Der Status jetzt: ein leinenaggressiver Hund, der nie schläft, weil er gestresst ist. Prinzipiell gingen wir nur zum Pinkeln raus, da uns alles andere wahrlich zuviel war. Jeder Ausflug endete irgendwie doch in einem Desaster.
Habt Ihr die Möglichkeit, irgendwohin rauszufahren mit dem Auto? Einfach an ne Stelle, wo normalerweise nix los ist. Keine Leute, keine fremden Hunde. Nur, daß Ihr mal nen ruhigen Spaziergang mit ihm haben könnt. Der braucht doch Bewegung......
Ne Stelle, wo nix los ist, würde ihm helfen, runterzukommen. Momentan geht der wahrscheinlich schon mit "auf 180" zur Haustüre, weil er damit rechnen muß, da es Begegnungen geben wird, wo er wieder nicht zurechtkommt mit. Sprich, er ist schon gestreßt, bevor´s überhaupt losgeht. Wenn dann noch wer entgegenkommt, explodiert er natürlich schneller, als wenn er ruhig rausgegangen wäre, weil das generelle Erregungslevel so schon ziemlich hoch ist, und Gassi mit der Erwartungshaltung "blöde Situationen" verknüpft ist. Und für Euch isses wahrscheinlich schon der Horror, auch nur "Gassi" zu denken, weil Ihr nimmer wißt, wie mit den Situationen umgehen....
Ich würde derzeit echt versuchen, alles zu meiden, was ein Eskalieren triggern könnte beim Hund. Um den Streß beim Hund, aber auch bei Euch loszuwerden - Ihr geht ja auch schon raus mit dem Hintergedanken "Na super, jetzt noch ein Floh, der hustet, und Hund eplodiert wieder". Klar - Ihr wartet ja nur nch drauf, dann macht er das natürlich auch, weil Euer Streß den Seinen noch anstachelt.... und wenn das mal weg wäre, und Ihr statt Streß RUHE vermitteln könntet, von der Ausstrahlung her, wäre das bestimmt schon die halbe Miete.
Wenn er daheim nicht schläft: wie ist es wenn Ihr ihn in ein andres Zimmer setzt und die Tür zumacht - kann er dann schlafen? Meine Idee ist, daß er meint, alles überwachen zu müssen und daher nicht zur Ruhe kommt. Wenn die Tür zu ist, muß er akzeptieren, daß es nix zu bewachen gibt, und könnte evtl. bissel runterkommen, sodaß er schlafen kann. Einfach mal testen.....
An der Leinenaggression braucht man derzeit gar net zu arbeiten, solange er immer wieder in solche Situationen gerät, wo er diese zeigen kann (bzw. aus seiner Sicht "muß"!) . Jedes Mal verfestigt sich diese Reaktion, jedes Mal steht er unter massiv Adrenalin - und das braucht 7-10 Tage, um im Körper abgebaut zu werden. Sprich, der ist bei jedem Gassigang mehr gestreßt, ein Teufelskreis, weil zum noch nicht abgebauten Adrenalin Weiteres hinzukommt. Deswegen: erstmal Runden ohne Begegnungen für ein paar Wochen, damit der nicht mehr schon auf 180 ist, wenns Richtung Haustüre geht. Und wenn er dann nach Wochen-Monaten echt entspannt unterwegs ist, mal ne (einzelne!) Begegnung planen, wo jemand quasi "am Horizont" unterwegs ist, gerade so schon in seinem Sichtfeld, und gucken, ob er eine von Euch genannte Verhaltensalternative annehmen kann, oder sofort wieder hochdreht. Sei es ein Fußkommando, ein Sitz, ein Umdrehen o.ä. weg vom andren Hund. Bleibt er ruhig, kann man paar Tage später nochmal testen, etwas geringerer Abstand zum andren Hund. Denn bevor das Streßlevel nicht massiv gesunken ist, ist der Hund doch für ein Training überhaupt nicht aufnamefähig.
Und bis er so weit ist, müßt Ihr halt jedem andren Hund ausweichen, umdrehen, Riesenbogen machen etc. Damit er merkt, Ihr seid in der Lage, ihm den Streß fernzuhalten. Damit ER das nicht machen muß, indem er entgegenkommende Hunde anpöbelt.
Was dabei wichtig ist: nicht an der Leine dranhängen und warten, daß der Hund eskaliert, weil da wer entgegenkommt, und dann hinterher schimpfen. Sondern: sehen daß da wer kommt, und sobald der Hund das wahrgenommen hat (meist sieht man ihm das doch an der Nasenspitze, pardon, den Ohren und der ganzen Haltung, an!), daß da wer kommt, AGIEREN - indem Ihr weggeht, umdreht, ihm Sitzommando gebt, ihn hinter Euch nehmt, was auch immer. Also AGIEREN, nicht REAGIEREN. Nicht erst an ihm dranhängen und hilflos aufs Eskalieren warten. VORHER eine Strategie überelgen, was mache ich wenn an der ECke jemand entgegenkommt. Ausweichen, Abbiegen, Umdrehen, hintern Busch stellen und ablenken - was auch immer. IHR verschafft ihm den Abstand, den er zu brauchen scheint.
Ich hab hier auch grad so nen Kandidaten in Sachen Hundebegegnungen - allerdings in der U10-Varianten: unter 10 Kilo. Bei dem hilft es unheimlich gut, auf größere Entfernung stehenzubleiben, ihn anzusprechen - dann kommt er inzwischen, nach wenigen Wochen hier, schon zu mir, stellt sich neben/hinter mich. Wenn ich merke, er wird aufgeregter, nehm ich ihn auf den Arm, und rede freundlich und extrem entspannt mit ihm. Das hilft ihm wahnsinnig: inzwischen dürfen Hunde, die uns entgegenkommen, netterweise am Leben bleiben, wenn ich mit ihm aufm Arm unterwegs bin, ohne daß er rumkläfft, kreischt und springt. Das wird so mit Deinem nicht so ganz klappen, wegen der Größe. Aber Du kannst ausweichen, ihn hinter Dich nehmen, auf die Seite gehen, weg vom Fremdhund gehen, umdrehen - was auch immer. Wichtig: der Hund muß merken, Du hast sein Problem erkannt und tust was dagegen, verschaffst ihm möglichst viel Abstand. Damit ER es nimmer tun muß, indem er rumpöbelt. Wird nicht immer klappen - aber doch immer öfter wenn er mal gemerkt hat, Du hast kapiert, daß er Begegnungen scheiße findet, und versuchst, zu helfen. Weil er sich dann auf Dich verlassen kann: Du wirst das schon managen.....
Labbi/Schäfer-Mix ist halt auch ne saublöde Mischung: das labitypische "ich will zu jedem hin", dem der Schutz- und Wachtrieb des Schäfers gegenübersteht, der das Gegenüber lieber fressen würde. Kann gut sein, daß der Hund da schlichtweg auch grundsätzlich nen Massiven Konflikt mit sich selbst in solchen Begegnungen hat, weil da zwei Seelen in einer Brust schlummern.....
PS: Aufreiten hat nicht unbedingt was mit übersteigerter Sexualität zu tun, das kann auch einfach ein Zeichen für massiven Streß sein der sich in Aufreiten Luft zu verschaffen sucht. Nachdem das aber nciht die Ursachen für den Streß ist, sondern nur die Auswirkung, bringt die Kastra dann halt auch nix..... Weil der Streß ja trotzdem da ist und sich in dem Aufreitverhalten nur Ausdruck verschafft hat.