freies Spiel' wirklich Kursgeld bezahlen soll. Dass die Schule da wiederum nur kastrierte Hunde nimmt, spricht trotz ihres vielleicht guten Ansatzes wiederum sehr stark gegen sie. Obwohl der Grund vielleicht darin liegen könnte, dass die Hundeschule möglichen Klagen ausweichen möchte. In GB ist da die Gesetzgebung ja noch einmal anders als in Deutschland.

    Spoiler anzeigen

    Dass nur kastrierte Hunde genommen werden, kenne ich so nicht, aber das mag auch ortsabhängig sein. Dafür habe ich in Hunde'schulen' in Bezug auf Umgang und Trainingsmethoden Dinge erlebt, die ich keinem Lebewesen wünschen würde. Kennst Du den Glasgow Dog Trainer? Der könnte möglicherweise eine Anlaufstelle für Dich sein und Dir mit einem Tipp für eine gute Hundeschule in der Region weiter helfen. (Ganz besonders mag ich ja sein 'How to use a Pet Corrector in dog training Video: Klick!)

    Es geht um das richtige Managen von Hundebegegnungen, die in eine gewisse Grenzwertigkeit laufen. Wann muss man wie handeln? Was kann man laufen lassen? Was ist tragbar, welches Verhalten muss man unterbinden?

    Ich glaube nicht, dass man das so allgemein formulieren kann. Das ist jedes Mal ganz von der Situation und der Konstellation der Hunde und Menschen abhängig. Ich entscheide also eigentlich immer im Moment, obwohl ich je nach Hund verschiedene Tendenzen habe. Beim einen lass ichs praktisch immer laufen, bei anderen greife ich vielleicht früher ein oder lasse gar keinen Kontakt zu.

    Auch als Mensch gibts Leute, die ich eher mag und andere, mit denen ich nicht so kann. Damit ich das aber herausfinde, muss ich mich erst mit ihnen auseinander setzen und lernen dürfen, wie ich mich jeweils verhalten soll. Dennoch gibt es Momente, in denen ich mit anderen uneins bin - ich denke, das lässt sich fast nicht vermeiden. So lange aber die positiven Begegnungen überwiegen, ist das, denke ich, sowohl beim Menschen wie beim Hund kein Problem. Mein Motto auch dabei: 'create good habits' - gute Gewohnheiten schaffen. Kommt es dabei mal zu einem unangenehmen Zwischenfall, erschüttert das nicht gleich das Weltbild - weder bei mir, noch bei meinen Hunden, weil die meisten Begegnungen ja freundlich verlaufen und wir gelernt haben, dass man mit der Mehrheit ja ein Auskommen findet, wenn man nur will.

    Beispiel von heute morgen: Wir waren mit einer Bekannten und ihrem 10 Monate alten Labbi Gassi. Die Hunde kennen sich schon von ein paar Touren, aber sind nicht unbedingt enge Freunde. Bei der Begrüßung, umliefen sich die beiden, schnüffelten aneinander und wirkten angespannt, aber freundlich. Dann versuchte der Labbi, der gerade in den Anfängen der Pubertät steckt, aufzureiten. Felix ging zwei mal einfach weg, beim dritten Mal machte er dem Labbi eine lautstarke Ansage und ging im mit den Zähnen voraus ins Gesicht. Mehr Show als sonstwas. Ich hab ihn dann mit dem Fuß da weg geschoben - der Labbi ging nun auch vor und ich wollte nicht reingreifen. Die anderen HH hat ihren auch gepackt und ich kurz auch Felix und kurz seine Aufmerksamkeit auf mich eingefordert. Ich konnte Felix dann auch loslassen und nur mit verbalem Abbruch davon abhalten, wieder drauf zu gehen. Normalerweise ist er der Typ, der wenn einmal gezündet, nicht mehr aufhört (leider hatten wir drei unschöne Begegnungen in den letzten Wochen, daher weiß ich das). Aber heute ging das. Ich hab ihn dann einfach weiter geschickt auf die Gassirunde. Der Labbi hat dann auch kapiert, dass das nicht geht und der Rest der Rund verlief ruhig. Die beiden haben dann auch viel zusammen geschnüffelt und am Ende auch gespielt.

