Wobei ja auch bei einem Studium die Ausgangsfrage sein sollte „ich will (ungefähr) x arbeiten - was muss ich dafür studieren?“ und nicht „ich will x studieren - was kann ich damit arbeiten?“ finde ich.
Ähhhhhhh.
Also, dass das in vielerlei Hinsicht vorteilhaft wäre, da will ich dir nicht widersprechen, aber die Realität sieht anders aus - aus verschiedenen Gründen.
Erstens ist es oft gar nicht mal sooo ersichtlich, was man studieren muss/müsste, um einen bestimmten Job auszuüben.
Zweitens weiß man als junger Mensch oft gar nicht, was man eigentlich mit seinem Leben anfangen will. Wenn man sich da für ein Studienfach entscheiden kann, ist das oft schon eine Leistung.
Drittens, selbst wenn man weiß was man gerne machen/arbeiten möchte, heißt es nicht, dass man mit dieser Einschätzung richtig liegt. Vorstellung von einem Beruf und Realität unterscheiden sich oft; und wenn man das ahnt oder sich unsicher ist, will man vielleicht wenigstens etwas studieren, das man mag.
Viertens hängen Studium und späterer Beruf nicht immer 1 zu 1 zusammen.
Als ich mich für ein Studium entschieden habe, hatte ich schon mehrere "Ideen", was ich später damit machen will. Hat sich aber im Laufe des Studiums und/oder sehr schnell während entsprechender Tätigkeiten herausgestellt, dass die Realität doch weit brutaler ist, als man denkt. Ich habe den Trost, dass ich wenigstens mein Studienfach geliebt habe, auch wenn es mir beruflich jetzt wohl nicht mehr wirklich was bringt.
Heutzutage kann man sich ja zum Glück gut weiterbilden, manche studieren ja sogar mehrmals, Quereinstieg ist in vielen Branchen möglich oder sogar üblich, etc. etc.
Wenn man wenigstens etwas studiert, das man liebt, verbringt man zumindest diese soo wichtige Zeit mit etwas .... Gutem. Das Studium ist ja nicht nur dazu da, sich Wissen anzueignen. Es geht auch darum, sich selbst zu finden (nicht in einem "esoterischen" gutschiguuu-Sitzkreis-Sinne, sondern darum sich selbst, seine Stärken, Schwächen, Interessen, Fähigkeiten kennenzulernen) und sich fachlich, aber auch als Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Und diese "soft skills", die man weit besser entwickeln kann, wenn man sich nicht durch das Studium quälen muss, sondern mit Feuereifer dabei ist, sind mindestens genauso viel wert wie der Abschluss an sich, mMn zumindest.
Meine Einstellung ist vielleicht etwas naiv, ich weiß es nicht. Meine geliebten Die ganzen Geisteswissenschaften würde aber z.B. kaum jemand mehr studieren, wenn man sich primär am Jobmarkt orientieren würde/müsste.
Anderes Beispiel: eiiiig wollte ich beruflich etwas ganz anderes machen (das mir definitiv auch eher liegen würde). In der Oberstufe hatten wir dann die Wahl entweder ein Betriebspraktikum oder ein Schnupperstudium (2 Wochen, glaube ich?) zu machen. Joa, die Vorstellung 5 Jahre lang Laborarbeiten in Gruppen machen zu müssen fand ich dann dermaßen grauenerregend, dass ich das Bio-Studium gelassen habe. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich mich mit einem wunderbaren älteren Herren unterhalten, der genau den Job macht, den ich am liebsten machen würde, und ich habe ihm das erzählt und er meinte "Oh, ja, kein Wunder, wenn Sie an dieser Uni das Schnupperstudium gemacht haben. Wären sie an Uni x oder z gewesen, hätten Sie sich vielleicht anders entschieden." Ich:
Vor allem, weil ich sowieso nicht vorgehabt hatte, an der Schnupperstudiums-Uni zu studieren, aber ich dachte dann eben, das Studium sähe überall ähnlich aus.
Auch bei vielen Eltern ist es, meiner Erfahrung nach, verpönt, die Motivation für den Studiengang und die längerfristigen Ziele des Nachwuchses kritisch zu hinterfragen.
Echt? Vor 10-15 Jahren sah das noch anders aus, würde ich sagen. Oder es liegt am "Umfeld", vielleicht auch an der Gegend? Ich weiß es nicht.
Ist aber auch ein schwieriges Thema, finde ich.
Ich kannte es eher so, dass gar nicht so wenige Eltern ihren Kindern unbedingt bestimmte Studiengänge aufzwingen wollten, nicht nur meine. Und das geht idR auch schief. Entweder die Kinder studieren dann etwas, das sie absolut hassen, oder die Beziehung zu den Eltern wird angespannter (Pro-Tipp: bei jedem einzelnen Telefonat mit dem Kind nachzufragen, ob man "diesen Dreck wirklich immernoch studieren möchte", ist nicht förderlich).
Was förderlich ist, ist wenn man den Kindern grundsätzlich beibringt, langfristig zu denken und die eigenen Motivationen zu hinterfragen, aber sich in die Studien- und/oder Berufswahl einzumischen, geht wahrscheinlich öfter schief, als dass es etwas Positives bewirkt, zumindest meiner Meinung nach.