Hallo,
bitte nimm mir meine Worte nicht krumm, deine Verzweiflung kann ich gut nachvollziehen. Aber wir sind hier in der Lage, nicht in deiner Haut zu stecken, weshalb eine Einschätzung, so sehr dass nach deinen Angaben funktioniert, objektiv ausfallen kann.
Und ganz objektiv betrachtet sehe ich die Frage, ob der Hund bleibt oder nicht, nicht bei dir, sondern bei deinen Eltern und deinem Bruder, denn sie sind die Personen, die mit deinem Hund die meiste Zeit verbringen, mit den Problemen rund um die Uhr leben müssen. Sie haben die meiste Arbeit, leben mit den Konsequenzen.
Das ist weder fair, noch war es so von dir gedacht, aber die Situation sieht ja leider so aus.
Sowohl deinen Plan der Wochenendbetreuung, als auch die Mitnahme des Hundes nach Hannover, sehe ich kritisch.
Die Wochenendbetreuung hat gleich mehrere Haken.
Zum Einen ist dadurch dein Einfluss stark gemindert, sowohl beim Hund, als auch, was seine Erziehung angeht - ein Training ausschließlich an den Wochenenden ist leider nicht sehr fruchtbar, wenn die restliche Zeit ganz anders mit dem Hund umgegangen wird. Außerdem ist es geradezu ein Herd für Streitigkeiten, denn versetze dich mal in die Lage deiner Familie; sie haben den Hund die meiste Zeit, kümmern sich, haben die Arbeit, dann kommst du am Wochenende und machst ihnen "Vorschriften", wie sie jetzt was zu tun haben. Und düst dann wieder ab, lässt sie mit der Arbeit und den Aufgaben zurück. Die Allerwenigsten werden das lange mit sich machen lassen, vor Allem, wenn deine Mutter jetzt schon keine Lust hat, am Problem zu arbeiten.
Wäre noch die Frage, ob dein Bruder das will.
Denn wenn, würde es doch eher sein Hund werden, so Leid es mir auch für dich tut.
Zum Anderen solltest du auch an dich denken. Noch mag die Pendelei funktionieren, aber sie wird aufreibend werden. Deine Situation wird sich lange nicht ändern und auch deine Freizeit wird nicht mehr.
Ganz weltliche Dinge wie Wohnungsputz, lernen, einkaufen... schafft man oft nur am Wochenende, aber auch, wenn erst emotionale Bindungen in Hannover entstehen - Freunde, Beziehung, Hobbies - wird es nicht einfacher.
Die einzige Möglichkeit, wie dein Hund auch wirklich dein Hund werden könnte, sähe ich darin, den Hund nach Hannover zu holen.
Aber bedenke bitte, ob das praktikabel ist und ob du dem Hund da wirklich einen Gefallen tun würdest - ein nicht umweltsicherer Hund in einer Großstadt ist auf jeden Fall problematischer als einer auf dem "Land".
Du kommst in einer Stadt nur schwer dazu, Umgebungen zu finden, in denen du kaum Menschen und Hunde triffst, es sei denn, du fährst weit heraus, was auch Zeit frisst. Ich selber wohne am äußersten Stadtrand und gehe gegenwärtig meist schon zwischen 04:00 und 05:00 Uhr morgens die große Runde ohne Leine, weil mein Hund mit den meisten Hunden unverträglich ist und es die einzige für mich umsetzbare Methode ist, nicht alle 5 Minuten wegen eines anderen Hundes anleinen zu müssen.
Dann arbeitest du sehr lange, bräuchtest eine Betreuung.
Ich habe selber das Problem, dass ich einen Hund habe, den ich nicht einfach irgendjemanden in die Hand drücken kann, eine gewisse Kompetenz ist da schon gefragt. Und diese Kompetenz kostet... und zwar mächtig.
Die Leute, die mir wirklich gefallen, fangen bei etwa 10-15€/h an. Dazu bräuchtest du bestimmt immer noch einen Trainer. Überlege sorgfältig, ob das finanziell überhaupt möglich wäre.
Ich sage nicht, dass es vollkommen unmöglich wäre, aber ob du dir und deinem Hund einen Gefallen tust, wenn du es auf Biegen und Brechen hinbekommen willst, solltest du bedenken.
Sollte es nicht gehen, sei so fair und überlasse deiner Familie die Entscheidung, wie es mit dem Hund weitergehen soll. Denn auch, wenn es auf emotionaler Ebene dein Hund ist, ist es praktisch ihrer.
Man kann niemanden zwingen, mit der gleichen Entschlossenheit und Hingabe an eine Aufgabe heranzugehen, die man selber an den Tag legen würde. Und ohne konsequente und langwidrige Arbeit wird es schwer, euren Hund in die Bahnen zu lenken, die du gerne hättest.
Es tut mir sehr Leid, dass du in diese Situation geraten bist und ich glaube dir, dass du das nicht wolltest, dass es so nicht hätte sein dürfen.
Doch so schwer es fällt, versuche dein Herz ein bisschen rauszuhalten und befrage deinen Kopf, was wirklich das Beste für alle wäre.
Liebe Grüße