Hallo, liebe Vivien,
herzlich willkommen im Forum, voll gut, dass du hier gelandet bist! 
Lass dich nicht gleich wieder verjagen, wenn du hier erstmal sehr viele kritische Stimmen zu hören bekommst, die meisten Hundemenschen, die hier unterwegs sind, haben sehr viel Ahnung, sind unglaublich hilfsbereit und wollen nur das Beste für die Hunde, auch wenn es vielleicht stellenweise schwer zu lesen ist, weil man sich das eventuell anders vorgestellt hat... Ich kann sehr gut verstehen, dass du dich in die kleine Zypresse Hamlet verliebt hast, die Ohren bringen mich auch total zum Schmelzen!
Trotzdem bin ich auch, leider, erstmal etwas skeptisch, was euer Vorhaben betrifft.
Auch ich habe, als absolute Hundeanfängerin (frühere Familienhunde und meine langjährige Sitterhündin mal außen vor, weil ich das schwer vergleichbar finde) vor ca. 8 Monaten eine Junghündin aus dem Ausland, auch einen Direktimport, bei mir aufgenommen. Sie ist wirklich toll, mein absoluter Herzenshund und ich bin sehr dankbar, dass sie jetzt hier ist und auf vielen Ebenen auch gut zu mir passt (das hätte auch ganz anders laufen können). Trotzdem, das ganz große Aber, mit dem Wissen, dass ich heute habe, würde ich das so nicht nochmal machen!
Ich hatte rückblickend wirklich gar keine Ahnung, was auf mich zukommt. Null. Obwohl ich mich jahrelang theoretisch auf meinen ersten eigenen Hund vorbereitet habe und auch sehr viel Kontakt zu Tierschutzhunden hatte. Die ersten Wochen mit Suki habe ich nur geweint und dachte, dass ich das niemals schaffen kann. Sie war wie ein Alien, sie hat gar nicht verstanden, was ich eigentlich von ihr will und ich habe nicht verstanden, was sie eigentlich braucht. Heute sind wir an vielen Stellen schon echt ein gutes Team, sie war aber für einen Auslandshund aber zum meinem Glück auch relativ gut sozialisiert (sie ist auf jeden Fall bei Menschen geboren und aufgewachsen und sie hatte im Shelter sehr viel Menschenkontakt, entsprechend war ihr Interesse an mir sehr groß und die Kontaktaufnahme zu ihr eher einfach, ein u.U. wild geborener Welpe wie Hamlet ist da vielleicht ganz anders). Trotzdem haben wir ein paar sehr, sehr große Baustellen und wir sind weit entfernt von happy-go-lucky.
Mir fallen deshalb in deinem Vorstellungstext mehrere Punkte auf, zu denen ich gerne etwas schreiben würde und hoffe, das ist okay!
Du schreibst eingangs, dass dein Wunsch nach einem "treuen Gefährten" in den letzten Monaten für dich Form angenommen hat. Diesen Wunsch kann ich sehr gut verstehen! Ich glaube aber, dass es sehr, sehr wichtig ist zu wissen, dass es sehr gut passieren kann, dass dieser sich mit Hamlet nicht erfüllt, bist du dir darüber bewusst? Hamlet ist ein junger Jagdhundmix ( "Hound" ist die Bezeichnung für Hunde, die mindestens Teile der Jagd eigenständig durchführen können müssen, was das heißt können die Jagdhundeexpert*innen hier bestimmt besser erklären) mit unbekannter Vergangenheit, niemand weiß, wie er die ersten Wochen seines Lebens verbracht hat, welche Reize er (nicht) kennengelernt hat, wer das Muttertier ist und welche Erfahrungen dieses vielleicht schon während der Trächtigkeit an ihre Welpen weitergegeben hat. Der Text auf der Vereinshomepage lässt erahnen, dass die beiden Welpen, als sie aufgefunden wurden in ziemlich schlechtem gesundheitlichen Zustand waren, der junge Hund kennt also Hunger und Durst und damit Todesangst. Das alles könnte dazu führen, dass du einen sehr unsicheren jungen Hund bekommst, der noch nicht viel kennengelernt hat und noch keine Strategien entwickeln konnte, mit Stress umzugehen und bei dem nicht klar ist, wie er darauf reagiert (das Thema Deprivation können auch wieder andere hier viel besser erklären). Ganz alltägliche Dinge in deinem Leben können damit zu einer riesigen Herausforderung werden, unter Umständen ist er schon völlig davon überfordert, plötzlich mit zwei Menschen in einem geschlossenen Raum leben zu müssen und vielleicht reagiert er mit Panik, vielleicht mit Aggression, ... Vielleicht wird aus ihm nie ein Hund, der dich einfach in deinem normalen Leben begleitet, sondern du musst dein Leben um seine Bedürfnisse herum planen. Glaubst du, dass du das kannst und möchtest?
