Gerade wenn man zu einem Thema nicht einer Meinung ist, kann jeder Post eine Freundschaft zusätzlich belasten, obwohl man eigentlich gerade keinen direkten Kontakt - und keinen Zwang zum direkten Dialog - hat.
Also im Umkehrschluss wünscht du dir mehr Geheimnisse und Lügen. Nach dem Motto: Was ich nicht weiß, interessiert mich 'nen Scheiß.
Nur weil man es früher nicht mitgekriegt hat, waren Beziehungen, da zähle ich Freundschaften dazu, früher doch nicht echter. Im Gegenteil.
Nein, ich wünsche mir nur die Zeit zurück, in der es seltenere Anlässe gab, eine Freundschaft zu hinterfragen. Wenn man einen Freund und den dazugehörigen Bekanntenkreis länger nicht gesehen hat, hatte man einfach Abstand. Und irgendwann gab es dann einen Kontakt. In dem Beispiel hier ("Freundin kauft Qualzucht, obwohl ich ihr die Probleme damit geschildert habe") hätte die Betroffene dann neue Erfahrungen gemacht, Erkenntnisse und vielleicht sogar Einsichten gewinnen können. Im besten Fall hat man sich dann direkt darüber ausgetauscht. Und wenn es Erzählungen Dritter sind, kann der Austausch mit dem/r Dritten bei der Reflektion helfen. Oder man kann sich einreden, dass der/die Dritte vielleicht etwas überspitzt, missverstanden hat etc.
Durch Social Media wird man nun aber jeden Tag immer wieder ganz direkt darauf gestoßen, dass die Freundin diese Entscheidung - trotz gegenteiligem Appell - getroffen hat. Die Bilder auf Insta und Co. lassen dann ziemlich viel Interpretationsspielraum, oder auch Raum für eigene Gedanken, lösen immer wieder Emotionen aus, schaukeln einen hoch, es festigt sich ein Bild...und das alles eben ohne Dialog.
Es ist einfach schwierig. Ich hab einen sehr kleinen Freundeskreis und schon auch Grundsätze in meinem Leben, die - wie Shalea sagte - schwer auf meine Mitmenschen zu übertragen sind. Es gibt Menschen, die ich mag, die nicht links sind, nicht vegan leben, nicht versuchen, möglichst wenig Schaden anzurichten, blablabla - voll okay. Aber in meinem engen Kreis ist mir schon wichtig, dass da die Richtung stimmt, weil ich Konflikte auch schlecht aushalten kann.
Ich bin garantiert niemand, der zu jemandem sagt ‚ich hab’s dir ja gesagt!‘ sondern ich bin dann ohne wenn und aber trotzdem da. Und ich finde nach wie vor, alle Menschen haben das Recht auf Unperfektheit und auch auf wissentlich gemachte Fehler mit der Hoffnung, dass es vielleicht irgendwie gut geht.
Aber ich kann mich der Sache gerade nicht erwehren, dass zu meinem Bild von ihr ja doch gehört hat, dass ich dachte, dass sie im Sinne von anderen Lebewesen auch mal zurückstecken kann, dass sie sich kritisch und offen informiert, dass es für sie um mehr geht als Bedürfniserfüllung.
Und jetzt ist einfach auch mein Bild von ihr irgendwie kaputt.
Das macht mich natürlich total traurig. Dieses ‚ich hab mich irgendwie in dir getäuscht‘-Gefühl.
Auch wenn es vielleicht nicht so klingt, kann ich das sehr gut nachfühlen (langjähriger, inzwischen ehemaliger, Freund, der politisch abgedriftet ist). Enttäuschung ist da noch eine sehr vorsichtige Formulierung. Bei mir war es eine Mischung aus Schock, Wut, Unverständnis und am Ende Trauer.
Dass sie mir davon nichts erzählt hat, sondern ich es über Insta mitbekomme, zeigt schon ein wenig, dass sie ahnt, dass das Gespräch mit mir darüber nicht einfach ‚oh wie süß, ich freue mich für dich!‘ verlaufen wäre. Ich glaube, ihr ist klar, dass das zwischen uns steht, muss es ja, sie kann das nicht nicht wissen. Sie würde mich sonst sicher angerufen haben und mich schon tausend mal nach Hundedingen gefragt haben.
Genau solche Gedanken meine ich: Social Media fördert, dass man sich ohne Dialog in seinem eigenen Kopf ein Bild zusammeninterpretiert oder -spekuliert.
Ich vermisse den Freund, den ich durch den Wandel in seiner politischen EInstellung verloren habe, wirklich sehr, hier ist aber leider nichts mehr zu retten. Ich bin mir nie sicher, ob ich ihm irgendwann auf der Strecke nicht hätte doch noch helfen können, wieder zurück in die "Zivilisation" zu finden.
Deine Freundin steht ja jetzt noch ganz am Anfang des Hundehalterdaseins. Die Anschaffung des Tiers hast du scheinbar nicht verhindern können. Aber du könntest - mit entsprechendem Abstand und wenn du die Tür nich koplett zuschlägst - Teil der weiteren Entwicklung, auch im Sinne des nun vorhandenen Tieres, sein.