Ich kann in Ansätzen nachvollziehen, dass man gern eine "gute" Erklärung für das Verhalten von Chico haben möchte. Es ist für uns viel einfacher zu verstehen, wenn man sich vorstellen darf, dass der Hund "aus Rache" oder "Notwehr" gehandelt hat. Die Menschen sind tot, man kann sie nicht mehr fragen.
Vielleicht kannten sie das gesundheitliche Problem, wollten ihm eine Tablette verabreichen ... weiß man's?
Mögliche Szenarien gibt es viele.
Fehler haben alle menschlichen Beteiligten gemacht.
Fakt ist aber, dass dieser Hund - und da gehe ich sogar noch einen Schritt weiter als @Road Dogs - wahrscheinlich gar keine Beißhemmung gelernt hat. Anders lässt sich für mich nicht erklären, dass er schon mit 1 Jahr als derart aggressiv und auffällig beschrieben wurde.
Wenn er nun tatsächlich zu einer "Kampfmaschine" ausgebildet wurde, dann wird man das nicht mit ein paar Stunden positiver Bestärkung rückgängig machen können. Die Gefahr ist immer, dass er in alte Muster fällt. Jedem Hundeneuling wird nahe gelegt sich mit Beißhemmung zu befassen, Bindung aufbauen, auslasten, ... und nicht selten wird zur Abgabe geraten, wenn jemand mit so einem - vergleichsweise harmlosen - Hund überfordert ist.
Hier ist ein Hund, von dem man de facto nichts weiß. Es wird nirgends gesagt, ob die Halter nicht vielleicht sogar daran gearbeitet haben. Vielleicht waren sie einsichtig, haben aber irgendwann aufs Management zurück gegriffen. Und auch Management kann jahrelang gut gehen. Eine Freundin von mir lebt mit ihren Hunden und den Hunden der Eltern unter einem Dach. Die Rüden hassen sich. Es ist jahrelang gut gegangen ... und dann war einmal die falsche Tür offen. Fehler passieren. Aber die Gefahr, dass dem nächsten Trainer / Betreuer aus Unwissenheit der gleiche Fehler passiert, ist einfach riesig groß.
Klar ist kein Hund böse von Geburt an. Das würde ich auch nicht unterstellen.
Aber dieser Hund wurde - warum auch immer - dazu gemacht. Und damit ist er in dieser Gesellschaft, wo er auf Menschenkontakt angewiesen ist, eben nicht tragbar. Man kann ihn ja schlecht irgendwo in der Wildnis aussetzen, wo er in Zukunft allein und ohne jeden Kontakt leben kann. Auch in "Sicherheitsverwahrung" wird es immer Situationen geben, wo man mit und an dem Hund arbeiten muss.
Nachbarn haben den Hund als aggressiv beschrieben. Er musste weg gesperrt werden, wenn die Betreuer der Mutter ins Haus kamen (und ich gehe davon aus, dass der Hund die wohl kennen gelernt haben muss). Er bellt die Tierpfleger am Gitter an (auch wenn das als "aufmerksames Bellen" beschrieben wurde). Wie viele Beweise braucht man, dass dieser Hund kein Vertrauen in Menschen hat? Bei aller Tierliebe ... ich verstehe es wirklich nicht, warum man dem Hund so einen Stress zumutet. Der Hund sitzt da keine Haftstrafe ab und wartet auf die Todesspritze. Das ist kein amerikanischer Gefangener, der da Jahre Zeit hat, jeden Tag drüber nachzudenken, dass morgen einer kommen könnte und sagt: "Du bist der nächste."
Genauso wenig, wie der Hund "Schuld" hat, hat er ein Gewissen oder Bewusstsein für die Strafe. Gar nicht zu reden von Reue. Dieser Hund hat in seiner Welt logisch gehandelt und er war erfolgreich damit - völlig egal, was nun der Auslöser war: Er wollte etwas nicht, er hat sich "gewehrt" und danach haben die Menschen ihn in Ruhe gelassen.
Das ist eine Verhaltenskette, die jeder Hund kapiert. Und wer weiß, wie oft er damit schon Erfolg hatte - wenn auch mit weniger bösem Ausgang.
Ich finde den Begriff tickende Zeitbombe hier wirklich passend.