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Oder ich fange mal anders an: da sind zig Sachen in der Umwelt, so viel, worauf der Hund reagiert, so viel, was wir bislang noch nicht trainiert haben... Auch vieles, was der Hund extrem "spannend" findet, da muss man erst mal einen Weg finden, gegen anzustinken...
Das ist eine Situation, die ich auch des öfteren beobachte. Da läuft Mensch mit Hund spazieren, es kommen Jogger, Radfahrer, Autos wollen vorbei, fremde Hunde, womöglich noch Kinder und der Hund dreht derart auf, dass er kaum noch ansprechbar ist.
Will man dieses Verhalten jetzt abbrechen, dann wird man mit nem größeren Hammer kommen müssen - klar.
Die Frage, die sich mir da aber stellt - wieso geht man ohne Grundgerüst in eine solche Situation? Wieso bringt man dem Hund nicht vorher schon bei, dass es lohnenswert ist, seine Aufmerksamkeit im Zweifel auf den HF zu richten und arbeitet sich dann in der Intensität der Ablenkung nach oben? Wieso die schlechtest denkbare Situation Sonntag Mittag bei schönem Wetter am Stadtpark und dann - notgedrungen - mit "NEIN!!" und Leinezerren? - das bezieh ich jetzt nicht auf dich, das ist so das Standardbild, das ich dabei im Kopf habe.
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Ich versuche ja nun wirklich, meinen Hunden den "richtigen" Weg schmackhaft zu machen, aber sollte man nicht auch in der Lage sein, einfach mal "nein" zu sagen? Ohne riesen Brimborium, Umlenkaktionen oder was auch immer?
Nochmal: Ich sage nein. Ich denke, auch shoppy sagt nein. Der Knackpunkt ist, "Nein" - ich will nicht, dass du zu dem Hund hin ziehst... "Ja, genau so" - so ist´s richtig, ich will, dass du an lockerer Leine gehst und den Hund bestenfalls beobachtest oder deine Aufmerksamkeit gleich mir schenkst.
Den Unterschied macht für mich die Hilfe für den Hund nicht zwischen "so nicht" und Nullreaktion zu wählen, sondern immer zwischen "so nicht" und "so ists gut".
Denn ich - ganz persönlich - bin der Meinung, dass der Hund sonst in hilfloses Herumprobieren verfällt, was denn nun im Rahmen all der "darfst du nicht!" liegt. Da kann ichs mir und ihm leichter machen und ihm sagen, was ich WILL, statt nur zu kommunizieren, was ich NICHT will.
Und da ich der Ansicht bin, dass bestenfalls 10-20% aller entsprechenden Situationen darauf basieren, dass der Hund eigentlich weiß, was Sache ist, aber mal ausprobiert, obs denn nicht doch vielleicht diesmal geht, ist mir einfach die Fehlerquote meinerseits viel zu hoch, den Hund in diesen unpräzisen Meidegehorsam reinzubringen.
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Wenn der Hund meinen Entscheidungen vertraut (und vielleicht ist er ja gerade sogar unsicher und wünscht sich, jemand übernimmt kompetent?), dann lässt ihn ein Nein doch nicht zusammen brechen.
Wieso führe ich in der Situation nicht konsequent, wenn ich sage "nein, lass das" aber eben kombiniert mit "ja genau SO ist es gut"?
Und woran ein Hund einbricht kann kein Maßstab sein. Es gibt Hunde von kaum was wirklich einbrechen..
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Wenn mein Mann ins Kino möchte und ich sage nein, dann sage ich das genau so. Ich fange nicht erst großartig an, ihm den Spielfilm des Tages schmackhaft zu machen oder renne in den Supermarkt, um ihm sein Lieblingsessen zu kochen, das ihn Zuhause hält.
Du sagst deinem Mann er darf nicht ins Kino gehn? 
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Und genauso halte ich es bei meinen Hunden, dass ein Nein auch einfach mal reichen muss. Einfach zu sagen, ich möchte das gerade nicht. Ich glaube auch nicht, dass es den Hund automatisch im Regen stehen lässt.
Ja und? Dagegen sagt doch niemand was, es gibt bei mir auch Situationen, in denen ich Nein sage. Der maßgebliche Unterschied ist, denke ich, dass ich in 90% aller Situationen nicht nein sage, sondern "hmhm"... ihr wisst, was ich meine. Das reicht. Ich wirke nicht auf meinen Hund ein, ich kommunizier einfach, dass DAS jetzt grad nicht läuft.
Darum gings doch, oder versteh ich hier grad was falsch?
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Wenn mein Hund gerade für sich entdeckt, dass Katzen jagen ein lustiges Spiel sein könnte und ich sage "Nein", dann wird er das auf die Katze/das hetzen... beziehen. Das ist es, was ihn in dem Moment völlig ausfüllt. Und ich möchte dann nicht unbedingt ein Alternativ-Kommando (komm zu mir bei Katzensichtung, whatever...). Es ist mir schnurz, ob der Hund dann stattdessen schnüffelt, nach Mäusen buddelt, mit einem anderen Hund spielt... Ich möchte ihm überhaupt kein Alternativverhalten vorgeben. (Jetzt vielleicht mal extrem jagdtriebige Hunde außen vor...). Was wäre denn die Alternative? Hund die nächsten Monate an die Schleppleine und clickern, dass er merkt, er kommt eh nicht an die Katze? Bekommt dafür einen Ball geworfen, so ersatzweise?
Ja und? Dann lass es doch sein mit dem Alternativverhalten, aber Fakt ist, dass man Nicht-Jagen auch positiv belegen kann statt Jagen negativ zu belegen. Das ist eine Wahl, die man hat. Wenn man sich dafür entscheidet, es negativ zu besetzen, ist es eben so, aber dann doch bitte nicht wieder diese "es geht nicht anders"-Schiene.
