Ich will hier nicht rumspammen, aber beim Drüber-Schlafen musste ich mich doch noch ein bisschen mit dem Thema "Todeswunsch bei Mensch und Tier" auseinander setzen.
Meine Oma führt so ein Leben, das sie, wie wohl auch die meisten, die sich mit der Situation befassen würden, als nicht lebenswert deklarieren würde. Und tatsächlich kann ich mich in den letzten drei Jahren an keinen Besuch erinnern, an dem sie keinen Todeswunsch formuliert hätte.
Auch steckt sie beharrlich viel Energie darin, nicht mehr zu leben. Essen und Trinken verweigert sie genau so kategorisch wie Alles, was ihr eventuell noch etwas Lebensqualität zurück geben könnte.
Was sie erlebt, kann man auf das Fernsehprogramm von Sat1 reduzieren. An Besuch hat sie auch keine Freude mehr, da sie nichts, was mit dem Leben außerhalb ihres Zimmers zu tun hat, noch interessiert. Ob ich Fiete vor ihr parke oder mich zu ihr setze, es sind im Grunde die gleichen Gespräche.
Herz, Lunge, Nieren und Leber sind kaputt, laufen kann sie kaum noch, sie friert ständig und auch ihr Geisteszustand wird immer schlechter.
Ich habe mich oft gefragt, warum sie dem kein Ende setzt. Sie schimpft oft darüber, dass es keine aktive Sterbehilfe für Menschen gibt und wie gesagt, leben will sie nicht mehr.
Natürlich habe ich sie nie gefragt, aber meine Antwort habe ich dennoch bekommen.
Denn sie war vor ein paar Monaten kurz davor zu sterben, ihr Herz machte schlapp. Ohne Herzschrittmacher hätte sie keine Woche mehr, wurde ihr gesagt. Sie hat geweint und ohne zu zögern der OP zugestimmt. Mit 82 Jahren und ohne Motivation, ein Leben zu führen, wollte sie dennoch nicht sterben.
Es ist nicht ganz das gleiche wie einen Hund einzuschläfern, natürlich, aber wir haben uns oft genug gefragt, ob wir richtig handeln, wenn wir sie zwingen zu essen, zu trinken, ihre Medikamente zu nehmen. Ob wir ihr einen Gefallen damit tun, sie nicht einfach verwahrlosen zu lassen, obwohl das ihr Wunsch war. Auch jetzt steht sie noch fest dahinter, dass sie sterben will, aus ihrer Sicht (und da kann ich ihr nicht ein Mal einen Vorwurf machen, denn ich bin mir sicher, dass sie es tatsächlich nicht mehr weiß) haben wir (wahlweise sind das immer andere Familienmitglieder) sie gezwungen, zu unterschreiben, was sie uns sehr übel nimmt, da wir ihr den Wunsch verwehrt haben, dass ihr Herz einfach aufhörte zu schlagen. Manchmal gibt es in der Geschichte auch einen Amtsvormund (den sie nie hatte). Und manchmal hat sie auch gar keinen Herzschrittmacher.
Worauf ich hinaus will - wenn die Entscheidung, zu leben oder zu sterben, selbst bei einem Menschen so wenig eindeutig ist, obwohl er, wenn auch eingeschränkt, in der Lage ist, sich die Konsequenzen von beidem vorzustellen, wie soll man da eine "Entscheidung" von einem Tier verlangen oder eine so eindeutige Linie ziehen, dass man das an irgendeiner Stelle verurteilen könnte.
Kommt es wirklich auf Würde und Qualität an?
Oder auch: Wenn man selber so wenig Anteil an der Entscheidung nehmen will, wenn es um einen selbst geht, was soll dann ein Dritter als Parameter wählen? Schmerz ist da das einzige, was einigermaßen durchschaubar ist und woran ich festmachen würde, dass es nicht mehr geht. Ist der Zwang, Schmerzen vermeiden zu wollen, stärker als der Drang zu leben?