Allerdings aendern sich Anforderungen mit der Zeit auch.
Das ist ein sehr wichtiger Punkt: genauso wie die Gesellschaft sich wandelt, ändern sich auch die Anforderungen und Erwartungen an das Kulturprodukt 'Hund.'
Der verlinkte Dobermann-Welpe hat keinerlei Aufgabe in dieser Welt, ausser 'schön' zu sein und auszusehen wie der 'perfekte' Dobermann. Ob er auch ein wirklicher Dobermann 'ist' und leisten kann, wofür ein Dobermann ursprünglich geschaffen wurde, ist hier völlig sekundär. Zumal man den Dobermann heute so nirgends mehr so einsetzen kann, wofür er ursprünglich gezüchtet wurde. Also muss man sich entscheiden: funktioniert man den Hund nun zum freundlichen Familienhund um, züchtet man ihn für den Showring oder sucht man ihm ein Einsatzgebiet, bei dem er Leistung zeigen kann und muss (Sport, Dienst- und Arbeitshunde).
Dieses Problem hat der Mali oder der Deutsche Schäferhund zum Beispiel nicht: noch ist es möglich, Hunde auf Diensttauglichkeit zu selektieren. Noch braucht unsere Gesellschaft Hunde, die Aufgaben beim Militär, der Polizei und im Sicherheitsdienst erledigen können. Ebenso werden Therapie- und Assitenzhunde gebraucht.
Dobermänner sind schöne Hunde, die rein durch ihr Aussehen und ihre kulturellen Assoziationen eine Geschichte erzählen. Dadurch gewinnen sie natürlich auch sofort einen Liebhaberkreis von Leuten, denen es reicht, einfach nur einen dieser Hunde zu besitzen, ohne mit ihnen arbeiten zu wollen. Die Anforderungen an einen Hund, der mich regelmässig und langfristig bei meiner Arbeit unterstützt, sind oftmals völlig andere, als die, welche an einen Familienhund gestellt werden. Geht es nur um Absatzzahlen und das Marketing, ist man mit der Zucht eines schönen und netten Familienhundes in der westlichen Welt sehr viel besser dran: man findet dort sehr viel mehr und viel weniger kritische Abnehmer als im Dienst- und Arbeitshundebereich. Liebhaber sind ausserdem bereit, sehr viel mehr Geld für das Objekt ihrer Begierde zu bezahlen. Lukrativer ist die Familienhundezucht also allemal.
Problematischerweise lassen sich die Zuchtziele 'Familienhund' und 'Showhund' sehr gut miteinander vereinbaren, während die Selektion auf reine Leistung diesen beiden Idealen oft diametral gegenüber steht. Ein typischer Malinois mit seiner kurzen Zündschnur und seiner Tendenz, auf Kampfansagen gerne und kompromisslos einzusteigen, ist ein denkbar schlechter Hund für eine Familie, die einen stets freundlichen, ruhigen und resilienten Begleiter im Alltag sucht, der sich problemlos in die vorhandenen Strukturen einfügt und keinen Konflikt sucht.