Die Autoren stellen uns Vanessa Bokr, Leiterin der Hellhound Foundation, und Apollo vor, einen Rottweiler. Der Rüde hat bereits gebissen und soll an Reize herangeführt werden, die seine Aggression auslösen. Vom Sprecher erfahren wir, dass auch die Kameras sein Stresslevel erhöhen.
Der Hund darf zunächst auf einem Kinderwagen herumklettern, wird dann am Halsband gepackt und heruntergezogen.
Mal darf er näherkommen, mal wird er zurück geruckt, dann darf er wieder heraufklettern. Wir erfahren, dass er den Kinderwagen zerstören würde, trüge er keinen Maulkorb.
Als er auf Abstand gezogen wird und grummelt, wird er wieder an der Flanke gepackt und zeitgleich am Halsband hochgezogen. Dies scheint eine gängige Umgangsform der Hellhound Foundation mit ihren Hunden zu sein, die wir auch später noch einmal sehen.
Der Grund für seine Reaktion sei unbekannt, sein Vorbesitzer scheint keine Kinder gehabt zu haben. Eine Sozialisation auf Kinderwagen scheint dem Tier also zu fehlen.
Im Folgenden soll der Kinderwagen einen Bogen fahren: Apollo erhebt sich, macht jedoch einen Schritt zurück – weg vom Kinderwagen. Dennoch wird er wieder in die Flanke gepackt und weggezogen, er schreit auf und versucht sich zu verteidigen.
Regelmäßig zeigt der Hund Stress- und Beschwichtigungssignale, hechelt, leckt sich über die Lefzen.
Er steht auf und schaut nach oben zu Frau Bokr, die ihn an der Leine hält, wird von ihr jedoch mit weiteren „Lass es!“ und „Nein“s bedacht und am Halsband zurückgezogen.
Schließlich springt er auf sie los und versucht wieder, sie zu beißen.
Als Reaktion darauf lässt sie ihn am Halsband mit dem Oberkörper in der Luft hängen, er stützt sich mit der Pfote an ihrer Hand ab.
Als er herunter kommt leckt er sich wieder über die Lefzen.
Die Erklärung die wir hören: Aus Frustration folgende Aggression gegen die Frau, da sie eingreife.
Theoretisch kommt so etwas durchaus vor. Was wir hier jedoch sehen, stimmt nicht mit der Erklärung überein. Der Hund wich vom Auslösereiz, dem Kinderwagen, zurück, wurde jedoch sofort gemaßregelt. Augenscheinlich ist eine Distanzvergrößerung zum Auslöser auf seinem Lehrplan ein No Go. Auch sein Versuch, Blickkontakt aufzunehmen, wird sofort bestraft.
Was hier völlig außer Acht gelassen wird: Was wir als Strafe für ein unerwünschtes Verhalten verstehen, ist für den Hund nichts Weiteres als ein Angriff. Nach einer gewissen Menge an hingenommenen Schmerzen ist es eine völlig normale Reaktion, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Das hat in erster Linie nichts mit dem Frust zu tun, nicht zum Kinderwagen zu dürfen – sondern betrifft eher den Frust, vom Menschen angegriffen zu werden, ohne eine Handlungsoption zu haben, welche das verhindert.
Abgesehen davon, dass Training über Schmerzreize immer unangebracht ist, ist es gerade bei einem Hund mit aggressiver Vorgeschichte ein fataler Fehler. Es verschlimmert in jedem Fall die Beziehung zwischen Mensch und Hund – zudem vermittelt es dem Hund keinerlei Information, außer „Menschen sind bereit, Dir Schmerzen zuzufügen“. Sehr viel hilfreicher wäre für so einen Hund jedoch eine Erfahrung à la „Kinderwagen sind total harmlos, dran vorbei gehen ist cool“ und „Menschen kann man vertrauen“. Schmerz baut jedoch kein Vertrauen auf.
Und zu guter Letzt: Selbst, wenn ich unbedingt über Schmerz arbeiten will, dann sollte ich es verdammt nochmal richtig machen. Das bedeutet: konsequentes Handeln! Der Hund darf nicht zum Kinderwagen? Dann lasse ich ihn nicht zweimal hin und ziehe ihn dreimal weg. Dann darf er NICHT zum Kinderwagen. Und dann bestrafe ich das Verhalten was nach vorn geht, nicht die Tatsache das der Hund es gewagt hat, sich zu bewegen!
Was wir hier sehen, hat im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nichts zu suchen. Denn so arbeitet man nicht mit Hunden, die noch einmal ein normales Leben führen können sollen.
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Vanessa Bokr erklärt: „Also bei solchen Hunden, die halt eh schon schlechte Nerven haben, und sag ich mal, wegen Verhaltensauffälligkeiten hier sind, trainieren wir maximal so fünf bis zehn Minuten und dann ist aber auch wirklich gut, sonst machen wir die Probleme nur schlimmer als sie eh schon sind. Weil, irgendwann ist das Lernen auch vorbei und dann ist nur noch Stress“
Ein wirklich guter Gedanke.
Wie das Packen und Herumwirbeln, Zerren und Schmerzen zufügen den Hunden jedoch überhaupt helfen soll, oder wie ein Hund unter diesen Bedingungen auch nur eine Minute lang gut lernen können soll, bleibt unklar.