Lieber Vater von Samy,
Hier schreibt Ihnen eine erwachsene Userin des Dogforums.
Als ich die Beiträge Ihrer Tochter las, war ich sehr beeindruckt von ihrer Reife, ihrem wachen Verstand und vor allen Dingen ihrem für ihr junges Alter sehr ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein.
Sie sind bestimmt sehr stolz auf sie!
Leider kommen Sie als Vater in den Schilderungen Ihrer Tochter bei Weitem nicht so gut weg. Ist es Ihnen bewusst, dass Ihre Tochter in einem Hundeforum nicht nur nach Ratschlägen bezüglich Ihrer Hündin sucht, sondern gleichermaßen fast verzweifelt ihr augenscheinliches, interfamiliäres Kommunikationsproblem thematisiert?
Da Sie und ich einander fremd sind, möchte ich Sie dafür um Verständnis bitten, dass meinen folgenden Anmerkungen bislang nur jenes Vorwissen zu Grunde liegt, welches auf den Erzählungen aus der Perspektive Ihrer Tochter beruht.
Ich bin mir sicher, dass sie ein liebevoller und fürsorglicher Vater sind, denn andernfalls hätte Ihre Erziehung keineswegs eine solch herzliche, aufgeschlossene und wissbegierige Tochter hervorbringen können.
Dennoch existieren offenbar Schwierigkeiten der Verständigung, nicht nur, was den Umgang mit Ihrem Hund Josie betrifft, sondern viel eher zwischen Ihnen und Ihrer Tochter im Allgemeinen.
Es mag sein, dass ich mich mit dieser These zu weit aus dem Fenster lehne, doch ich habe beim Lesen den Eindruck gewonnen, als hätten Sie noch nicht bemerkt, dass aus Ihrer kleinen Tochter eine mündige und verständige junge Frau geworden ist, die es verdient, dass man ihre Meinung anhört und respektiert.
Auch wenn manche ihrer Ansichten (nicht unbedingt nur den Hund betreffend) vielleicht aus dem Blickwinkel eines Erwachsenen unverständlich oder sogar mit der elterlichen Aufsichtspflicht unvereinbar sind, so sollte Ihre Tochter dennoch das Recht eingeräumt bekommen, eine sachliche Argumentation auf adulter Basis führen zu dürfen und nicht wie ein Krabbelkind übergangen und abgespeist zu werden.
Die dafür nötige rhetorische Versiertheit und inhaltliche Reflektion besitzt sie, nach allem, was ich bisher von ihr lesen durfte, allemal.
Die von Ihrer Tochter geschilderte Art und Weise, wie Sie ihren durchaus berechtigten Einwänden bezüglich des Umgangs mit dem gemeinsamen Hund begegnen, lässt mich fast glauben, dass Sie vielleicht ein Mensch sein könnten, der die Erkenntnis über die gewonnene Reife und das Heranwachsen seiner Tochter scheut, um sich einer Konfrontation entziehen zu dürfen, innerhalb derer er vielleicht eingestehen müsste, dass seine sechzehnjährige Tochter auf einigen Gebieten nicht nur an Wissen aufgeholt, sondern ihn geradezu überflügelt hat.
Bitte nehmen Sie meine Worte nicht als Anmaßung auf, sondern viel eher als einen Beweis des Verständnisses für Ihre Situation.
Für einen Vater, dessen Tochter jahrelang zu ihm aufgeblickt und ihn als ihr Idol angesehen hat - denn jeden guten Vater empfinden kleine Mädchen als ihren ganz persönlichen Superhelden - muss es ein harter Schlag sein, zu der Erkenntnis zu kommen, dass sein Kind nicht mehr jedes seiner Worte für unanfechtbar hält, sein Wissen begierig aufsaugt und sich freudig und angesport von ihm leiten und lenken lassen möchte.
Scheinbar mit einem Schlag ist diese schöne Zeit vergangen und die junge Frau an Ihrer Seite orientiert sich plötzlich an anderen Vorbildern, bildet sich eine Meinung unabhängig von der Ihren, möchte sich damit Gehör verschaffen, streitet mit Ihnen, argumentiert gegen Sie und zieht Ihre Kompetenz und Ihre Erfahrung in Zweifel.
Doch alles, was sie wirklich will, ist immernoch, dass der Vater sie anerkennt und stolz auf sie ist.
Also seien Sie stolz!
