Also ich würde die Cattle Dogs, die man in Deutschland bekommt, nun nicht unbedingt als Hütespezialisten bezeichen, dafür hat sich die Zucht in den letzten 10, 15 Jahren zu sehr in Richtung Begleit- oder Sporthund entwickelt, so ähnlich wie beim Australian Shepherd, wo die allermeisten Züchter ja auch nicht auf Arbeitsfähigkeit selektieren, sicherlich auch, weil sie es nicht können, da sie keine Rinder haben.
Interessant fand ich, was uns die Vorbesitzerin unseres Koolies erzählte, nämlich dass sie in New South Wales, wo sie ihre Koolies direkt von Viehfarmen gekauft hat, Cattle Dogs eigentlich eher als Wachhunde gesehen hat, weil sie vom Gebäude her nicht die Laufleistung wie Kelpies und Koolies bringen.
Nur: Wenn ich aus einer Rasse, die genügend Durchschlagskraft für halbwilde Rinder haben soll, per Wesenstest immer stärker auf die "Netten" selektiere, geht irgendwann genau das verloren, was Viele an den Hunden so fasziniert, nämlich der kernige, ruppige Charme und die nötige Selbstbeherrschung, um ihre ursprüngliche, potenziell lebensbedrohende Arbeit zu erledigen.
Wenn ich mir andere Rassen angucke, die ebenfalls einen gefährlichen Job haben, würde ich sagen, die Bereitschaft zum Zähneeinsetzen bleibt ziemlich lange erhalten, selbst wenn, wie flying-paws mal schrieb, manche noch nicht mal mehr an Schafen zu gebrauchen sind, weil sie schlicht nicht die Traute haben.
Ich behaupte mal, die wenigsten, die Welpen dieser Rasse auf den Markt schmeißen, haben jemals dieses mentale Kräftemessen Hund - Rind gesehen und miterlebt, wie sich heranwachsende Hunde den Mut antrainieren, tonnenweise Rindviecher nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.
Oder wo ist es heutzutage noch erwünscht, dass ein Hund auf dem eigenen Grundstück richtig ernsthaft wacht? Fremde nicht nur ankündigt, sondern zur Not auch am Hereinkommen hindert?
Zum reinen Viehbewegen von A nach B gibt es sicherlich elegantere, filigraner arbeitende Hunde - aber in Sachen Durchschlagskraft sind sie schon einmalig, wenn es darum geht, den Rindviechern beizubiegen, dass sie gefälligst zu weichen haben, wenn Hund & Herrchen kommen.
Und wenn diese Möglichkeit zum Trainieren der mentalen Stärke fehlt, dann sucht sich das, was an Viehtreiber-Genetik noch da ist, eben andere Ventile, womit man sich in der Stadt in einer Etagenwohnung evtl. nicht gerade Freunde macht, weil man einfach viel zu dicht aufeinander hängt.
Was ist, wenn sich der Hund den Wohnungsnachbarn auf derselben Etage als Sparringpartner - oh, Angst hat er! - aussucht? Oder irgendeinen anderen Hund aus der Nachbarschaft, der ihm den Gefallen tut, Angst vor ihm zu haben?
Das sind Sachen, die kannst Du nicht wegsozialisieren, wegtrainieren oder was auch immer, und ich würde mich fragen, ist Dein Leben tatsächlich auf einen Hund eingerichtet, der ein gerüttelt Maß an Krawallbereitschaft mitbringen kann?