Ich hatte einen Kater der es absolut nicht mochte hochgehoben zu werden.
Was Du beschreibst, ist eine völlig andere Situation. Das Tier war Dir gegenüber offenbar nicht grundsätzlich panisch, sondern mochte es nur nicht, hochgehoben zu werden. So wie Dein Training klingt, hast Du der Katze aber nicht über eine Leine die Luft abgeschnürt, bis sie sich ergeben und auf den Arm hat nehmen lassen oder hast sie nicht mit einem Kescher durch die Wohnung gejagt, weil sie sich nicht einfangen lassen wollte.
Und das ist es, was mich hier die ersten paar Seiten lang so wundert: schreibt hier einer darüber, wie Cesar Millan mit Hunden umgeht, ist das Geschrei gross. Kommt eine Trainerin, die mit denselben Techniken und Methoden arbeitet, ist das völlig ok und wird bejubelt, solange das in blumigen Worten schöngeredet wird.
Ich mache der Threaderstellerin keinerlei Vorwurf. Wie könnte ich, ich habe zu meinen Anfangszeiten selbst so gearbeitet, weil ich es schlicht nicht besser wusste. Im Gegenzug zur TS bin ich allerdings der Meinung, dass es viel weniger Stärke braucht, seine Meinungen und Überzeugungen einfach zu verteidigen als sie stets zu überdenken und notfalls anzupassen. Mit der Einstellung 'Kritik höre ich mir nicht an,' steht man seiner eigenen Weiterentwicklung im Weg. Wie jemand bereits treffend gesagt hat: mit dieser Haltung verlangst Du mehr von Deinem Hund als Du selber bereit zu tun bist.
Wer noch nie einen wirklichen Angsthund mit evtl. Deprivationsschäden erlebt hat, kann sich vielleicht nicht vorstellen, daß manchmal das langsam und in kleinen Schritten nicht so möglich ist wie man sich das bei normal ängstlichen Hunden so vorstellt.
Ich arbeite wöchentlich mit deprivierten Hunden. Hunde, die aus dem Kampfhundmilieu aus kleinsten Käfigen und Verschlägen kommen, Strassenhunde aus dem Ausland, etc. Gerade hier muss man die Lernschritte so minim klein gestalten, dass der Hund sie nehmen kann, weil es sonst in die Art von Zwang ausartet, die man im Video sieht. Der Witz dabei ist: wer wirklich weiss, was er tut, kommt mit vertrauensbildenden Massnahmen, welche das Tier in seiner Persönlichkeit respektieren, viel schneller weiter, als wenn er Zwang ausübt. Auch wenn das auf den ersten Blick anders aussehen mag.
Ich bin die letzte, die behaupten würde, dass man den Hund einfach sich selbst überlassen sollte und er dann irgendwann schon auftauen würde. Das wird mit grosser Sicherheit nicht funktionieren. Wenn ich an seinen Ängsten arbeiten will, muss ich das Umfeld so gestalten, dass er sich aus seiner 'Komfortzone' (wenn man das bei dieser Art von Hund überhaupt so nennen darf) bewegen muss. Erziehung bedeutet immer eine gewisse Art von Stress. Als Erzieher sollten wir allerdings den Verstand haben, dieses Mass an Stress so zu regulieren, dass er nicht in körperliche und seelische Gewalt ausartet. Die Frage, um die es mir geht, ist also nicht das OB, sondern das WIE.
Im deutschen Tierschutzgesetz steht unter dem ersten Paragraphen:
'Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.'
Nun können wir diskutieren, wie vernünftig dieser Grund ist, wenn es auch andere, schmerzlosere, weniger traumatische und dazu noch schnellere Wege gibt, einen möglicherweise deprimierten Hund zu erziehen. Aber wie sagt man so schön: wo Wissen aufhört, fängt Gewalt an.
Ich kann euch nur berichten, dass der Weg der Hundetrainerin m.E. der Richtige ist, sonst gäbe es nicht schon wieder Fortschritte und der Hund taut in der Wohnung immer mehr auf.
Natürlich funktioniert dieser Weg. Zumindest auf den ersten Blick. Ich weiss aus meiner eigenen Erfahrung (falls jemandem Studien zu kompliziert sind oder nicht ausreichen), dass diese Vorgehensweise aber Kollateralschäden hinterlässt, die den Hund sein Leben lang begleiten können. Kommen so 'trainierte' (lies: 'vergewaltigte') Hunde wieder in eine Stressituation, haben wir ihnen sehr erfolgreich eine der überhaupt möglichen Verhaltensweisen bei Angst abgestellt: diejenige des flight, der Flucht.
Nun haben sie nur gerade noch: fight, freeze und flirt zur Verfügung. Viele Hunde (wie derjenige im Video) erstarren dann erst einmal, gehen den Weg des 'freeze' und 'machen zu'. Es ist das, was man auch von menschlichen Traumaopfern kennt: finden sie sich in Stresssituationen wieder, frieren sie so stark ein, dass manche von ihnen selbst härteste Gewalt an ihrem Körper gar nicht mehr spüren. Gerade bei Hunden ist 'freeze' aber eine schlechte Taktik, wenn sie an einen derartigen Trainer geraten: schliesslich wollen wir ja, dass das Tier irgend ein Verhalten zeigt, also irgend etwas tut. Also wird ihm gezeigt, dass auch freeze keine Lösung ist...
Wenn Du dann Hunde in der Hand hast, denen alle Optionen genommen wurden, hast Du tatsächlich ein Problem. Dann ist ein Hund häufig relativ unberechenbar, denn er wird weder Droh-, noch Meideverhalten mehr zeigen. In diesem Zustand sind die Tiere tatsächlich brandgefährlich.
Diesen Weg - auch nur Anfänge davon - würde ich nicht mehr einschlagen wollen. Es geht nicht darum, dass sie nicht funktionieren - das tun sie, und zwar bestens, auf den ersten Blick - aber sie sind ethisch, moralisch und das Tierschutzgesetz betreffend unmenschlich und verwerflich.