Beiträge von schnappi42

    Erst einmal liegen zwischen Angst und Unsicherheit Welten. Das, was du beschreibst, klingt für mich einfach nur nach ein bisschen Unsicherheit oder Reserviertheit gegenüber Fremden. Nun ist für mich erstmal die Frage, was du genau möchtest. Möchtest du, dass er eine Strategie erlernt, wie er mit der Situation umgehen kann ohne zu Bellen oder möchtest du, dass er seine Unsicherheit ablegt?

    Wenn es um Ersteres geht, würde ich das Bellen oder Knurren mit einem ruhigen aber bestimmten "Nein" kommentieren und ihn zeitgleich zurück drängen. Jede Rückwärtsbewegung, die er von sich aus anbietet würde ich bestärken. Und dann hast du eben auch die Aufgabe den fremden Menschen von ihm fernzuhalten, bis er selbstständig Kontakt aufnehmen möchte, damit die Strategie "Distanzvergrößerung statt Rumlärmen" für den Hund aufgeht.

    Viele Grüße
    Frank

    Ob es einem gefällt oder nicht. Auch Strafe ist nunmal Bestandteil von Lerntheorien. Und um nochmal zum Thema Nachhaltigkeit zu kommen: negativ verstärktes Verhalten ist löschungsresistenter als positiv verstärktes Verhalten.

    Aber eigentlich geht es ja darum, ob man ohne Leckerlies erziehen kann. Natürlich kann man das, denn Kekse sind nunmal nicht der einzige Bestärker, den es gibt. Aber in meinen Augen ist Erziehung schon ein bisschen mehr, als nur zu belohnen, wenn etwas richtig gemacht wurde, um Verhalten zu formen. Natürlich ist das Thema operante oder instrumentelle Konditionierung sehr einfach zu greifen und vieles lässt sich damit ganz wunderbar erklären.

    Aber auch der wesentlich komplexere Bereich des sozialen Lernens gehört nunmal zur Lernpsychologie und ich denke, es ist zu kurz gedacht, wenn man glaubt, dass in Lernsituationen lediglich Belohnung, Strafe und lernendes Individuum eine Rolle spielen. Ob es uns passt oder nicht: wir befinden uns mit den Hunden nunmal in einer Beziehung und damit wird auch meine Haltung und die Interaktion, völlig losgelöst von der verabreichten Belohnung, mit in den Lernprozess mit einfließen.

    Ein Hund der mich beispielsweise anknurrt, weil er seinen Knochen behalten möchte, obwohl ich ihm das bekannte Kommando Aus gegeben habe und ich entferne mich als Reaktion darauf, hat definitiv etwas gelernt. Nun könnte man sagen: klar, es hat sich für ihn gelohnt. Er wird das Verteidigen nun öfter zeigen. Ich denke aber, dass die Auswirkungen viel umfassender sind. Zum einen findet auch immer eine Bewertung meiner Person statt, dass sich zu einem Persönlichkeitsbild formt, welches auch in anderen Situationen eine Rolle spielen wird und zum anderen sind Hunde nicht so blöd, dass sie nicht in der Lage sind Verhaltensweisen auf andere Situationen zu übertragen.

    Konditionierungsprozesse existieren. Das steht wohl nicht zur Debatte. Aber alles nur darauf zu reduzieren, ist zwar ein einfacher Erklärungsansatz, wird aber meiner Meinung nach bei weitem nicht der Komplexität von Lernprozessen gerecht.

    Viele Grüße
    Frank

    Zitat

    Ich glaube, diese Unterscheidung ist nur in den Köpfen der Menschen, ich glaube nicht, dass ein Hund den Unterschied erkennt. Aber es hört sich viel besser an, zu sagen ich erziehe ohne Leckerli, aber bilde aus mit.

    Das sehe ich nicht so. Vieles, was für mich in den Bereich der Erziehung fällt, sind Dinge, die in jeder funktionierenden sozialen Gruppe verlangt werden. Ich glaube schon, dass beim Hund für solche Dinge ein anderes Verständnis herrscht, als wenn ich ihm ein beigebrachtes - für ihn grundsätzlich sinnfreies - Kommando gebe. Schon alleine deshalb, weil es oftmals Dinge sind, die ihm selbst wichtig sind und die er auch selbst so handhabt (zum Beispiel das Thema Beanspruchung von Ressourcen oder das Thema Individualdistanz).

    Viele Grüße
    Frank

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    Der Hund an sich tut ja, was sich für ihn lohnt, so habe ich das gelernt und dieses Wissen versuche ich für mich zu nutzen.

    Das ist ja nun keine Besonderheit von Hunden. Sondern das gilt will für alle Lebewesen, die zu Lernleistungen in der Lage sind. Auch wir Menschen handeln nach diesem Prinzip (auch wenn wir uns das ungerne bis zur letzten Konsequenz eingestehen).