    Ich denke, ihr habt da ganz gut gehandelt. Im richtigen Leben läufts eben nicht immer wie im Dogforum. Zwei junge Hunde - und auch noch Rüden, wenn ich richtig interpretiere - die gerade ihren Saft spüren, geraten aneinander. Felix hat zweimal de-eskaliert und hat sich dann gewehrt. Das finde ich ganz richtig. Ein nächstes Mal könntest Du ihn, wenn Du so eine Situation wieder einmal siehst, fürs Weggehen sogar noch belohnen. Sehr gut gefällt mir, dass ihr die beiden - im Grunde genommen ja gut sozialisierte - Rüpel nicht sofort panisch voneinander abgehalten habt, sondern weiter mit beiden zusammen gegangen seid. Gerade solche Lektionen sind für junge Hunde Gold wert, weil sie so nicht lernen, dass der andere tatsächlich und wie gewünscht auf Nimmerwiedersehen verschwindet, wenn man sich aggressiv verhält. So hatten die beiden die Gelegenheit, sich weiter miteinander auseinander zu setzen und zu lernen, dass unfreundliches Verhalten nicht zum Ziel führt und man ein Auskommen miteinander finden muss.

    Wenn Du wegen der letzten paar Begegnungen Bedenken hast, belohne Felix für beschwichtigendes Verhalten und gibt ihm die Möglichkeit auszuweichen, indem Du selber einen Bogen um fremde Hunde läufst. Es bleibt dann ihm überlassen, ob er Kontakt aufnehmen will oder nicht. Dass die andere Hundehalterin in der beschriebenen Situation ihren Hund ebenfalls abgerufen, bzw. unterbrochen hat, war völlig richtig. Wenns geht, sollte man natürlich sofort eingreifen (schon nur um des lieben Rückrufs Willen), damit Felix erst gar nicht so reagieren muss, aber eben... wir sprechen von der Realität und keiner glitzernden Idealwelt.

    Meine Hunde wissen, dass ich Ihnen helfe, wenn sie von anderen Hunden belästigt oder gar angegangen werden. Wer aber von sich aus grundlos pöbelt, Streit sucht und anfängt, lernt schnell, dass man Konflikten ganz einfach durch Distanzvergrösserung selbstständig ausweichen kann, weil man sich sonst den heiligen Zorn seines Frauchens auf sich lädt - und das wollte sich nun doch noch keiner langfristig antun. Sozial sein muss bei mir keiner, Kontakte vermeiden darf hier jeder, der das möchte, und ich sorge dafür, dass der dazu nötige Raum geschaffen wird, aber ungerechtfertigte Aggression und Mobbing werden nicht geduldet.

    Ich würde das aktive Weggehen aus einer kritischen Situation sehr hochwertig belohnen, denn genau das ist es ja, was Du haben möchtest: einen souveränen Hund, der selbstständig die richtigen Entscheidungen trifft und weiss, wie er aus einer unangenehmen Situation ohne Gesichtsverlust heraus kommt. Mach nun aber nicht den Fehler, den Hund mitten in der Situation zu rufen und zu loben. Das wiederum wäre sehr kontraproduktiv und würde den Stresspegel zusätzlich und unnötig erhöhen, worauf es durchaus zum hand- (bzw. schnauzen-)greiflichen Konflikt kommen kann. Wenn Du einen ruhigen Belohnungsmarker hast, also ein Signal, dass dem Hund zeigt, jetzt kommt eine ruhige, entspannende Bestätigung, würde ich den einsetzen, sobald er aus der Situation heraus ist. Später kannst Du ihn auch während der Begegnung einsetzen um ihm zu zeigen, dass er sich richtig verhält. Dafür ist aber viel Fingerspitzengefühl nötig, um den Hund nicht unnötig zu stressen und die Situation zu verschärfen.

    Wobei ich nach den ganzen Caveats doch noch gerne anmerken möchte, dass das Leben mit grossem Hund durchaus eine (wortwörtlich) riesige Bereicherung sein kann - wenn man eben der Typ Familie dazu ist, und ich denke, das wird hier im Moment doch etwas zu wenig hervorgestrichen. Ich denke, @Quebecs Beitrag trifft diesbezüglich den Nagel schon auf den Kopf und zeigt, wie grossartig das Familienleben mit einem Hund - auch, oder gerade einem grossen Exemplar - sein kann.

