Beiträge von Ernalie

    Unsere erste Klinik Diagnostik. Sitzt der KJP vor mir sagt: "Ich bin nicht sicher ob Autismus passt" Ich: "Womit hats sonst zu tun, dass der Jung täglich auf Zehenspitzen, Händchen flatternd im Kreis rennt, besonders bei Stress?" KJP: "Vielleicht leben sie das ja so vor." Ich: "Neee, ich laufe nicht Zuhause so im Kreis. Und warum spielt er täglich Jahr aus, Jahr ein nur das gleiche?" KJP: "Ja, vielleicht unterstützen sie das zu stark und Fördern das dadurch?" Ich: "Ne, ich kann ihnen Garantieren spätestens nach 3 Monaten täglich das selbe, flippen sie aus. Ich hab alles versucht. Neues gekauft, vorgespielt, geschimpft, gelobt, gestraft, bestochen. Alles um nicht mehr täglich beim gleichen spiel dabei sitzen zu müssen! Keine Chance" KJP: "Aber hier hat er ja mal mit dem Spielzeug Supermarkt gespielt". Ich: "Der hat das Ding aufgeräumt und alles nach Größe und Farbe sortiert". KJP: "Dann sind sie Zuhause wahrscheinlich auch eher Ordentlich und er guckt sich das so ab". Ich: "Nee, sicher nicht. Ist Ordentlich bei uns, aber nicht wie im OP Saal." KJP: "Ja, dann sind se wahrscheinlich zu unordentlich und ihr Kind spiegelt sie Gegensätzlich" ... An dem Punkt wollt ich dem Kerl so langsam am liebsten mit dem nackten Arsch ins Gesicht hüpfen.

    Ja. So läuft das bei uns seit 5 Jahren im SPZ. Ich hab's jetzt endlich, mit einer Vorlaufzeit von 1,5 Jahren... Geschafft, einen Termin in einer ambulanten psychiatrischen Praxis zu bekommen. Weil sich alle geweigert haben, Kinder unter 6 Jahren zu diagnostizieren. 🙄

    hart ausgedrückt: für das Umfeld weniger störend.

    Ja. Genau das ist es.

    Es geht immer nur um das Umfeld. Wie das für die Kinder selbst ist, juckt keinen.

    "Diagnose? Brauchste doch nicht. Das Kind ist doch noch nicht in der Schule, das macht man erst, wenn sie da auffällig werden.."

    Achso. Ich brauche die also erst, wenn es um die Leistungsfähigkeit geht und darum, andere zu stören?

    Dass mein Kind stundenlange Meltdowns hat, aus denen sie auch mit Hilfe nicht mehr raus kommt und danach nicht mehr weiß, was passiert ist und die so anstrengend sind, dass sie danach schlafen konnte, ist egal?

    Dass sie deswegen gar keine Chance hat, eine Emotionsregulation zu erlernen, auch egal?

    Dass sie mega Schwierigkeiten hat, mit anderen Kindern zu interagieren und daher soziales Miteinander nicht erlernt. Auch egal.

    Dass sie nachts stundenlang wach ist und daher tagsüber total übermüdet. Auch egal.

    Dagegen sind mir ihr zwanghaftes Diskutieren bis zum Erbrechen, das aus Prinzip gegen alles sein, egal. Dass sie nicht eine Sekunde still sitzen kann. Mir wurscht. Ich will sie nicht "ruhigstellen", ich möchte ihr helfen, mit sich selbst und der Welt klarzukommen.

    Wir standen jetzt, nach dem Umzug, 5 Monate lang auf der Warteliste für Ergotherapie. Im alten Wohnort konnte sie nicht mehr hin gehen. Das Versprechen war, dass sie im Februar anfangen kann. Nun wurden wir angerufen und uns wurde gesagt, dass sie leider doch keinen Platz bekommt. Erst im September. Sie ist ja noch jung und kommt gar nicht dieses Jahr zur Schule. Ich bin am Telefon in Tränen ausgebrochen. Warum verspricht man uns erst einen Platz? Jetzt was anderes finden ist beim begrenzten Angebot hier im Umkreis natürlich unmöglich. Zumal die Termine ja auch immer so sinnvoll in der Woche vormittags sind. Da ist der Radius auch begrenzt.

    Was die Medikation angeht: ich glaube, wenn man selbst nicht betroffen ist, hat man keine Vorstellung davon, was "nur" ADHS bedeutet. Man stellt sich halt den Zappelphilipp vor, der ruhig gestellt wird, weil die Eltern und Lehrer es nicht aushalten. Was aber zu ADHS noch alles dazu gehört, wissen und verstehen nicht viele. Meiner Erfahrung nach selbst Fachleute nicht immer. Ich selbst habe ADHS und nehme Medikamente und ich bin absolut 0 ruhiggestellt. Kann aber endlich Mal einen Gedanken zuende denken und bin nicht mehr ab 16 Uhr komplett platt, weil ich über den Tag alle Reize gleichzeitig verarbeiten muss, weil alles ungefiltert rein prescht. Kann wieder mehr als eine halbe Seite im Buch am Stück lesen. Also eigentlich bin ich das Gegenteil von ruhiggestellt. Mehr "da" war ich noch nie.

