Das Grundproblem bei der Linienzucht, ja jeglicher Rassezucht, ist folgendes:
um gwisse gewünschte Rassemerkmale zuverlässig und stabil in der Linie zu halten, ist es meist nötig, diese homozygot zu etablieren. Fast immer sind solche herausgezüchteten Merkmale nämlich rezessiv.
Bei einem Merkmal, das auf der Ausprägung eines Einzelallels beruht ist das züchterisch simpel zu machen, bei Merkmalen, die in ihrer Ausprägung auf multiplen Genkombinationen beruhen schon schwieriger.
Nun ist es aber so, dass die homozygote Ausprägung der gewünschten Merkmale zwar nötig ist, ein generell hoher Homozygotiegrad aber ein allgemeines Vitalitätsrisiko darstellt. Nichts ist eine bessere Voraussetzung für ein langes gesundes Leben als genetische Vielfalt. Selbst, wenn das einen gewissen Anteil negativer Allele bedeutet. Daher wäre es eigentlich angesagt, nach Herauszüchtung von Linien wieder möglichst viel unverwandtes einzukreuzen und dann wieder erneut auf die gewünschten Merkmalsausprägung zu selektieren. Davor scheuen aber viele Züchter zurück, da das im Einzelfall unweigerlich auch wieder Rückschläge was den Phänotyp angeht mit sich bringt und es mehrere weitere Generationen bedeutet, bis man eine wirklich genetisch gesunde Linie hat. Eine optisch schöne reine Linie zu bekommen, bei der auch die wichtigsten Verhaltensparameter stimmen ist viel einfacher und daher belässt man es meist dabei. Leider ist das Zuchtziel spezifische Rassemerkmale, Fehlen bekannter genetischer Defekte PLUS genetische Vielfalt in den Köpfen der Leute auch heute noch quasi inexistent. Leider sind auch die meisten Vereinsrichtlinien nicht kompatibel mit diesem in meinen Augen sehr wichtigen Vorgehen.
Ein weiterer Aspekt ist, dass man höllisch aufpassen muss, keine zu enge Kopplung zwischen potentiell Krankheit und Leid auslösenden Allelen vorzufinden, wenn man auf eine bestimmte Allelausprägung selektioniert. Da ist inzwischen viel bekannt (am Bekanntesten: weiss gekoppelt an Augen- Ohrenprobleme) aber es wird auch nach wie vor viel zu viel ignoriert.
Fazit: Ich persönlich bin mit der Hundezucht, wie sie derzeit betrieben wird in einigen Aspekten ziemlich unzufrieden.
In diesem Zusammenhang sind Designerrassen al la Labradoodle und Co interessant.
Der Grundgedanke hierbei ist, reine Linien mit hohem Homozygotieanteil zu kreuzen, über deren Gehalt an Defektallelen viel bekannt ist.
Wählt man als Ausgangtiere Rassen, die bezüglich morphologischer- und ethologischer Merkmale kompatibel genug sind, um keine Qualausprägung beim Nachwuchs erwarten zu lassen, stammen die Eltern wirklich aus gut kontrollierter Linienzucht und sind frei von den spezifisch bekannten möglichen Defektallelen, so ist in der Nachkommenschaft ein ebenso einheitlicher Typ wie in der reinen Rassezucht zu erwarten, der anders als in der üblichen Linienzucht aber über einen hohen Heterozygotiegrad verfügt und damit gute Voraussetzungen für hohe Vitalität mit sich bringt (Stichwort Heterosiseffekt).
Genau aus diesem Grunde sind fast alle heutigen Getreidesorten, aber inzwischen auch viele Nutzviehrassen genau solche immer wieder neu erzeugten Hybride.
Wichtig ist, diese Mischung wirklich immer wieder neu zu erzeugen. Bei Weiterzucht entstehen nämlich unvorhersagbare Merkmalskombinationen und die nächste Generation wird sehr variabel.
Leicht anders sieht es bei der Rückkreuzung mit einer der Elternlinien aus. Das reduziert zwar die genetische Vielfalt wieder, aber es bleibt immer noch mehr übrig als bei jeder der beiden Elternlinien und die Nachkommen fallen recht homogen aus.
Daher finde ich die Designerrassen anders als die meisten hier eher als Fortschritt denn als No go.
Auch, wenn die Produkte natürlich nicht immer halten, was der Züchter verspricht. Ohne Erfahrung vorhersagbar ist nämlich nicht wie so ein Hybride ausfällt. Aber, wenn man das eine Weile betrieben hat, kann man aus Erfahrung agen, wie diese Hunde ausfallen. Sie werden sich nämlich untereinander ebenso stark ähneln, wie beliebige Hunde innerhalb einer echten Rasse.
Immer vorausgesetzt, man bleibt den gleichen Elternlinien treu und de rgleichen Geschlechterverteilungbei den Eltern.
Bei deren Auswahl liegt auch schon ein Knackpunkt: Je heterozygoter, also eigentlich je robuster und ursprünglicher, die Elterntiere sind, umso unvorhersehbarer und vor allem uneinheitlicher das Kreuzungsprodukt und umso größer das Risiko zu Tage tretender genetischer Probleme. Die Auswahl der Eltern ist also noch kritischer als in der reinen Linienzucht.
Das gilt natürlich auch für die generellen Überlegungen: Rassen mit phänotypisch gleichen aber genetisch diversen Risiken zu kreuten ist ebensowenig ratsam, wie Rassen zu kreuzen, die beide bereits zu kurze Nasen, zu lange Rücken etc pp haben, um mal Beispiele zugeben.
Soweit mein Senf zum ganzen.
Viele Grüße
Ingo