    Und bezüglich Schmutz: je nachdem wie man lebt, bringen auch Kinder eine ganze Menge Schmutz in die Bude. Da spielt dann auch ein grosser Hund keine bedeutende Rolle mehr. Klar, wenn man grossen Wert auf ein jederzeit blitzblankes Haus legt, sollte man sich die Haltung eines solchen Hundes vielleicht noch einmal überlegen. Dennoch könnte genau ein Landseer der Traumhund für diese Familie sein, dann putzt man eben mehr - das ist alles eine Frage der Prioritäten. Und diese können wir hier schlichtweg nicht beurteilen. Im Übrigen fand ich den Unterschied zwischen Leonberger und Golden Retriever bezüglich Dreck und Haaren im Haus nicht wesentlich.

    Ein befreundeter Schulleiter, der auf dem Gelände 'seines' Internats wohnt und bald in Rente geht, hält seit seiner Jugend Landseer. Laut ihm gibts keinen besseren Hund für den Job: seine Hunde sind und waren allesamt ausgesprochen kinderfreundlich und stets zum Trösten und Aufmuntern von traurigen Gesichtern aufgelegt. Sie können sich aber auch sehr gut gegen allzu aufdringliche oder grobe Behandlung zur Wehr setzen.

    Zwar werden sie täglich spazieren geführt, verbringen aber einen Grossteil des Tages damit, dösend das Areal im Auge zu behalten. Es kann kommen und gehen wer will, gebellt wird nur, wenn die Klingel des Privathauses betätigt wird, sonst nicht. Nachts sind die Hunde wachsamer, aber niemals unkontrollierbar oder gefährlich.

    Die Hunde begleiten Schüler als Maskottchen an Turniere und Prüfungen, auch das ist - wenn der Hund entsprechend erzogen und beaufsichtigt wird - kein Problem. Aber ein Hund dieser Grösse muss in der Öffentlichkeit umsichtig geführt werden, sonst kann es tatsächlich zu Schwierigkeiten kommen.

    Der Landseer wird bewusst als Familienhund gezüchtet und im Gegensatz zu einigen, die hier der Meinung sind, er passe nicht, kenne ich ehrlich gesagt ausschliesslich solche, die in einem Umfeld gehalten werden, wie Du es hier schilderst.

    Ob ein Hund gerne kuschelt ist allerdings eher von seiner Persönlichkeit denn von seiner Rasse abhängig. Tatsache ist, dass die meisten kinderhassenden Hunde aus Familien mit Kindern kommen. Zwingt man dem Hund seine Nähe auf anstatt zu warten, bis er von selber kommt, begeht man schon den ersten Fehler. Ein Hund darf niemals zum Kuscheltier fürs Kind mutieren und seine Grenzen sollten dringend respektiert werden. Gerade anfangs sollte man ihm stets die Möglichkeit geben, sich zu entfernen und ihn auch ziehen lassen, wenn er das wünscht oder brauchen sollte. Wie kleine Kinder können Welpen oft schlecht selber einschätzen, was ihnen wie lange gut tut. Der Hund sollte einen unantastbaren Rückzugsort haben, den er mag, zu dem er jederzeit Zugang hat und wo ihn sicher keiner stört, er vor den Kindern also 'in Sicherheit' ist. Häufig muss man nämlich den Hund erst einmal vor der überbordenden Zuneigung und den Erwartungen der Kinder schützen und nicht umgekehrt.

    Ein wichtiger Punkt ist bei diesen grossen Rassen tatsächlich die Gesundheit und der hohe Pflegeaufwand, den sie mit sich bringen. Dazu gehört ganz klar auch die Reinigung des Hauses bzw. der Wohnung. Der Hund wird Sand, Haare und anderen Dreck in der Wohnung verteilen, er wird möglicherweise sabbern und mit grosser Sicherheit Schmutzflecken hinterlassen, wenn er sich mit seinem feuchten Fell irgendwo hingelegt hat. Seid ihr bereit, diesen zusätzlichen Mehraufwand zu leisten?

    Habt ihr daran gedacht, dass Eure Kinder mit einem Hund dieser Grösse möglicherweise lange nicht selbst spazieren gehen dürfen oder können? Seid ihr Euch bewusst, dass es schwierig - sehr schwierig - werden kann, wenn sich plötzlich aus diversen Gründen (Hund zieht zu stark, geht andere Hunde oder gar Menschen an, etc.) nur noch einer der Erwachsenen zutrauen sollte, den Hund auszuführen?

    Ich will Euch sicher nicht vom Landseer abraten, finde es aber wichtig, dass ihr die oben genannten Punkte berücksichtigt und bedenkt.