Seien Sie stolz darauf, dass aus Ihrem Kind ein vernünftiger, unabhängiger und gescheiter Menschen geworden ist und helfen Sie ihr dabei, indem Sie mit ihr wachsen, sich mit ihr gemeinsam weiterentwickeln, sie respektieren und ihr zuhören!
Ihre Tochter wird bald volljährig sein - zwei Jahre sind schnell vorbei! - und früh genug ihre eigenen Wege gehen, ihre Eltern nicht mehr so sehr brauchen und wesentlich weniger Zeit übrig haben, um sie mit Ihnen zu verbringen.
Wie möchten Sie diese Jahre gestalten?
Und wie wollen Sie Ihrer Tochter in Erinnerung bleiben?
Werden Sie nicht einer dieser Väter, die aus bornierter Sturheit oder der Furcht vor dem Eingeständnis der eigenen Wissenslücken die Bedürfnisse und Fähigkeiten ihrer Kinder ignorieren oder schlimmer noch, ihnen mit Desinteresse und Unaufmerksamkeit begegnen.
Wäre es Ihnen nicht auch lieber, ein Vater zu werden, den die eigene Tochter auch mit zwanzig noch stolz ihren Freunden präsentiert und ihn mit lobenden Attributen wie "cool" und "aufgeschlossen" schmückt?
Wollen Sie die restliche Jugendzeit Ihrer Tochter nicht auch lieber GEMEINSAM genießen, anstatt nur nebeneinander her zu leben?
Dann werden Sie ein Vater, der sich für seine Tochter interessiert!
Werden Sie einer von denen, die mit zum Einkaufen dürfen (was aus dem Blickwinkel einer Teenietochter eine sehr hohe Auszeichnung ist!), denen freiwillig die kleinen Sünden gebeichtet werden und der beim Liebeskummer die erste Adresse für Trost und Ratschläge ist!
Werden Sie aufmerksam, hören Sie Ihrer Tochter zu, beachten Sie sie!
Denn sie hat Ihnen so viel zu sagen, so viel zu zeigen und so viel beizubringen!
Haben Sie den Schneid, dazu zu stehen, dass auch Sie nicht vollkommen sind und seien Sie "Manns genug", auch mal von Ihrer Tochter lernen zu können!
Oder, wie es mein Mann ausdrücken würde:
"Herzlich willkommen in Level 2!"
Sollten Sie bis hierhin gelesen haben - was ich für Ihre Tochter sehr hoffe - mag es Sie vermutlich verwundern, dass ich, obgleich Mitglied eines HUNDEforums, bislang Ihren Hund Josie in meinem Brief nahezu unerwähnt ließ.
Dazu möchte ich bemerken, dass ich zu diesem Punkt gar keine weiteren Ratschläge habe, als jene, die Ihnen Ihre Tochter ebensogut geben könnte und in der Vergangenheit bereits zu erläutern versucht hat.
Also lassen Sie sie gewähren und sich selbst von Ihr führen, denn ihre Ansichten sind richtig und vernünftig und führen zum Erfolg!
Lachen Sie sie nicht aus oder ignorieren Sie ihre mehr als berechtigten Einwände, was Ihr Verhalten gegenüber dem Hund angeht.
Ihre Tochter strengt sich sehr an, Josie vernünftig zu erziehen und hat es nicht verdient, dass man ihr so vehement entgegenarbeitet.
Sie ist selbst sehr bemüht, ihre eigenen Wissenslücken auf diesem Gebiet zu schließen und sich beständig fortzubilden - schließlich hat sie sich nicht umsonst einem Hundeforum angeschlossen.
Die Bemühungen Ihrer Tochter sollten doch auch für Sie ein Vorbild und Ansporn sein, den Hund so gut wie möglich zu erziehen und zu halten, auch wenn dies bedeuten sollte, sich von einer Sechzehnjährigen etwas abzuschauen, oder?
Nach meiner langjährigen Erfahrung mit Hunden kann ich Ihnen auch sagen, dass Sie sich selbst keinen Gefallen tun, wenn Sie in den von Ihrer Tochter aufgeführten Situationen (wie z.B. das Nachjagen mit dem Staubsauger oder die Vernachlässigung der Aufsicht, wenn sich der Hund im Garten aufhält) weiterhin so handeln, wie bisher.
Warum das so ist, erklärt Ihnen Samy bestimmt gern!
Mit freundlichen Grüßen,
Subleyras.