Hallo soniclabs!
Wir würdet ihr in einer solchen Situation handeln? Sind euch wirkungsvolle Alternativen mit weniger Gefahren bekannt, die Kreiselei abzustellen?
Ich habe öfters mit Hunden mit Zwangsstörungen zu tun. Kreiseln ist eine relativ typische Form davon.
Ein Hund kreiselt aus Stress heraus. Es gibt Situationen und Momente in seinem Umfeld, die für seine Psyche zu viel sind und die er nicht anders als mit einer Zwangshandlung verarbeiten kann. Egal für wie 'nerven-' und 'wesenstark' Du oder der Züchter den Hund halten. Die Zwangshandlung ist seine Strategie mit für ihn übermässigem Stress umzugehen und diesen zu verarbeiten.
Nun liegt es auf der Hand, dass man den Hund je mehr zu seiner Zwangshandlung motiviert, desto grösseren Stress man ihm zumutet. Mit den Erziehungsmethoden, die ihr da anwendet oder anwenden wollt (Kette werfen, Elektrohalsbänder) fügt ihr dem Hund aber weiteren Stress zu, anstatt ihn dem Hund zu nehmen. Du musst an der Situation, die den Hund stresst, etwas ändern, nicht nur dessen Verhalten darauf verhindern. Die Bestrafung des Hundes beseitigt die eigentliche Ursache für sein Verhalten nicht.
Vielleicht hilft Dir zur Veranschaulichung ein Vergleich: Stell Dir Deinen Hund als eine mit Wasser gefüllte Pfanne auf dem Herd vor. Die Kochplatte ist die Umwelt und der mögliche Stressor. Stellst Du die Herdplatte nun an, wird das Wasser in der Pfanne irgendwann beginnen leicht zu köcheln, dann zu brodeln und schliesslich zu überlaufen. Du hast diverse Möglichkeiten, das Überlaufen zu verhindern. Du kannst versuchen, die Pfanne - und ich verwende ganz bewusst diesen Ausdruck, zu 'deckeln' - indem Du einen Deckel nimmst und ihn einfach auf die Pfanne drauflegst. Genau das tust Du im Moment mit Kette und bald möglicherweise mit dem Elektrohalsband. Das wird so lange funktionieren, bis sich genügend Druck entwickelt, dass sich das kochende Wasser dennoch durch die Ritzen zwingt und nach draussen läuft, oder bis Du den Deckel nicht mehr halten magst. Relativ sinnfreie Aktion mit dem Deckel - aber genau das passiert im Moment bei den jetzigen Erziehungsversuchen mit Deinem Hund.
Alternativ - und für alle stressfreier - nimmst Du die Pfanne von der heissen Herdplatte (sprich, Du sorgst dafür, dass der Hund aus der stressigen Situation genommen wird oder beendest sie) und stellst sie auf einen kühlen Untergrund.
Die gute Nachricht dabei: im Gegensatz zur Pfanne mit dem Wasser kann Dein Hund lernen mit 'heissen Herdplatten' (sprich: stressvollen Situationen) umzugehen. Aber nicht durch eine Hau-Ruck Methode. Denn Dein Hund, genau wie die Pfanne, wird sich für den Stress, den er erlebt, irgendein Ventil suchen müssen. Die nächste Stufe ist häufig selbstzerstörendes Verhalten wie Pfotenlecken, etc. oder eben Aggression. So wie ihr im Moment vorgeht, seid ihr auf dem besten Weg, dem Hund neue schlechte Verhalten anzutrainieren und sich ein neues Ventil für den Stress, den er erlebt, zu finden.
