Das habe ich ursprünglich für eine andere Sache verfasst, aber es wurde nie genutzt, von daher:
Ich bin kein Alphahund: Crossover mit Hürden
Gedankenlos hatte ich sie übernommen, die Dominanztheorie. Ich war Rudelführer, so wurde es mir geradezu eingetrichtert. Dann aber sah ich doch noch ein: Ich tue Unrecht!
Radikal stellte ich um und dachte, meine Probleme seien gelöst.
Doch den Kuschelkurs zu fahren ist sogar manchmal überaus unkuschelig.
In der Theorie hört es sich ganz einfach an. Aversivreize weglassen und durch positive Bestärkung ersetzen.
Ich persönlich stieß hier auf zwei klassische Probleme:
1. Ein bereits aversiv behandelter Hund muss erst „enthemmt“ werden; er ist quasi schon abgestumpft, ist skeptisch. Zeit und Geduld ist wieder einmal die Lösung (Leider kann es passieren, dass man nicht alles wieder richten kann)
2. Ohne bereits auftrainierte Werkzeuge, die zuverlässig funktionieren, klappt der Wechsel nicht reibungslos
Vom Wunschdenken zur Lebenswirklichkeit
Auf den zweiten Punkt möchte ich ein bisschen näher eingehen.
Im den Weiten des Internets hatte ich verzweifelt versucht, mir Tipps einzuholen. Immer und immer wieder wurde mir geraten, ich müsse dem Hund eben sagen, was ich will, statt zu sagen, was ich nicht will. Unlängst hatte ich das Prinzip verstanden und wandte dies bereits monatelang an! Außer für eine ganz bestimmte Situation…
Ehrlichkeit währt am längsten – oder doch nicht?
Meinen Mitmenschen gegenüber war ich offen und erntete Vorwürfe von beiden Seiten. Von den „Hardlinern“ die übliche Kritik, aber auch von den „Wattebauschwerfen“. Fehlverknüpfung, Meideverhalten, all jene Standardargumente. Ich solle doch einen professionellen Trainer aufsuchen, denn ich verstünde das gewaltfreie Training nicht.
Was hätte mir so ein Trainer geraten? Vermeidung der Situation, was nicht zu meiner Lebenswirklichkeit gehörte bzw. schlecht umsetzbar war und das Ausbauen der Werkzeugkiste. Es lag nicht am Management oder an den Kniffen.
Änderung braucht Zeit und Geduld
Das gilt auch für Menschen. Es dauert eine Weile alle Aversivreize zu verbannen und durch positive bestärkende Werkzeuge zu ersetzen.
Je nach Art und Komplexität der Probleme und Gegebenheiten gestaltet es sich schwierig, den Kuschelkurs beizubehalten oder auf ihn einzufahren. Obwohl ich eingesehen hatte, dass positive Strafe nicht der Weg ist, musste ich – in meiner Wahrnehmung – darauf zurückgreifen. Die Reaktion, die mein Vorgehen ausgelöst hatte, gerade von Menschen, die den gewaltfreien Weg gehen, erschüttert mich noch jetzt. Besonders da eine Umstellung immer Zeit beansprucht, auch mein Denken war noch nicht ganzheitlich bereinigt.
Wüsste ich nicht, dass es ohnehin das Richtige ist, vielleicht hätte ich mich doch wieder abgewandt?
Schuldgefühle hemmen
Ich musste einsehen, dass ich nicht fehlerfrei sein kein. Gewissensbisse, auch wenn sie da sind, bringen weder mich noch die Hunde weiter.
Auch deshalb kann ich nun seit einigen Monaten stolz verkünden:
Positive Strafe – brauche ich nicht mehr! Denn ich erweitere meine Werkzeugkiste „für den Fall des Falles“. Ich warte also gar nicht mehr auf die Alternativlosigkeit.
Positive Strafe anzuwenden, ist selbstbelohnend
Das unerwünschte Verhalten lässt sich unterbrechen, es verschwindet auf den ersten Blick, das macht sie zu einer schönen Scheinlösung. Es dauert eine ganze Weile, bis ein aversiv arbeitender Mensch gewaltfrei trainiert, denn er ist manchmal hilflos und neigt dazu, positive Strafe zumindest als „Notlösung“ (wieder/immer noch) in Betracht zu ziehen.
Auch wenn es nicht erstrebenswert ist, es ist nachvollziehbar. Ich möchte gerne anderen Mut machen, die sich in dieser Phase befinden. Gebt nicht auf! Das Resultat ist belohnender als Verhalten zu unterdrücken, egal wie beschwerlich der Weg sein mag.