Ich nehme an, dir sind die vier Quadranten der Lerntheorie bekannt und im Training mit Niedrigstrom wird eben das Prinzip der negativen Verstärkung verwendet. Die Methodik wird seit mehreren Jahren von amerikanischen Gundogtrainern angewandt (die übrigens auch mittlerweile so ziemlich alle clickern)
Der Hund erlernt beispielsweise den Rückruf über positive Verstärkung, zahlreichen Wiederholungen und schrittweiser Generalisierung, bis dieser in 99 Prozent aller möglichen Situationen funktioniert aber beispielsweise beim Hetzen bzw. Anhetzen von Tieren eben nicht.
Um einen effektiven Lerneffekt zu erzielen, wird unter mittlerer Ablenkung (unter starker Ablenkung müsste man sehr hohe Intensitäten mit sämtlichen Nebenwirkungen anwenden) das Zeitfenster zwischen dem Signal und der Umsetzung (richtiger Begriff für latency?) stark verknappt, sodass der Hund zwangsläufig scheitert.
Die Geräte für diese Trainingsart starten in einer fast nicht wahrnehmbaren Intensität und steigen dann stufenlos an (stufenweises Erhöhen der Intensität würde sensible Hunde erschrecken). In dem Moment, in welchem der Hund auf das Kribbeln reagiert und kurz inne hält, stoppt man die Einwirkung, clickt und belohnt. In den folgenden Trainingsschritten lernt der Hund, das Kribbeln durch Befolgung des Signals abzustellen.
Später dient das Kribbeln zum Durchbrechen des Störfilters, der im Hundehirn die „störenden“ Reize (leider teils akustischer Natur wie unser Pfeifen und Rufen) herausfiltert, und ermöglicht ihm, überhaupt erst wieder unsere Signale wahrzunehmen und darauf zu reagieren.
Im Gegensatz zum Training über Bestrafung entscheidet allein der Hund über die notwendige Intensität und es kommt durch die Anwendung von negativer Bestrafung nicht zu einer Gewöhnung, sondern das Signal wird durch den Belohnungseffekt, der entsteht, wenn der Hund das Kribbeln erfolgreich abstellen kann, immer schneller und zuverlässiger umgesetzt und das Signal wird nicht vergiftet (was bei einem Training mit positiver Strafe der Fall wäre). Der Belohnungseffekt wird durch zusätzliches Markieren mit dem Clicker und Belohnen des gewünschten Verhaltens noch verstärkt.
Wichtig ist, dass das gewünschte Verhalten vorher sehr gut trainiert wurde, der Hund sich nicht erschreckt (er soll das Kribbeln nur als Störfilter, nicht als Schmerz wahrnehmen) und dass man sehr kontrolliert ist.
Da es diese Trainingsmethode gibt, sehe ich keinen Grund, Lotto mit dem Hund über die richtige Strafintensität bei einem Bestrafungstraining zu spielen. Wie viele Hunde muss ich denn trainiert haben, um für jeden einzelnen Hund genau die richtige Impulsstärke im Vorhinein zu ermitteln? 100? 200? 300? Was ist mit den Hunden, die als Lehrobjekte dabei auf der Strecke bleiben? Die haben dann Pech gehabt und müssen halt sehen, wie sie die restlichen Jahre ihres Lebens mit Angst verbringen? Außerdem muss man bei der Verwendung des ERGs im Sinne einer positiven Strafe bereit sein, dem Hund kurzfristig weh zu tun.
Das bin ich nicht, einerseits wegen den Nebenwirkungen, andererseits, weil es bessere Alternativen gibt.
Ein Training über Kribbelstrom würde, wenn das ERG erlaubt wäre, würde einigen zu ewiger Leinenhaft verdammten Hunden, sowie zahlreichen Jagdhunden, die mit Gerte, Oberländer und Co malträtiert werden zu besserer Lebensqualität verhelfen. Man darf gespannt sein, wie sich die rechtliche Situation entwickelt…