Hunde sind keine natürlichen Wesen, und da werden auch nie wieder Wildtiere draus, ob nun ausgesetzt oder nicht. Hunde sind immer von Menschen erschaffene, durch und durch künstliche Wesen. Sie können in den meisten Fällen keine funktionalen Sozialgruppen mehr bilden, und keinerlei Art von "wildem" Leben mehr führen. Das meinte ich schon mal vor ein paar Seiten, dass viele anscheinend irgendeine Art Bild des "edlen Wilden in den Wäldern" in den Augen haben, wenn man von Straßenhunden spricht, die dann in deutsche Städte gebracht werden.
Diese Beschreibung stimmt so gar nicht mit den Ergebnissen der Verhaltensforschung überein. Meine Kenntnisse kommen vor allem aus dem Buch "Streuern-Hunde" von Kate Kitchenham mit Aufsätzen von Wissenschaftlern rund um die Welt.
"Straßen"Hund, die zwar mit und von Menschen leben, aber ihr Leben auch selbstständig gestalten, hat es immer gegeben. Vermutlich leben auch heute noch mehr Hunde so als als "Haushunde". Unsere Haltungsform, in der das gesamte Leben samt Fortpflanzung vollständig von Menschen kontrolliert wird, ist ganz und gar nicht die einzigen Haltungsform, schon gar nicht die ursprüngliche. (Meine Freunde in Tansania, die in einer sehr Hundefreundlichen Gesellschaft lebten, konnten den Sinn dieser Haltung gar nicht verstehen. Sie fanden, dass Hunde auch ein Recht auf ein Privatleben mit anderen Hunden haben. Wer bin ich, zu sagen, dass meine Vorstellung richtig und ihre falsch ist?)
Die Forschung zeigt: Hunde kommen als "Villagedogs" mal enger mal ferner vom Menschen sehr gut zurecht, sie können komplexe Sozialstrukturen ausbilden und sich dabei auch flexibel an die Lebensbedingungen anpassen. Ohne feste Sozialverbände leben sie nur in Gebieten, wo sie stark verfolgt werden. Zu einer Massenvermehrung kommt es nur, wenn ein Überangebot an Nahrung vorhanden ist - meist durch Müll. Wenn der reduziert wird, pendeln sich die Bestände wieder auf ein Maß ein, mit dem auch die Menschen gut leben können. Und ja, das ist ein Wildtierleben in dem ein großer Teil der Nachkommen nicht überlebt.
Und das ist mein Problem mit dem Thema: Wir gehen davon aus, dass unsere Hundehaltung, in der die Hunde auf Schritt und Tritt mit Menschen zusammen sind und von ihnen kontrolliert werden, die "richtige" ist - für alle Hunde, egal woher sie kommen.
Wenn es in einem Land ein Straßenhundproblem gibt, müssen es die Menschen vor Ort lösen. Sie müssen entscheiden, ob sie die wilde Population ganz ausrotten wollen (wie es unsere Vorfahren bei uns getan haben und wir letztlich auch) oder ob sie mit Hunden, die einen Teil ihrer Selbständigkeit bewahren, leben wollen. Und natürlich ist das kompliziert, weil nicht alle Menschen einer Meinung sind. Wenn die Population kleiner werden soll, helfen die Erkenntnisse der Populationsökologie mehr als politische Parolen.