Die Mischung macht's - und ich denke, die Gene machen da mehr, als uns manchmal lieb ist, und schon ein Welpe ist alles andere als ein "unbeschriebenes Blatt", das sich in jede beliebige Richtung erziehen läßt.
Ich hätte da ein schönes praktische Beispiel an den Eltern meiner kleinen Hündin. Beide gleichrassig, auf demselben Hof, im selben Rudel, mit denselben Menschen und sogar noch unter fast identischen Umständen großgeworden. Also fast wie eine Versuchsanordnung.
Die Hündin LIEBT Menschen generell, kommt spontan auf jeden Fremden begeistert wedelnd und selbstsicher zu und sitzt sofort auf dem Schoß, wenn sie auch nur andeutungsweise eingeladen wird. Die hat da einfach keinerlei Reserve.
Der Rüde (aus einer ganz anderen Linie, im Mutterleib importiert und eben im selben Umfeld aufgewachsen!) ist da total anders: er ist grundsätzlich reserviert und vorsichtig, nimmt bei Fremden erstmal Sicherheitsabstand, kommt aber schnell freundlich an, wenn er nicht bedrängt wird und ist dann auch völlig zutraulich. Wird er aber vorher irgendwie bedrängt, geht er sofort auf Abstand und fängt an, sehr unfreundlich zu verbellen.
Meine Hündin, die Tochter der beiden hat die ersten acht Wochen ebenfalls in diesem Umfeld, mit beiden Eltern und im selben Rudel verbracht. Dann kam sie zu mir, und ich habe sie von Anfang an in Fußgängerzone etc mitgenommen. Wirklich schlechte Erfahrungen hat sie dabei nicht gemacht. Dennoch reagiert sie heute auf Fremde haargenau wie ihr Vater: Vorsichtig, aber schnell freundlich, wenn sie erstmal in Ruhe gelassen wird, andernfalls überaus mißtrauisch. Sie sieht also nicht nur aus wie sein Klon, sie zeigt wirklich verblüffend ähnliches Verhalten - wenn sie diesen blitzschnellen Bogen schlägt und verbellt, meint man jedes Mal, ihn zu sehen.
Hätte ich, als ich den Welpen abgeholt habe, nur diese superfreundliche, zu jedem zutrauliche, total angstfreie Mutter erlebt, würde ich jetzt ständig rätseln, was ich bei ihrer eher mißtrauischen Tochter bloß falsch gemacht habe. So bin ich mir sicher, daß hier die Gene beim Verhalten, also bei der Reaktion auf gewisse Reize, ebenso deutlich mitspielen wie im äußeren Erscheinungsbild.
Darauf, daß auch gewissen Wesensgrundzüge vererblich sind, beruht schließlich die gesamte Zuchtauslese, nur so war es überhaupt möglich, Hunde-Spezialbegabungen züchterisch zu fördern und gewisse Eigenschaften in gewissen Linien genetisch zu festigen. Was ein Halter aus diesen Grundanlagen macht, ist dann wieder eine ganz andere Sache - aber da sie nun mal da sind, läßt sich nicht leugnen.