    In den Wald gehen, Sport machen, etc sind natürlich dennoch hilfreich. Aber das oben Beschriebene würde mir das definitiv nicht ermöglichen 😄

    DatMudi

    Danke für deine Worte. Das hört man tatsächlich eher selten. Am häufigsten ist es doch ein Hinweis darauf, warum man denn seinem Kind unbedingt so einen "Stempel" aufdrücken will.

    Ich sage dann immer: ganz einfach deswegen, weil der Schlüssel zu bedarfsgerechter Therapie über eine Diagnose funktioniert. Und weil ich meinem Kind möglichst viele Negativereignisse innerhalb dieser wirklich wichtigen Entwicklungsphase und auch später ersparen möchte. Und ihr möglichst viele Skills an die Hand geben möchte, um sich in der Gesellschaft zurecht finden zu können und sie nicht ins offene Messer laufen zu lassen.

    Und was soll das eigentlich für ein Stempel sein? Man muss doch nicht durch die Gegend laufen mit einem Shirt auf dem "Ich bin Autistin" steht. Aber es erklärt doch einfach sooo vieles und man steht nicht ein Leben lang vor der Frage, warum zur Hölle man so anders ist als die anderen und erstmal verschiedene Komorbiditäten entwickeln, an denen dann jahrelang rumgedoktort wird ohne jemals die Ursache zu finden.

    Das erlebe ich leider im Arbeitsalltag sehr häufig und das möchte ich meinem Kind gern ersparen. Und ich glaube, dass das definitiv besser gelingen kann, je früher man anfängt, bedarfsgerecht zu fördern.

    Uns wurde sehr früh im Prozess mitgeteilt, dass wir einen Pflegegrad beantragen sollen. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem das Kind zu sehr von gleichaltrigen Kindern abwich. Er war dann gerade 4, als wir Pflegegrad 2 zugesprochen bekommen haben. Davor waren die Differenzen noch nicht so groß, als dass es "viel gebracht" hätte.

    Bereits ohne Diagnose hat O. einen Integrationsplatz mit 3 im Kindergarten bekommen. Unsere Einrichtung ist toll und sehr bemüht. Ein Abstecher in den Sprachheilkindergarten (SHK) war für unser Kind leider gar nicht das richtige. Er ist wirklich am liebsten im jetzigen (alten) Kindergarten. Die Zusammenarbeit mit dem Sozial- und Gesundheitsamt war angenehm und auch flott. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, wir würden nicht ernst genommen werden. Nach dem SHK konnte auch sehr schnell eine höhere Bedarfsstufe hinsichtlich der Integration erreicht werden, sodass er wieder in seinen alten KiGa konnte. Die humangenetische Untersuchung wurde uns sehr früh durch unsere KJP empfohlen, wir wollten nur vorher organische Ursachen ausschließen. Neben der Hörschädigung liegt nun auch etwas genetisches vor (Termin ist am Montag), sodass wir dann eine "richtige" Diagnose haben. Die letzten 3 Jahren lief die Förderung unter "umschriebene Entwicklungsstörung".

    Weder unsere Ärzte, noch die Einrichtungen oder die Ämter (das Schulamt ist auch bereits involviert, da die Bedarfsstufe zur Einzelintegration auch über sie läuft (gleiche Basis wie Schulbegleiter)) haben uns Steine in den Weg gelegt. Auch die Krankenkasse macht bisher keine Probleme. Pflegeberatung und Pflegekasse auch keinerlei Probleme vorhanden.

    Bei uns "klappt es" und ich bin derzeit positiv gestimmt, dass es auch nächstes Jahr mit dem Schulbeginn "klappen wird".

    Schön, dass es auch anders laufen kann. Freut mich, unter all den katastrophalen Geschichten, die ich so höre, auch Mal eine "Erfolgsgeschichte" zu hören.

    Hier musste ich tatsächlich 5 Jahre lang für die Durchführung irgendeiner Diagnostik kämpfen, obwohl die Auffälligkeiten quasi von Geburt an bestanden.


    Meine Tochter hat übrigens erst seit drei Monaten einen Pflegegrad. Obwohl wir seit Jahren ins SPZ gehen. Das hat uns einfach niemand gesagt. Ich habe es erst durch andere Eltern in der Selbsthilfegruppe erfahren. Was ist das bitte für ein System?

