Hallo Esmeeralda,
Nein, man bekommt nicht immer den Hund, den man verdient oder braucht. Das dünkt mich eine Aussage, die aus Hilflosigkeit oder Schuldzuweisung gemacht wird und sich unangenehm nah an gewissen anderen, genauso sinnfreien und pseudoschuldzuweisenden Behauptungen ('Denk mal darüber nach, wieso Dir das Schicksal einen saufenden und prügelnden Mann / einen homosexuellen Sohn / eine unheilbare Krankheit zugedacht hat') bewegt.
Wenn Du draussen clickst und das beim Hund gar nicht mehr ankommt, ist das Erregungslevel zu hoch. Der Hund kann in so einer stressigen Situation gar nichts lernen. Er, bzw. sein ganzer Organismus ist dann nur damit beschäftigt, zu überleben. Da bringt es dann tatsächlich nichts, dem Hund noch irgend etwas schönclickern zu wollen - Du würdest auch jedem den Vogel zeigen, der Dir erst Mal ein Bonbon anbietet, während Du eine Lawine auf Euch zurollen siehst und Panik schiebst. Indem Du in solche Situationen auch noch hineinclickst, machst Du Dich für den Hund unzuverlässig und unglaubwürdig, weil Du seine momentane Stimmung völlig verkennst.
Der Schlüssel wäre es also, dem Hund die Spaziergänge erst einmal zu ersparen. Hast Du einen Garten? Wenn ja, würde ich da ansetzen und mit dem Hund da, im sicheren Rahmen einen guten Grundgehorsam auftrainieren und dann langsam, langsam wieder versuchen einige Schritte (wortwörtlich nur Schritte!) in die grosse Welt zu machen. Aber immer so, dass der Hund niemals an den Punkt gelangt, dass er nicht mehr ansprechbar wird. Ich würde Spaziergänge grundsätzlich streichen, Du machst dem Hund keinen Gefallen damit und er lernt jeden Tag nur wieder, dass die Welt um ihn herum gross und schrecklich und gefährlich ist. Möglich, dass eine Gewöhnung irgendwann eintritt, darauf verlassen würde ich mich aber nicht. Das ist in etwa, wie wenn man von einem Traumapatienten erwarten würde, dass er sich irgendwann von selbst von seinen Erlebnissen erholt und wieder ganz entspannt mit seiner Umwelt umgehen kann. Möglich ist das zwar, kommt aber selten genug vor.
Du hilfst dem Hund nicht, indem Du ihn also immer wieder der furchterregenden Situation aussetzt. Ziel wäre, dass Du ihn nur so viel Stress aussetzt, dass er noch lernen kann, ihn zu ertragen, ohne ihn dabei jedoch zu überfordern. Du wirst bei so einem Hund keine Patentlösung finden - hier hilft es nur, jeden Trigger einzeln ausfindig zu machen und an diesen langsam und stetig zu arbeiten. Solche Hunde generalisieren oft sehr schlecht, haben Rückfälle und Angstphasen. Das ist bei Hunden, die auf der Strasse aufgewachsen und sozialisert wurden oft keine Seltenheit, wenn sie plötzlich in ein so völlig neues Umfeld wie ein urbanes Umfeld in Deutschland gesteckt werden.