Alles anzeigenZuletzt gelesen: "Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert" von Caroline Criado-Perez
Ich würde dieses Buch gerne all jenen Menschen in die Hand drücken, die behaupten, wir seien schon im Zeitalter des Postfeminismus und der Geschlechtergleichstellung angekommen. Ebenso gerne all jenen, die die das Thema der Frauenrechte gleich mal runterspielen und dann vielleicht auch noch über angeblich unwichtige "Randphänomene", die in Wahrheit gut die Hälfte der Weltbevölkerung betreffen, ihre Stammtischparolen loslassen.
Ja, es tut mir leid - ich bin wütend. Das Buch ist eines, das wütend macht. Criado-Perez hat akribisch und sorgfältig recherchiert und das Ergebnis ist ein eindrückliches, flüssig zu lesendes Plädoyer für Veränderung.
Die Autorin, welche auch als Aktivistin tätig ist, zeigt auf, wie sehr Frauen immer noch in allen Lebensbereichen benachteiligt, nicht bedacht, ja mitunter einfach vergessen werden. Besonders tragisch ist das in der Medizin, wo es z.B. meistens schwerer fällt, für frauenspezifische Problematiken Forschungs- und Förderungsgelder zu erhalten, ein gutes Beispiel dafür ist die Endometriose, die zahlreiche Frauen weltweit betrifft und mit teils quälenden, täglichen Schmerzen verbunden ist - und die sich auf den gesamten Körper negativ auswirken und verheerende gesundheitliche Folgen haben kann. Frauen sollen sich nicht so anstellen und einfach Schmerzmittel einwerfen? Tja, leichter gesagt als getan, denn Criado-Perez hat sich auch mit dem Thema der Medikamente befasst und kann überzeugende Studienergebnisse für die traurige Tatsache liefern, dass Medikamente bei Frauen öfter als bei Männern unerwünschte Nebenwirkungen haben - oder schlicht nicht wirken, was unter Umständen lebensgefährlich sein kann. Eine Frau hat einen Herzinfarkt? Tja, da deren Symptome gerne mal als "atypisch" klassifiziert werden, ist ihr Risiko, mit unerkanntem Herzinfarkt heimgeschickt zu werden, deutlich höher als bei Männern - auf medizinische Versorgung warten mussten sie in dem Fall in der Ambulanz ohnehin schon länger als die Männer, wofür es ebenfalls handfeste Daten gibt.
Ob Entwicklungshilfe, die an den tatsächlichen Bedürfnissen und Lebensbedingungen der Frauen vorbeigeht, ob an männlichen Körpern ausgerichtete Crash-Test-Dummys für Autos, ob schlechtere Bezahlung und Abwertung der intellektuellen Kapazitäten, ob unbezahlte und oftmals zermürbende, psychisch und körperlich extrem belastende Care-Arbeit - Frauen sind nach wie vor in allen Lebensbereichen diejenigen, die es schwerer haben. Man kann dieses Buch eigentlich fast nur häppchenweise lesen, zu fassungslos machen die hier auf den Tisch gebrachten Fakten.
Klare Leseempfehlung meinerseits.
Witzig, von mir bekommt das Buch keine Leseempfehlung. Thema ist wichtig, keine Frage. Aber mir persönlich wurde einfach zu oft das "unpaid care work"-Argument (ich hab es auf Englisch gelesen) gezückt und umfangreich ausgeführt. Dagegen kamen die Beispiele etwas kurz. Allerdings hab ich mir das damals auch gekauft, nachdem ich einen "Werbe"-Artikel dazu gelesen habe und leider kam quasi alles spannende schon in diesem Artikel vor.
Mir persönlich hat "Das Patriachat der Dinge" deutlich besser gefallen und es geht in eine sehr ähnliche Richtung.