Solange er nur für 'falsches' Verhalten bestraft wird, hat der Hund keine Chance und daher auch keinen blassen Schimmer, was er denn stattdessen tun soll. Es wäre also sehr wichtig, diesem Hund zu zeigen, was er statt dem Kreiseln tun soll und kann - ihm also zu zeigen was sich mehr lohnt als das. Dazu müsst ihr diese neue Verhaltensweise für den Hund auch belohnend gestalten, das heisst, ihn dafür loben, ruhig auch durch Futter und ihm ganz genau zeigen, was er denn stattdessen tun soll. Das kann er nicht automatisch wissen - ihr müsst ihm das erst beibringen. Genau das ist mit einem 'strukturierten Alltag' gemeint: der Hund sollte jederzeit wissen, was geschieht und was er dabei tun soll. Das kann er nur, wenn ihr Euch vorher überlegt habt, was ihr vom Hund denn in jeder Situation erwartet und es ihm zweitens auch beibringt.
Hilfreich ist es, dem Hund gewisse Standardverhalten beizubringen, die sich grundsätzlich lohnen (und auch nie bestraft werden!) wenn er sie wählt: zum Beispiel 'den Menschen anschauen', 'sich hinlegen' und 'ins Hundebett gehen'.
So einem Hund sollte man zumindest solange Kreiseln noch eine Option in seinem Verhaltensrepertoire ist, so wenig Stress wie möglich zumuten, so dass er erst gar nicht kreiseln muss. Das schafft man einerseits mit einer sehr geregelten Tagesstruktur und andererseits damit, dass der Hund zu jeder Zeit genau weiss, was von ihm erwartet wird und was jetzt kommt.
Die Idee, den Hund in seinem zwanghaften Verhalten zu unterbrechen, ist an sich nicht falsch. Ich halte meine 'Kreisler' auch davon ab - aber niemals indem ich sie gewaltsam unterbreche und sie mit irgend etwas bewerfe. Das erzeugt nur weiteren Stress. Ich rufe sie beim Namen und belohne sofort (mit Futter), lenke sie mit einer neuen Aufgabe ab und versuche gleichzeitig die Situation stressfreier zu gestalten oder den Hund ganz daraus zu entfernen.
Ich denke, mit dieser Vorgehensweise stehen die Chancen ganz gut, dass ihr den Hund therapieren könnt. Was mich allerdings nachdenklich stimmt und mich am Erfolg Eurer Erziehungsversuche zweifeln lässt, sind diese die folgenden Sätze:
Es ist ja schon wirklich hart zu sagen, aber in manchen Situationen halte ich meine Partnerin einfach für zu dumm, um sie damit zu betrauen. Und nachdem ich selber schon etwas Bauchweh hätte, immer genau den richtigen Moment zu treffen, habe ich es bei ihr noch um ein Vielfaches mehr.
Deine Aussagen machen mir keine Sorgen bezüglich des Hundes, sondern darüber, wie Du über Deine Partnerin sprichst und was Du ihr (nicht) zumutest. Seinen Partner in einem öffentlichen Forum als 'einfach zu dumm' hinzustellen, ist harter Tobak. Mich jedenfalls wärst Du nach so einer Aussage garantiert los.
Ich denke, da gibt es einiges zwischen Euch beiden zu klären, bevor ihr überhaupt an eine erfolgreiche Therapie Eures Hundes denken könnt. Denn eines ist sicher: wenn sich schon die beiden 'Erziehungsberechtigen' nicht darüber einig sind, was und wie trainiert werden soll, badet das grundsätzlich derjenige aus, der dazwischen steht, sei das Kind oder Hund. Wer seinen Partner für 'zu dumm' hält den gemeinsamen Hund mitzuerziehen, spricht ihm jegliche Entwicklungsmöglichkeit ab und traut ihm nicht zu, etwas lernen zu können oder zu wollen. Möglicherweise entschuldigt er damit auch einfach die eigene Unlust daran, sich mit dem Partner auseinander zu setzen, ihm die eigenen Ideen zu erklären und ihn miteinzubeziehen. Dein Statement oben sagt mehr über Dich selbst aus, als über Deine Partnerin. Und es rückt Dich - trotz Deiner vernünftigen und kritischen Einstellung zur Hundeerziehung - in kein besonders gutes Licht.