Es klingt in deinem Text ein bisschen so, als sei den Freund (ihr wohnt zusammen, richtig?) nicht so richtig im Boot. Das ist grundsätzlich kein Weltuntergang, wenn es in erster Linie dein Hund werden soll, aber es macht die Sache nicht gerade einfacher und kann für euch beide auch viel zwischenmenschlichen Stress bedeuten ("Du wolltest den Hund...!"). Als Suki zu mir kam wohnte ich in einer WG, die sich im Vorfeld sehr deutlich positiv für den Hund ausgesprochen und mir Unterstützung zugesichert hat. Als sie dann da war und nicht den Vorstellungen vom Leben mit Hund entsprach sah die Sache plötzlich ganz anders aus, was sowohl für mich eine zusätzliche Belastung als auch ein erschwertes Ankommen für meine Hündin bedeutete, denn Hunde haben sehr feine Antennen und spüren, ob sie willkommen und gern gesehen sind, oder nicht. Ohne übergriffig sein zu wollen, aber, meinst du, ihr beide habt das Thema ausreichend besprochen und seid an dem Punkt angekommen, wo ihr alle offenen Fragen geklärt und alle Zweifel ausgesprochen habt und euch mit gutem Gefühl gemeinsam entscheiden könnt?
Von Katzen habe ich zwar gar keine Ahnung, aber da ich gerade versuche, zwei Hunde miteinander zu vergesellschaften kann ich sehr klar sagen, dass es mich am Anfang gnadenlos überfordert hätte, hätte ich auch noch ein weiteres Tier mit Suki zusammenbringen müssen (tut es stellenweise auch jetzt noch, obwohl ich Suki inzwischen schon ganz gut kenne und lesen kann). Wahrscheinlich hatte Hamlet in seinem jungen Leben noch nie Katzenkontakt, wie sieht es mit eurem Kater aus? Kannst du abschätzen, wie er reagieren wird? Weißt du, was du tun kannst, wenn die Zusammenführung nicht gut verläuft und habt ihr im Notfall die Möglichkeit, Hund und Katze dauerhaft zu trennen, sollten die sich spinnefeind sein?
Ich finde es sehr schön, dass deine Chefin deinen Hundeplänen gegenüber so positiv eingestellt ist, das ist mega viel wert! Bei mir hat es sehr lange gedauert, eine Arbeit zu finden, die mit Suki vereinbar ist, deshalb ist das schon mal grundsätzlich eine echt tolle Voraussetzung für einen Hund, aber auch für diesen? Ab wann planst du denn damit, den Hund mitzunehmen? Wie sieht euer Arbeitsweg aus? Wie sind die Gegebenheiten vor Ort im Büro, soll heißen, mit wie vielen Menschen, Gerüchen, anderen Eindrücken hätte der Hund dort zu tun? Bei uns scheitert das Mitnehmen meiner Hündin zur Arbeit beispielsweise daran, dass sie nicht Bahn fahren kann. Auto geht auch nicht, beides macht ihr riesige Angst. Ab und zu schafft sie das, meistens aber leider nicht und ich kann nicht sagen, wie lange es noch dauern wird, bis sie das kann und ob sie das jemals können wird. Hast du einen Plan B, sollte Hamlet aus irgendwelchen Gründen nicht mit dir zur Arbeit kommen können?
Mir würde noch mega viel einfallen, zur Orga und zu möglichen Alternativen zum Beispiel oder auch zum Thema Jagdtrieb (der erwacht bei meiner Hündin gerade), aber ich habe schon so viel geschrieben und es reicht wahrscheinlich erstmal. Ich will dir deinen Plan wirklich gar nicht madig machen (wer im Glashaus sitzt, und so...) und ich finde einen Tierschutzhund aufzunehmen eigentlich auch noch immer eine tolle Sache, aber ich hoffe, ich kann ein bisschen helfen, mögliche Schwierigkeiten sichtbar zu machen, weil ich bei mir selbst merke, wie wichtig das ist und wünschte, ich hätte mir schon früher Feedback zu meinen Plänen und Vorstellungen geholt.
Abschließend würde ich dir voll gerne noch einen Buchtipp da lassen, ich habe das gerade durch und es ist wirklich richtig toll für die Auseinandersetzung mit dem Thema Tierschutzhund, es heißt "Die zweite Chance - Hunde mit Vergangenheit" von Katharina von der Leyen und Inga Böhm-Reithmeier, das hätte ich richtig gerne schon gelesen, bevor Suki kam.
Ansonsten hoffe ich erstmal nur, dass du hier bleibst, weiter mitliest und eine gute Entscheidung für dich treffen kannst! Ich wünsche dir auf jeden Fall nur das Beste dafür!