Hallo,
natürlich ist es nur allzu menschlich, dass man Mitleid mit solchen Hunden hat, die für uns fast unvorstellbar grausame Erfahrungen machen mussten...
Als mir das Ausmaß der - vorher ja schon vermuteten - Angstprobleme unserer Doba nach einigen Tagen bei uns so richtig klar wurde, war ich auch fassungslos, entsetzt und unglaublich wütend... Ich bin rausgegangen, weg von den Hundis und hab erstmal um Doba geweint...
Wegen der Misshandlungen und Grausamkeiten, die diesem Hund zugefügt worden sein müssen. Über die (schon verheilten) gebrochenen Rippen, über merkwürdige Narben, die ihre eigene Sprache sprechen, über die Panik bei einfach den normalsten Dingen von der Welt, über die verzweifelten Versuche Dobas, endlich Vertrauen zu fassen, über ihre panische Bemühungen, bloss alles richtig zu machen, über ihr „In-Sich-Zusammen-Fallen“, sobald sie nur glaubte, etwas falsch gemacht zu haben, über ihre Handscheu…
Und nachdem ich mein Entsetzen auf diese Art ein wenig losgeworden bin, habe ich beschlossen: Das ist absolute Vergangenheit.
Bei all den Dingen, die wir jetzt mit unserer Doba üben, um ihr ein möglichst angstfreies Leben zu ermöglichen, arbeiten wir mit Hundeverstand, mit Liebe, mit Fürsorge, auch mit klaren Grenzen und Regeln, die gerade solchen Hunden soviel Sicherheit geben, wir beobachten sie sehr genau, entscheiden von Situation zu Situation, ob sie grad unsicher ist, weil sie etwas einfach gar nicht kennt, oder ob sie Panik hat, weil sie schon schlimme Erfahrungen mit etwas gemacht hat - wir beobachten und registrieren das und helfen ihr situationsbedingt auf verschiedene Arten da durch - aber eines lassen wir völlig außen vor:
das Mitleid.
Das nützt ihr nämlich nichts.
Mitleid ist in meinen Augen etwas destruktives, weil es dazu verleitet, die bestehende Situation hinzunehmen, anstatt sie zu ändern. Mitleid blockiert notwendige Strategien zur Problembewältigung und Mitleid verführt zu Fehlern im Umgang mit dem Bemitleideten. Deshalb schieben wir das Mitleid mit Doba ganz weit weg.
Und ersetzen es durch die Entschlossenheit, Doba da raus zu helfen. Ihr Strategien zu zeigen, wie sie mit ihren Ängsten umgehen kann, ihr Selbstvertrauen und Sicherheit zu geben, ihr Vertrauen in uns zu geben, indem wir absolut berechenbar in unserem Verhalten sind.
Dobas Baustellen Teil 2....
Eigentlich wollte ich jetzt was über den Umgang mit fremden Menschen draußen schreiben, aber nachdem sich gestern aktuell eine neue "Problembewältigungsstrategie" ergeben hat, schwenke ich mal darauf um...
Nämlich Dobas Angst vor allen möglichen Gegenständen.
Mittlerweile hat Doba gelernt, dass sie vor Rechen, Harken und Besen, die wir in unserer Pferdehaltung ja ständig in den Händen haben, keine Angst zu haben braucht. Das hat einige Zeit gedauert! In diesem Fall haben wir nicht mit der "Gegenkonditionierung" (sozusagen das "Schön-Füttern" von Gegenständen...) gearbeitet, sondern haben einfach die Zeit arbeiten lassen... Anfangs ist Doba regelrecht geflohen, mit einem wimmernden Aufschrei, wenn wir Harke oder Rechen in die Hand genommen haben... Draußen in der Pferdeanlage ist ja recht viel Platz zum Fliehen... Anfangs haben wir ihr das durchgehen lassen. Da stand sie dann hinter einem Zaun und hat durch die Bretter geschaut, was wir da machen... Wir haben betont oft die Gartengeräte in die Hand genommen, weggestellt, wieder in die Hand genommen...dabei vor uns hingesummt oder gesungen, mit den anderen Hundis dabei rumgekaspert und mit den Geräten das gemacht, was wir damit immer machen, nämlich die Pferdeäppel aufsammeln, damit die Weiden nicht verdreckt werden...