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Zum eigentlichen Thema: Wie Hunde untereinander miteinander umgehen finde ich nicht völlig unerheblich. Zumindest zeigt es, was Hunde verstehen, worauf sie Wert legen, was ihnen wichtig ist, wie sie kommunizieren. Dass ich vieles an hündischem Handeln nie hinbekäme, ist mir klar, deshalb tu ich das auch nicht. Aber zumindest sind Hunde hoch soziale Lebewesen, mit Sinn für Kompetenzen, mit Sinn für Beziehungen... Mir ist das zu wenig, zu sagen, der Hund tut halt, was sich für ihn lohnt. Der Hund bringt eine Bereitschaft zur Beziehung mit dem Menschen mit, die Wildtiere in aller Regel nicht mitbringen. Für Hunde ist der Mensch ein Sozialpartner. Ich finde es auch etwas schade, was staffys Rolle hier im Thread war, wobei ich beileibe kein Canis-Fan bin, aber ich bin mir sicher, sie haut nicht drauf, damit Hund "funktioniert". Es geht mehr darum, dass der Hund vertraut, dass er Kompetenzen erkennt. Dem Hund geht es doch in seiner Beziehung zum Menschen und im Alltag nicht nur um Spiel und Futter und geknuddelt werden.
Worum denn dann?
Darum, seinem Menschen zu gefallen? - Ja, weil er weiß, wenn Mensch gute Laune hat, hat das für ihn Vorteile.
Darum, vom Menschen geliebt zu werden? - wenn es Vorteile für ihn bringt, dann ja.
Was in meinen Augen bei der Übertragung hündischer Interaktion auf mensch-hündliche oft übersehen wird ist der Umstand, dass Hunde untereinander ausschließlich Dinge sanktionieren, die ihre ganz eigenen Vorteile betreffen.
Kein Hund maßregelt einen andren weil er nicht Sitz macht, zu weit weg läuft vom Rudel, etwas jagt/fängt, etwas frisst, das er irgendwo gefunden hat oder weil der Hund sich mit einem andren Hund rauft. Und schon gar nicht maßregelt ein Hund einen andren weil der irgendwas andres als eben diesen maßregelnden Hund anknurrt oder anbellt.
Hunde maßregeln Verletzungen der Individualdistanz - und sie warnen vorher.
Sie verteidigen Ressourcen - und warnen vorher. Und kein Alphahund nimmt einem nicht-Alpha Hund das Futter weg...
Und das wars.
Der Mensch maßregelt Dinge, die ihn im Hundeverständnis gar nicht betreffen.
Wir hatten heute eine sehr interessante Szene auf dem HuPla. Ein nicht regelmäßig dort anwesender Schäferhundbesitzer mit seinem Rüden. Er wollte den Rüden um einen Baum revieren lassen.
Beim ersten Versuch lief der Rüde nach sichtlichem Verdutzen zum Baum nebendran mit einigen Metern versatz, als der HF hinterherbrüllte PLATZ, drehte er ganz ab und holte sich gleich den Helfer, der im Versteck wartete.
Zweiter Anlauf. Gleicher Baum. Diesmal lief der Hund gleich zum Helfer, nicht ohne vorher ratlos ein paar Schritt auf den gezeigten Baum zumarschiert zu sein.
Beim dritten Anlauf revierte er dann endlich korrekt um den Baum herum.
Jedes Mal machte der HF ein riesiges Theater und versuchte über "NEIN, NEIN, NEIN!" - mit Stachelunterstützung - das Ganze zu korrigieren. Dabei war es offensichtlichst, dass der Hund den Baum aufgrund der Lichtverhältnisse und des geringen Abstands zum Zaun einfach nicht als mögliches Versteck begreifen konnte.
Dieser Hund hat bereits mehrere Prüfungen abgelegt, in denen er korrekt um sechs Verstecke reviert hat. Nütze in dem Moment nix. Der HF war fest davon überzeugt, dass der Hund weiß, was er soll, es aber trotzdem nicht tut. Er war Minutenlang damit beschäftigt, dem Hund zu zeigen was er NICHT tun soll, statt ihm EINMAL zu zeigen, was er denn tun soll.
Und so halt ich es mit meiner.
Ich zeig ihr, WAS ich möchte. Das erledigt "was ich NICHT" möchte einfach in den meisten Fällen gleich mit.
Der einzige Zusammenhang, in dem ich in der Akutsituation ausschließlich einen deutlichen aversiven Reiz gesetzt hab war, als sie jemandem ins Gesicht gesprungen ist. Zähne voran.
Aber - und das ist der Knackpunkt - darauf folgte monatelange Arbeit mit ihr unbekannten Menschen um ruhiges, nicht aggressives Verhalten positiv zu Bestärken.
Ändert nichts dran, dass Beißen ein NOGO ist, das negativ belegt wird. Aber ich habe das Alternativverhalten nachgeliefert. Weil "nicht beißen" hat mir nicht gereicht. [EDIT kleine Korrektur] Zusätzlich hab ich ihr die Alternative "zu mir kommen" aufgezeigt, wenn es ihr zu eng wurde. Madame geht von sich aus nämlich nach vorn, nicht zurück.
Und ein weiterer Nebeneffekt, den ich als sehr erstrebenswert empfinde, ist, dass sie durch meine Art der Arbeit mit ihr inzwischen bei unbekannten Situationen routinemäßig nach meiner Reaktion sucht bzw. fragt.
Und genau so wollte ich das.
Sie nicht nur von Dingen abhalten, sondern sie auch zu Dingen ermutigen können - quasi mit einer Geste oder einem Wort.