    Das ging uns genauso. Wir haben erst durch Zufall vom Newsletter einer Selbsthilfe Gruppe erfahren dass man auch als Autist einen PG und einen GdB bekommen kann. Da hatten wir die Diagnose schon über ein Jahr aber niemand hat uns daraufhin gewiesen.

    Ist schon traurig dass man nicht mal von Ärzten oder Therapeuten darüber aufgeklärt wird

    Der Witz daran ist, dass man für einen Pflegegrad nicht Mal eine Diagnose braucht. Der Pflegegrad ermittelt sich anhand von Kriterien, die festgelegt sind und per Gutachten ermittelt werden. Eine Diagnose braucht es dafür überhaupt nicht.

    Da rennt man jahrelang an genau die Stelle, die Experten dafür sein müssten und bettelt um Hilfe und Unterstützung und es sagt einem nicht Mal jemand, dass ein Pflegegrad, der ja unmittelbar und schnell für Entlastung sorgen könnte, möglich ist.

    Danke für gar nichts 🙄

    Und das ist es, was ich meinte mit der Hilflosigkeit von Familien mit nicht sichtbar behinderten Kindern. Dass jeder Kämpfe ausfechten muss ist mir klar und ist super traurig. Der Zugang zum Hilfesystem ist bei nicht-sichtbaren Behinderungen aber einfach deutlich steiniger.

    Und viele - damit bist du überhaupt nicht gemeint, das sage ich vorsichtshalber gleich dazu - verleugnen viele Jahre.

    Davon fühle ich mich auch überhaupt nicht angesprochen. Im Gegenteil, ich kämpfe ja seit Jahren dafür, dass mein Kind als das gesehen wird, was es ist und uns und ihr geholfen wird. Ich verstehe Eltern absolut nicht, die die Auffälligkeiten ihres Kindes vehement leugnen. Ich habe so jemanden auch im engen Familienkreis und das Kind tut mir einfach nur unfassbar leid.

    Ich bin inzwischen von Inklusion sehr desillusioniert. Inklusion braucht Bedingungen, die sie möglich machen. Kinder einfach im bestehende Systeme zu schieben und sich nicht auf sie einstellen zu können, ist einfach hochgradig unfair.

    Da gebe ich dir absolut recht.


    Ich nehme gerade wieder ein Kind mit ASS aus so einem tollen inklusiven System auf, das in einem offenen Angebot nachvollziehbarerweise total verloren ist und sich vermutlich unter unseren Bedingungen relativ schnell positiv entwickeln wird. Und wenn das die Zukunft sein soll, frage ich mich, wie lange es bis zum großen Knall dauert.

    Genau dieses Problem haben wir gerade mit unserer Tochter. Sie ist in einem Kindergarten mit offenem Konzept. Da ist wirklich komplett alles offen. Das fängt schon dabei an, dass sie sich morgens, wenn sie zur Kita kommt, entscheiden muss in welchem Raum sie geht. Das kann sie schlichtweg Weg nicht. Wir haben aber auch wenige Möglichkeiten, da ein ein Kitawechsel wiederum mit anderen Schwierigkeiten verbunden ist. So möchte ich z.b unbedingt, dass sie jetzt schon Kinder kennenlernt, mit denen sie später zur Schule geht. Alleine deswegen, weil sie die größten Probleme in der sozialen Interaktion mit anderen Kindern hat. Die nächste Kita mit Integrationsplätzen und nicht offenem Konzept ist derartig weit entfernt, dass da ganz sicher keine Kinder hingehen werden, die im Einzugsgebiet der Schule wohnen, wo sie hingehen wird.

    Meine Tochter hat übrigens erst seit drei Monaten einen Pflegegrad. Obwohl wir seit Jahren ins SPZ gehen. Das hat uns einfach niemand gesagt. Ich habe es erst durch andere Eltern in der Selbsthilfegruppe erfahren. Was ist das bitte für ein System?

    Ich möchte das hier gar nicht weiter diskutieren, denn ich habe bereits gesagt, dass es Kinder mit sichtbaren Behinderungen und deren Eltern sicher nicht leichter haben und ich auch niemals bezweifelt habe, dass diese auch kämpfe führen müssen.