Nach einigen Tagen haben wir Doba die Möglichkeit, sich hinterm Zaun zu verstecken, "genommen", indem wir ein Tor geschlossen haben. Sie konnte aber immer noch einen riesengroßen Sicherheitsabstand einhalten.
Da stand sie dann vor diesem Tor und konnte nicht raus... War aber locker 20 m von mir entfernt. Da MUSSTE sie einfach durch. Lernen, dass gar nichts passiert. Nach einigen weiteren Tagen "aus Entfernung zusehen", saß sie dann schon entspannter vor dem Tor. Und da wurde ich das erste Mal etwas "aktiver" und hab sie herangerufen. Das Gartengerät an die Schubkarre gelehnt, zwischen den beiden Griffen, damit es nicht kontraproduktiv im ungünstigsten Moment umfallen kann. Fürs Kommen gabs dann Käse (Dobas allerliebste Lieblingsspeise...) Dann wieder wegschicken und einfach weitermachen... Nach etwa 14 Tagen lief Doba entspannt und locker mit über die Pferdeweiden, wenn ich dort zum Abäppeln unterwegs war. Kam immer mal wieder zu mir, trotz Harke in der Hand, staubte Käse ab und wir dachten "Problem Geräte mit Stiel erledigt"....
Hah! Denkste!
Denn während Doba Weltmeisterin darin ist, Dinge, die ihr Angst machen, miteinander fehl zu verknüpfen und da oft schon eine einzige Situation ausreicht, klappt das Generalisieren von Bewältigungsstrategien andersrum nicht...
Wetterbedingt sind die Pferde seit einigen Tagen nur noch tagsüber auf der Weide und nachts im Offenstall mit Auslauf. Der Offenstall wird dementsprechend mit Stroh eingestreut, muss also auch gemistet werden und dazu benutzt man eine
Mistgabel...
Vor der Doba dann wieder in Panik davon rannte....
Also wieder von vorne, allerdings ein wenig "robuster" als mit den anderen Geräten am Anfang. Doba mit in den Stall gerufen, sich hinlegen lassen in einer ruhigen Ecke und dann fröhlich singend losgemistet... Mit ein wenig Abstand um Doba drum rum und etwas langsameren Bewegungen als sonst... Doba war anfangs sehr unsicher und wollte in ihre sonstige Meide-Strategie zurückfallen, ich aber war der Meinung, dass zwischen Mistgabel und Harke und der Tätigkeit an sich kein großer Unterschied besteht und habe von ihr erwartet, dass sie das jetzt aushalten muss... Also jedesmal, wenn sie sich aus dem Stall schleichen wollte, wurde sie zurückgerufen... woraufhin sie dann zwar kam, aber bei der nächstbesten Gelegenheit wieder rausschlich...
Ich bin der Meinung, dass solche Probleme sich am besten bewältigen lassen, wenn der Hund von sich aus den ersten Schritt tut... Und wie gerufen kam mir dabei gestern der große Regen zur Hilfe!
Nach drei Tagen Doba in den Stall rufen und ihr immer wieder auftretendes Weghuschen, auch wenn die Zeiten allmählich länger wurden, kam mit dem Regen eine großartige "Komfort-Komponente" ins Spiel - draußen "schüttet" es und im Stall ist es trocken und im Stroh auch ganz kuschelig.... Doba wieder raus.... Innerhalb von drei Minuten patschnaß... Die anderen Hunde liegen gemütlich im Stroh und sehen mir beim Arbeiten zu...
Doba kommmt näher, sieht in den Stall rein, schüttelt sich, macht ein paar Schritte und legt sich zu den anderen Hunden... Und bleibt da liegen, auch als ich vom Misthaufen wieder reinkomme und die Mistgabel zur Hand nehme...ein Moment für ein fröhliches "Doba, fein"...
Ich hätte sie wahrscheinlich noch tagelang immer wieder reinrufen können. Aber durch den Regen hat SIE den ersten Schritt gemacht und das war mal wieder der benötigte Quantensprung... Ich und die anderen Hundis können ihr nur vormachen, dass alles ok ist, den entscheidenden Schritt muss Doba selbst machen... Und dann wird das... Denn mit dem ganzen Drum-Rum, unseren Umgang mit ihr, wird sie in kleinen Mini-Schritten immer sicherer und die Überwindungszeit immer kürzer...
Heute scheint die Sonne - mal sehen, was Doba draus macht...
LG, Chris