Late to the party
aber ich schreibe trotzdem mal meine Gedanken auf.
Für mich hat Beziehung/Bindung nur sehr rudimentär mit Gehorsam zu tun. Man kann mMn eine großartige Bindung haben und einen Hund, der trotzdem macht, was er möchte. Und man kann eine furchtbare Beziehung haben und einen Hund, der "funktioniert", entweder weil unlautere Trainingsmethoden genutzt wurden, weil der Hund einfach so leichtführig ist oder auch weil der Hund einfach ein Wesen hat, welches mit den Regeln der Menschenwelt konform geht (zB Balu will ja eh fast nie zu anderen Hunden/Menschen hinrennen -> da brauche ich also weder Bindung noch Erziehung für. Er wirkt aber nach außen gut erzogen in solchen Momenten, weil sein Verhalten in die gesellschaftliche Norm passt).
Die Schnittstelle sehe ich nur dort, wo der Mensch bewusst versucht, Einfluss auf den Hund zu nehmen. Ich denke, bei einer guten Beziehung ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Hund die Meinung des Menschen relevant findet. Dabei muss man aber natürlich vom Wesen des Hundes ausgehen! Also wenn ich mir vorstelle, Kooperationswille ist auf einer Skala von 1 bis 10 angelegt. Dann gibt zB Hund A, der ist von alleine schon bei 8. Bei guter Beziehung tendiert er dann zu 9 oder 10. Hund B startet bei 2 und kommt mit guter Beziehung zu einer 5 oder 6. Im Ergebnis ist Hund B also noch immer auf einer niedrigeren Ebene der Kooperation als Hund A, die Verbesserung durch die Beziehung war aber sogar stärker. Die Hunde hatten nur so unterschiedliche Voraussetzungen, dass man sie nicht am Ergebnis vergleichen kann.
Ich finde es total schwierig und auch sehr schade, dass ich in letzter Zeit häufiger mitbekomme, das Probleme sehr schnell auf die Beziehung geschoben werden. Bei einem Trainer, der nach umfassender Anamnese zu dem Schluss kommt, ok. Aber sowas wird nach meiner Erfahrung auch sehr schnell von Leuten diagnostiziert, die Hund und Halter kaum kennen. Und darum mein Beispiel oben: Der Halter von Hund A kann theoretisch kaum eine Bindung haben und hat trotzdem noch einen Hund, der auf einer 8 der Skala ist. Kann also schnell den Eindruck haben, dass er es besser gemacht hat als der Halter von Hund B. Aber so einfach kann man das halt nicht bewerten, wenn man den Charakter und die Geschichte von Hund B gar nicht kennt.
Man könnte natürlich auch andere Beispiele nehmen. Zum Beispiel "Schutz suchen beim Menschen", das wird ja auch gerne als Indikator für Bindung gesehen. Auch da wird man aber Hunde haben, die bei 1 starten und andere, die bei 10 starten. Wenn man sowas als Indikator nutzen möchte, kann man höchstens die Verbesserung betrachten mMn. Und auch da muss man bedenken, dass das Verbesserungspotential je nach Charakter sehr unterschiedlich groß sein kann!