Der Grund, warum ich gerne einen Rinderthread wollte, ist Tracki.
Bzw. war Tracki, eine im Februar 2011 geborene, ziemlich weiße HF-Kuh mit einer schwarzen "Brille". Am 8. September letzten Jahres ging sie zum Schlachter... nach über 1000 Tagen ohne Kalb... Milch hatte sie schon lange nicht mehr, und nur mir zuliebe hatte sie der Bauer dreimal nachbesamen lassen.
Schlachtgewicht: 474,9 kg. Das ist gewaltig für eine HF-Kuh.
Aber der Reihe nach:
Eigentlich hieß Tracki Nolla, da bis zum 30. Juni 2011 alle weiblichen Kälber laut Zuchtverband einen Namen mit "N" bekamen.
Hinter meiner Küche weiden im Sommer bis auf dieses absolut verregnete Jahr immer drei Kälber auf dem früheren Gänse- und Hühnerhof, und die nenne ich immer Tick, Trick und Track, weil sich diese Besamungskälber so ähnlich sehen. Tick ist immer das mit dem größten Schwarzanteil im Fell und Track das weißeste bzw. in manchen Jahren ein rotes oder rot-weißes.
Bisher war noch keines der Hinterhofkälber so zutraulich (und verfressen!) wie Tracki, und weil sie immer meine Gemüse- und Obstabfälle mit großzügig als nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet deklariertem Karottenanteil bekommen, wusste diese 2011er Bande ganz genau, was das Summen des Dunstabzugs bedeutete: Sie KOCHT...!!
Nun koche ich nicht jeden Tag, manchmal halt für zwei oder drei Tage, vor allem, wenn ich nicht weiß, ob noch Helfer mit am Mittagstisch sitzen, aber Ticki, Tricki und Tracki von 2011 fingen regelmäßig nach ein paar Minuten an zu brüllen, wenn der Dunstabzug summte, selbst wenn ich nur das Essen vom Vortag aufwärmte.
Also gab es jeden Tag etwas, und wenn es für jeden eine Karotte war.
Tiefkühlgemüse war tabu, das gibt ja keine Abfälle.
Tracki mochte am liebsten Karotten und süße Äpfel, Gala oder Gala Royal. Saure Falläpfel? Bäh, pfui, die wurden ausgespuckt wie ein Lama. Auch trockenes Brot verschmähte sie.
Nach ein paar Wochen ist diese Wiese abgeweidet, und die drei Kälber kommen mit anderen zusammen auf eine große Außenweide. Ist die Fläche wieder nachgewachsen, kommen wieder drei kleine Kälber drauf.
Nur selten wird das Stück noch ein drittes Mal beweidet, meist ist das Wetter zu schlecht.
Die 2011er Bande kam auf eine Weide im nächsten Dorf, zu weit, um sie auf einer Radtour mit Hund zu besuchen.
Als im Herbst/Winter 2011 aufgestallt wurde, hatte ich Tracki bestimmt 5 Monate nicht gesehen, und keiner konnte mir so richtig sagen, in welchem Stall sie stand, der Senior sagte, Hauptstall, der Arbeiter Pachtstall.
Also ging ich mit meiner Gemüseschüssel durch die Ställe und guckte nach weißen Färsen. Ohne große Hoffnung rief ich auch immer wieder Tracki, Tracki - und tatsächlich, da schob sich ein ziemlich großes, irgendwie völlig verändertes Tier zum Fressgitter durch und inspizierte die Schüssel.
In der auch Brot war.
Das im hohen Bogen auf den Futtergang gespuckt wurde.
Ich hatte Tracki wiedergefunden!
Unsere Freundschaft blieb bestehen, ich radelte regelmäßig mit meiner Gemüseschüssel den Winter über den Kilometer zum Pachtstall und im Sommer auf verschiedene Weiden in Hofnähe (darauf hatte ich bestanden, dass "meine" Tracki mir nicht wieder entrissen wird), und Tracki war immer diejenige, die sich vordrängelte und die anderen wegkickte, denn alles Essen stand ja ihr zu.
In einem P-Jahr wurde ihr erstes Kalb geboren, für das ich auf der Liste, falls es denn weiblich werden sollte, schon lange den Namen "Prachtkind" ausgesucht hatte. Der Vater war Frankie, ein Riesenvieh mit einem Kopf wie Frankenstein (daher der Name). Ich fand es Sünde, den zum Decken zu den Färsen zu stellen, aber offenbar gab es nicht mehr Schwergeburten als sonst auch.
Tracki hatte sich zu einer mittelrahmigen, schön bemuskelten Kuh mit relativ kleinem, festem und gut melkbarem Euter entwickelt und hatte mittlere Milchmengen. Sie war vital und ziemlich durchsetzungsfähig, und auch jetzt kam sie regelmäßig, wenn ich sie rief, um sich ihre Karotten abzuholen.
Sie wurde einige Monate nach der 1. Besamung wieder bullig, d. h. sie musste im 2. Drittel der Trächtigkeit verkalbt haben. Kurz vor Weihnachten 2014 bekam sie dann nach der Nachbesamung Kalb Nr. 2, ein Bullkälbchen, genau so ein Schneeflöckchen wie seine Mama und seine Schwester, das ich Norbert (in Anlehnung an Nolla) taufte.
Norbert wurde natürlich als Jungbulle, d. h. vor Vollendung des 18. Lebensmonats, geschlachtet. Wegen der engen Verwandtschaft mit den Färsen konnte er auch nicht als Deckbulle eingesetzt werden.
Danach wurde Tracki, wie gesagt, dreimal nachbesamt, der Besamungstechniker machte sich schon lustig über den Bauern... der es auch nicht übers Herz brachte, Tracki so ohne weiteres schlachten zu lassen. Er sagte immer, Tracki ist Chefkuh, die hat keine Zeit für Kinder...
Sie hätte in der ersten Julihälfte 2017 kalben sollen, aber selbst Ende Juni war nix von Aufeutern zu sehen, sie hatte Zitzchen wie eine Färse...
Meine Karottenkäufe stiegen in der Zeit ins Unendliche, und Tracki kam wie ein Hund, wenn ich am Weidezaun nach ihr rief.
Ich hatte mir ausbedungen, dass sie direkt von der Weide zum Schlachter kommt und nicht erst noch aufgestallt wird, und so war es dann auch.
Tja, das ist mein Nachruf auf Tracki, die pfiffigste Kuh, die ich kannte. Zu Prachtkind habe ich irgendwie kein sonderliches Verhältnis, sie ist nicht so eine Persönlichkeit wie ihre Mutter.
Und was soll ich sagen, Tracki fehlt mir hier auf dem Hof.
Caterina
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