    Ich glaube aber, dass sich niemand, der nicht persönlich betroffen ist, vorstellen kann, wie hoch das Maß an Verzweiflung ist, wenn einem jahrelang alle erklären wollen, dass das Kind ganz normal sei, oder man selbst Schuld und man ja nur da ändern müsse und dann läuft alles, weil man dem Kind eben nicht ansieht, dass das Kind eine Behinderung hat. Für mich war es an einem Punkt tatsächlich fraglich, ob ich das überlebe. Und obwohl ich das so deutlich wie es nur geht kommuniziert habe, gab es nicht den Hinweis, dass das Kind einen Pflegegrad bekommt und man alleine darüber Unterstützung bekommen kann. Oder eine Familienhebamme. Oder die frühen Hilfen. Oder medikamentöse Behandlung der Symptome der Krankheit/Störung (weil diese eben bestritten wurde). Oder Ergotherapie. Oder dass man überhaupt Eingliederungshilfe beantragen kann (weil es ja keine Behinderung gibt). Alleine bis zur Eingliederungshilfe zu kommen ist für Kinder mit nicht sichtbarer Behinderung häufig ein irre langer Weg.

    Man muss sich nur mal in eine Selbsthilfegruppe von Eltern mit Kindern mit Autismus und ADHS setzen und den Geschichten der Eltern zuhören. Sie sind immer gleich.

    Ich finde, das darf man auch ruhig Mal problematisieren ohne darauf hingewiesen zu werden, dass es alle schwer haben. Ja. Haben sie. Definitiv. Und ich würde mir für viele, oder eigentlich alle Gruppen jedweder Art, leichtere Wege zu Hilfe und Unterstützung wünschen. Wenn ich mich da anders ausgedrückt habe, tut es mir leid. Das war nicht meine Intention.

    Aus meiner persönlichen Sicht ist es mir jetzt aber ein Anliegen, darüber zu sprechen und zu problematisieren, was es bedeutet, ein nicht sichtbar behindertes Kind zu haben.

    Shalea

    Ich habe nicht gesagt, dass sichtbar behinderte Kinder und deren Eltern es einfacher haben. Ich habe gesagt, dass ich das Gefühl habe, dass nicht sichtbar behinderte Kinder und deren Eltern weniger Hilfe bekommen. Was schlicht damit zusammenhängt, dass man erstmal dafür kämpfen muss, dass die Behinderung überhaupt als Solche anerkannt wird. Oder gar überhaupt ERkannt. Was bei einem sichtbar behinderten Kind niemand in Frage stellen wird und demnach das Hilfesystem (zum Glück!!) direkt greift und man nicht erstmal viele Jahre lang zu hören bekommt, dass man selbst (oder wahlweise die Medien) Schuld wäre, dass das Kind ist wie es ist.

    Ich maße mir sicher nicht an zu sagen, dass es irgendjemand leichter hat als jemand anderes. Und ich würde mir eine heile Welt für ALLE wünschen. Mit Missgunst hatte meine Aussage nichts zu tun.

    Wenn ich das so lese, was ihr durch macht mit euren besonderen Kindern, kriege ich wirklich Wut. Wut darauf, wie Kinder einfach massiv in diesem Land im Stich gelassen werden. Wirklich. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

    😡

    Ja. Absolut nachvollziehbar. Ich bin auch wütend. Und ich habe das Gefühl, je weniger äußerlich sichtbar die Behinderung des Kindes ist, desto weniger Hilfe bekommt man.

    Ich kämpfe seit 4,5 Jahren gegen Windmühlen. Kräfte pflegender Eltern sind auch endlich. 4,5 Jahre lang wurde uns erzählt, dass wir ja nur dies und das anders machen müssten und dann läuft das schon alles. Wenn einem dann auch noch erzählt wird, dass man ja selbst schuld daran ist, dass das Kind so ist, wie es ist. Ich habe Hilfe gesucht seit das Kind ein halbes Jahr alt war und keine bekommen. Obwohl es sie gegeben hätte. Ich habe in einer Phase der absoluten Verzweiflung zur Arzthelferin der Kinderarztpraxis gesagt, dass ich nicht weiß, ob ich bis zum nächsten Termin überlebe. Und sie hat mich einfach weggeschickt mit den Worten: "wir können nichts für Sie tun". Ein dickes Danke an sonstwen, dass ich insgesamt ein stabiler Mensch bin. Jemand anderes hätte es vielleicht wirklich nicht überlebt.

    Es dauert so unfassbar lange alles, obwohl die Ursache schon seit Jahren offensichtlich ist. Wir haben JETZT endlich fachlich guten ärztlichen Beistand, der uns erstmals ernst nimmt. Und dennoch ist es dermaßen frustrierend, dass ich genau weiß, dass auch jetzt nicht die Hilfe da sein wird, die gebraucht wird sondern es sich noch Jahre hinziehen wird. Und so lange darf das Kind Negativerfahrungen sammeln und sich weiter in seine Einschränkungen rein arbeiten. Es ist eine Abwärtsspirale, die nicht aufgehalten wird.

    Dieses System ist so f*cking kaputt, es ist unsagbar. Und es interessiert einen feuchten Kehricht. Und in der aktuellen politischen Lage wird es nur noch schlimmer in den kommenden Jahren. Geht wählen, Leute! 🙏