    Es klingt hier schon häufig so, als wären Verhaltensweisen nur lohnenswert, wenn dem Hund die Sabberfäden aus den Mundwinkeln laufen und er vor Freude Purzelbäume macht. Aber auch wenn die Freude für uns Menschen nicht gar so offensichtlich ist, glaube ich doch, dass es noch unzählig viele andere Formen der Belohnung, die Verhalten stark beeinflussen, gibt. Allen voran die menschliche Nähe und der damit verbundene Komfort. Wäre sie nicht lohnenswert, hätte es der Hund im Laufe der Zeit wohl kaum vom Wald auf die Couch unserer Wohnzimmer geschafft. Und um noch ein bisschen unpopulärer zu werden: auch die eigene körperliche Unversehrtheit ist eine ziemlich lohnenswerte Sache.

    Ich bin der Meinung, dass man sich selbst beschneidet, wenn man glaubt, dass nur Futter, Spielzeug und Streicheln Belohnungen darstellen. Und ich glaube auch nicht daran, dass bei ein und demselben Hund eine Form der Belohnung (oder auch Strafe) für alle Situationen gleich gut geeignet ist. Was als lohnenswert empfunden wird, hängt auch stark vom derzeitigen Bedürfnis ab.

    Viele Grüße
    Frank

    Ich bin zwar kein Hundesportler, aber ich antworte trotzdem mal.

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    Ich habe nun allerdings schon oft gehört bekommen, dass es doch gut sei, wenn die Hunde sich hochfahren schließlich würden sie angeblich besser arbeiten.

    Ist ja schön, wenn der Hund besser arbeitet. Aber wenn der Körper schon Reaktionen auf den Stress zeigt, kann mir einfach niemand mehr erzählen, dass das für den Hund gut sein soll.

    Die Frage ist also: mit welcher Absicht betreibe ich den Sport? Wenn es für den Hund ist, würde ich der schlechteren Arbeitsleistung immer den Vorzug geben (Sofern die Arbeitsleistung wirklich schlechter ist, was mir aber so überhaupt nicht einleuchten will, warum das so sein sollte).

    Viele Grüße
    Frank

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    Warm macht ein so unsicherer Hund das? Warum geht er nicht direkt zurück zur Halterin? Oder habe ich das Verhalten komplett falsch interpretiert?

    Das was du beschreibst hat für mich nicht zwangsläufig mit Unsicherheit sondern vor allem mit Unterwürfigkeit (wenn auch stark ausgeprägt) zu tun. Und gerade Labbis sind häufig Weltmeister im kleine Brötchen backen. Demutsverhalten gehört nunmal genauso zum Hund wie Aggresions- und Imponierverhalten. Auch wenn es auf uns Menschen extrem wirken mag, finde ich solche Annäherungen völlig normal (Jedenfalls normaler als die Hunde, die mit suizidalen Tendenzen und einem "Holla, wat kost die Welt" in Gruppen ruhiger Hunde brettern).

    Viele Grüße
    Frank

    Hätte ich auf Grund deiner Beschreibung die Rasse erraten müssen, hätte ich fast getippt, dass du einen Saarloos hast :pfeif:

    Ein Trainer schadet sicherlich nicht. Was ich persönlich keinesfalls machen würde, wäre Menschen aus dem Weg zu gehen. Ganz im Gegenteil: ich würde sogar Menschen-Kontakt suchen. Allerdings nicht gleich von 0 auf 100 und ab in die Stadt mit ihm, sondern ich würde erstmal schauen, dass er mit den Situationen auf den täglichen Gassirunden klar kommt.

    Zudem würde ich oft Runden mit anderen Hundehaltern gehen. Einfaches Begegnungstraining bringt da aus meiner Sicht nicht viel. Für viel elementarer halte ich es, dass er sich an möglichst viele Personen gewöhnt. Und das geht meiner Erfahrung nach am besten, wenn länger andauernder Kontakt besteht. Damit meine ich nicht Ansprache, Anfassen, oder ähnliches. Es reicht, wenn er die Nähe, die beim Spazierengehen entsteht, ertragen kann.

    Ob du dir das zutraust und deinem Hund zumutest, musst du selbst entscheiden: aber ich würde auch »Baumarkt-Training« mit ihm machen. Ihn also mit in den Baumarkt nehmen. Gegenüber einer Stadt und ähnlichen Orten, kann man dort die Reizdauer und -intensität extrem gut steuern und das Gefahrenpotential ist nicht so hoch, falls er doch mal Panik bekommt und er dir entwischt. Und das Auto steht in unmittelbarer Nähe, so dass man das Training wenn nötig schnell abbrechen kann.

    Viele Grüße
    Frank