Ich denke, es ist für die meisten Leute genau so wenig ein Thema, wie "Freeze".
Auffällig ist "Fight" und "Flight", daran arbeitet man dann, weil es im Alltag einschränkt und negativ auffällt.
Wenn ein Hund ständig erstarrt und abwartet bei stressigen Begegnungen, ist das nichts, was man ändern müsste.
Bei Hundebegegnungen zb handelt sich der Hund damit weder Schlägereien ein (Fight), noch ist er potentielle Beute (Flight). Bei Menschenbegegnungen muss man um seinen Gegenüber keine Angst haben (Fight), noch muss man sich für seinen "feigen Hund schämen" (Flight), weil der Hund nur dasteht und erträgt (Freeze).
Das selbe gilt für die Spieler (Fiddle). Wen stört es denn besonders, wenn der Hund sich auf dem Rücken im Kreis dreht, Lefzen leckt, in den Gegenüber fast reinkriecht, sich um sich selbst dreht, Spielaufforderungen macht, usw.
Da wird der Hund dann ausgelacht, evtl mal weggenommen, wenn es dem Gegenüber zu viel wird, aber idR halten diese Leute ihre Hunde für ganz ganz besonderes freundlich (Retrieverleute!!! AAAAH!!!!). Wer sollte sich denn mit der Thematik "zu freundliche Hunde" auseinander setzen und darüber Bücher/Texte schreiben, referieren oder Videos drehen. Es interessiert die allerwenigsten, und die allerwenigsten nehmen war, dass ihr Hund ein Problem hat.
Dein Beispiel mit dem Liegeplatz passt nicht so ganz rein. Es geht bei "Fiddle" nicht um Anbiedern und Problemlösungsstrategien, sondern um Stressbewältigung in Situationen, die so viel Stresshormon ausschütten, dass ein "Modus" im Gehirn angeht, der ein "Notprogramm" startet.
Ich hatte da letztens ein GANZ klassisches Beispiel dafür.
Eine Freundin von mir hat eine Mudihündin, second hand, die mit anderen Hunden etwas "unbequem" sein kann und zT ein in meinen Augen kotziges "Sozialverhalten" an den Tag legt: und zwar schießt sie im "Beutemodus" auf Hunde zu und springt dann in letzter Sekunde drüber. Als sie das bei einem fremden Yorkie gemacht hat, dachte ich, dieser Hund wird, wenn sie ihn erreicht hat, das zeitliche Segnen. Der Yorkie dachte das auch, hat sich geduckt (Freeze) und die Mudihündin ist drüber gesprungen und abgedreht.
Mit unter anderem dieser Mudihündin waren wir zusammen im Urlaub und hatten einen großen Garten zur Verfügung.
Ich war mit meinen Hunden draußen und habe nicht damit gerechnet, dass sie von hinterm Haus angeschossen kommt.
Sie hatte sich für ihren Scheinangriff Rosie ausgeguckt, hat sie fixiert, Anlauf genommen, Vollgas gegeben und ist auf sie zugestürzt.
Und Rose? Erst so:
Und dann: "Ähä!! Spielen?
"
Vorderkörper Tiefstellung, Rute gewedelt, Blick etwas abgewandt. Ihr war nicht wohl dabei und nicht nach spielen (sie spielt idR nicht mit anderen Hunden, außer meinen eigenen), das war ihre Problemlösung in dieser sehr bedrohlichen Situation.
GANZ TYPISCHES "fiddle", ohne Extreme, Übertreibungen usw.
Die Situation war dadurch auch sofort entschärft.
Marie hätte sich bei so einem unhöflichen Verhalten den Mudi im Absprung gepackt (Fight), Emily wäre wohl erstarrt und auf den Boden gesunken (Freeze) und Lieschen wäre um ihr Leben gerannt (Flight).
NICHT dazu passt die Übersprungshandlung "spielen", was manche Hunde zeigen, wenn sie den Besitzer (der immer wütender wird) nicht verstehen und dann anfangen, herumzualbern.
NICHT dazu passt eben auch die Problemlösung "schleimen", wenn der Hund irgendwo dazu will, ohne verkloppt zu werden.
Bei den 4Fs geht es wirklich im Prinzip um Situationen, die vom Körper als "lebensbedrohlich" empfunden werden, weil sie genug Stresshormone ausschütten. Dabei muss es keine "Angst" sein, Stress ist nicht gleich Angst, aber bei einem so hohen Stresslevel ist mir persönlich egal, ob es sich um positiven oder negativen Stress handelt.
Bei Menschen wären das zB solche Situationen:
Ersthelfer bei schweren Unfällen, die auf die Verletzten schauen und sich nicht rühren können (Freeze).
Menschen, die überfallen und deren Leben bedroht wird, die dann Handlungsunfähig sind und "nicht mal" um Hilfe schreien (Freeze).
Ich, wenn ich in der Anatomie-Prüfung stehe und meinen Namen nicht mehr weiß (Freeze.. ich übe jetzt gezielt an "Fight", weil Freeze Cortisol und Fight Adrenalin ausschüttet).
Als Marie und ich von 3 großen Hunden (2 Airedales und 1 gleichgroßer Mix) angegriffen wurden, und ich Marie an mich gedrückt und wild schreiend um mich getreten habe, während die Hunde in meine Arme und meinen Rücken gebissen haben (Fight).
Opfer bei Geiselnahmen, die dumme, unpassende "Witze" und Äußerungen machen dem Geiselnehmer gegenüber (Fiddle).
Positiver Stress, der bei mir zb sowas ausgelöst hat, war der Moment, wo ich nach 4 Tagen Suche mein verlorengeglaubtes Lieschen wieder zurück bekommen hatte, obwohl alle schon gesagt haben, sie ist sicher tot und wir finden sie nicht mehr. Da stand ich dann in dem Büro von dem, der sie gefunden hat, habe nur geweint und konnte gar nichts mehr tun (Freeze) und als das Aufgelöst war, habe ich blöde Witze darüber gemacht, dass mein Hund ausgerechnet in ein Porsche-Autohaus gelaufen ist, und ob mir das was sagen soll (Fiddle).
Je nach Gemütszustand, Laune, Charakter, Situation usw können diese 4 Fs dann unterschiedlich stark ausgeprägt sein, sie können von Situation zu Situation variieren und sie können ineinander übergehen.
Übersprungshandlungen würde ich wahrnehmen und je nach "Schwere" entweder unterbrechen/die Situation beenden/entschärfen oder sie den Hund mal aushalten lassen. Problemlösungsverhalten würde ich, so lange sich niemand gestört fühlt, in der Regel laufen lassen, weil das nichts mit Stress zu tun hat.
Aber wenn die 4Fs ins Spiel kommen mit diesem extreeeem hohen Stresspegel würde ich das IMMER, immer immer unterbrechen, die Situation beenden und/oder den Hund aus der Situation nehmen und sei es, indem ich ihn auf den Arm nehme ne Zeit lang.