Ich hab meine erste Hündin 1974 bekommen, mit siebzehn - und da sie ein erfüllter Lebenstraum und natürlich der tollste aller Hunde war, und in der Familie niemand außer mir Interesse hatte, hab ich mich damals schon intensiver mit dem Thema beschäftigt als üblich. Erfahrung hatte ich insofern, als ich vorher schon alles gehütet und ausgeführt hatte, was ich nur erwischen konnte, und dazu das Glück, den Welpen von jungen Tierärzten zu bekommen und mehrere Jahre mit einem Dreier-Rudel unterwegs sein zu können.
Also: Futter gab's in der Drogerie, Loyal, Chappi und Pal in Dosen, dazu Flocken und Frolic, das sie gottseidank nicht fraß. Von Chappi bekam der Hund Brechdurchfall, lebte also ein Leben lang von Loyal/Paldosen plus Latz-Flocken. Dazu ab & zu Büffelhautkauknochen - Ende.
Ausrüstung gab's nur in der Großstadt, 12 Kilometer per Bus. Hund besaß neben Körbchen mit alter Wolldecke ein Lederhalsband, ein Kettenhalsband, ein sehr schöne, mühsam erparte Verlängerungs-Lederleine (die ich heute noch benutze) und, damals sehr ausgefallen, für Großstadt und (Bahn-)reisen ein Geschirr. Leder orange mit Nieten - mehr Auswahl war nicht.
Tierarzt war von unserer Kleinstadt neun Bus- und Laufkilometer weg, brauchten wir gottseidank so gut wie nie.
Hundeflüsterer, -schulen und -psychologen Fehlanzeige, dafür gab's am Ort einen Polizeihunde-Sportverein. Die Methoden da fanden wir damals schon sehr, sehr strange - und noch mehr die Angewohnheit der Mitglieder, die Hundewelt in Schäferhunde und "Köter" einzuteilen und erstere gern mal gezielt auf letzere zu hetzen, wenn sie mit dem Drill fertig waren und wir vorbeikamen. Nachdem der stabile "Köter" meiner Freundin einige Hassos empfindlich verprügelt hatte, herrschte aber Burgfrieden.
Beim Erziehen war ich damals etwas exotisch, weil ich ab & an einen Belohnungs-Hundekuchen rausrückte ansonsten galt: Der Hund bekam geduldig gezeigt, was man von ihm wollte (natürlich auch mit körperlichem Ins-Platz- Legen), wurde sehr dafür gelobt. Sobald er verstanden hatte, wurde das Gelernte schlicht verlangt, andernfalls deutlich getadelt und dann eben nochmal geübt. No Leckerchen, aber sehr viel Aufmerksamkeit. Wir waren übrigens auch insofern Exoten, als wir auf unserem Dreierrudel keine nach innen gedrehten Stachelhalsbänder und keine Würger hatten, das war sonst für größere Hunde die Norm.
Lektüre am Markt beschränkte sich neben einigen "Gebrauchshunde"-Büchern der militanteren Sorte, so aus den Dreißger und Fünfzigern größtenteils auf Konrad Lorenz. Dann kamen gottseidank die Bücher von Horst Stern und Eberhard Trumler - echte Offenbarungen damals.
Was mir rückblickend sehr leid tut, ist das miese Futter, von dem meine Hündin viel zu früh ein mattes Fell bekam - für das ich dann idiotischerweise auch noch teure Aufbau-Präparate statt Fleisch kaufte. Aber jeder TA riet damals strikt davon ab, Hunden was anderes als Hundefutter zu füttern, und ich wollte doch alles richtig machen!
Was mir ebenfalls leid tun sollte, wäre der unmöglich buntgemixte Wurf, den wir aufgezogen haben - Werfenlassen wurde mir nämlich von einem TiHo (!!!)tierarzt als DAS Mittel gegen Scheinschwangerschaft empfohlen. Tut mir aber eigentlich nicht leid, weil die drei Welpen tolle Zuhause bekamen und es eine sehr schöne Erfahrung war. Blöd nur, daß die Hündin hinterher noch heftiger scheinschwanger wurde...
Was ich heute am meisten vermisse? Die Selbstverständlichkeit. Ich bin auch nicht mit Hunden aufgewachsen und mußte eben lernen, aber weil ich schlicht nicht wußte, was ich alles mit dem Welpen falsch machen konnte, lebte mein Hund einfach ruhig mit uns, ging mit mir, wohin ich ging, und alles lief bestens. Und darüber, daß sich zwei große fremde Rüden eben prügelten, wenn einer auskam (normalerweise nahm man den Hund natürlich ins Fuß, wenn ein anderer entgegenkam) hätte sich niemand aufgeregt - über die Vorstellung, daß jeder erwachsene Hund "sozialisiert" sein oder deswegen zur Hundeschule gehen muß, hätten wir uns dafür kaputtgelacht.
Heute, ein ganzes Bücherregal und einiges an Erfahrung reicher, weiß ich immer nicht, ob ich grinsen oder kopfschütteln soll, wenn sich die Gespräche auf der Hundewiese anhören wie ein Wettbewerb überehrgeiziger, patentpädagogischer Schulkind-Mütter.
PS: Was ich NICHT vermisse, ist der Rüden-Ansturm vor der Haustür, sobald die Hündin läufig war....