Ich dreh langsam durch. Alle Ängste wieder da?!

  • Hallo... ein paar von euch kennen ja unseren Leidensweg. Für die, die ihn nicht kennen:

    Alfons, Ridgeback-Mix, 2 Jahre, aus dem Tierheim. wohnt seit Ende März bei mir. Hatte vieeeeeele viele Ängste und Aggressionen.

    Wir hatten soweit alles im Griff. Besucher wurden zwar immer noch angeknurrt, dann doch mal wieder geduldet, und dann waren sie plötzlich wieder angsteinflößend, aber alles andere lief wie am Schnürchen. Keine Leinenpöbeleien mehr, wir konnten mit ihm in die Stadt gehen, ins Restaurant gehen, mit Kindern klappt, mit Menschen allgemein klappts (außer sie kommen eben zur Tür rein), es wurde gespielt, er konnte alleine bleiben, er durfte von fremden angefasst werden, Hunde konnten ihm auf der Nase rumtanzen....

    Also alles in allem... echt ein Goldschatz.
    Ich habe immer mehr Hundekontakte zugelassen, und bin auch mal mit Leuten gemeinsam spazieren gegangen.... Von Trainern wurde Alfons als "lieb" bezeichnet, auch im Umgang mit aufmüpfigen Hunden.
    Er hat seine Pöbeleien irgendwie nicht mehr nötig gehabt, er hat seine Karten geschickter ausgespielt, und hat statt großer Töne große Taten gemacht. Also war er derjenige, der die Hunde splittete, die Menschen "hütete" (also das Schlusslicht einsammelte) etc.
    Die unsichere, tosende Terrortöle entwickelte sich zu einem prächtigen, souveränen Kerlchen, mit Selbstbewusstsein, welches er sinnvoll einsetzte.

    Vorfall eins: Er hat mehrere Schnapper abbekommen, nix großartig schlimmes, aber eben "Risschen" und der Schock. Das ganze passierte, während er bei mir stand. Ich konnte ihm keinen Schutz bieten.

    Vorfall zwei: ein paar Tage später, der gleiche Hund, Riss am Auge, wieder als er bei mir stand. Als der andere Hund "loslegte" (das klingt so überspitzt, sorry) rannte Alfons also von mir weg. Wieder konnte ich ihm keinen Schutz bieten.

    Beide Vorfälle waren nicht "Zack, ne klare Ansage und dann ist gut", sondern der Trigger war -beim andern Hund- Aggression durch Ressourcenverteidigung, und hat dementsprechend Alfons auch weggehetzt, obwohl dieser fiepsend den Schwanz zwischen die Beine klemmte und erst bei mir, dann in der Flucht versuchte eine Lösung zu finden.

    Vorfall drei: Nennen wir sie mal liebevoll die Kacktöle.... ein Hund der mit uns und noch anderen spazieren ging, und so ziemlich alles anfuhr, was anzufahren geht (Da lag schon mein Fehler, ... ich hätte umkehren sollen).
    Mehrere Male habe ich Alfons zurück, zu mir, gepfiffen, er kam brav an, ich hab ihm zwischendurch mal ein Leckerli gegeben, ihn etwas belustigt und habe Abstand gehalten... Die beiden Hunde sind trotzdem des öfteren aneinander geraten, bis ich großen Abstand hielt, und Alfons lieber mal anleinte. Auch im angeleinten Zustand wurden wir von Monsieur Kacktöle noch angeknurrt. Alfons blieb bis dahin cool. Ich freute mich "Juchei...Ich+Leine=Schutz und Sicherheit".
    Später, Alfons abgeleint, er rennt sich die Beine aus, ist eben ein Läufer, wird von Kacktöle "gestoppt", er denkt alles andere als zweimal nach und wirft den andern um (Vorderzähne zwischen den Schulterblättern/Nackenbereich), Pfote auf Kacktöle aufgelegt.
    Nun sah das ganze allerdings sehr dramatisch aus, weshalb nicht nur ich, sondern auch jede der anderen 3 Personen natürlich große Angst hatten, da würde etwas passieren. Ich habs erst mit einem "Aus" probiert, was bei uns nicht Nein, sondern "Spucks aus" heisst. Naja.. hätte ich mir auch denken können. Funktioniert nicht.
    Zu dem Zeitpunkt der Erkenntnis schlugen allerdings schon Leinen und Füße auf Alfons ein, und der andere Hund (Herr K. Töle) wurde versucht wegzuziehen :???:
    Wie sich so eine Situation eben zuspitzt, hörte man meine Worte nicht mehr, man solle nicht an den Hunden ziehen, und erst recht nicht schlagen, das mache es nur schlimmer. Mittlerweile konnte ich kaum noch was sehen, und plötzlich fang Besitzerin von K.Töle an zu weinen. Ich dachte direkt an das schlimmste, denn ich würde plötzlich anfangen zu weinen, wenn ich Blut sehen würde. Da geriet ich auch in Panik, dachte Alfons würde jetzt tatsächlich beissen, oder an die Kehle gehen.... dank rettenden Worten der (einzig cool gebliebenen) Mitläuferin "An den Beinen hochziehen", wurde mein Hund an den Hintebeinen in die Luft gezogen.
    Die Kacktöle war innerhalb von einem Bruchteil aus dem Höllenmaul raus und hatte..... nur einen Kratzer! ein Löchlein um genau zu sein.

    Alfons hatte sich derweil eingekotet und blutete leicht am Kopf.

    Da stand ich nun. Trümmerteile von meiner Erziehung am einen Ende der Leine, Trümmerteile von meinem Vertrauen am anderen...

    Ich hatte mir geschworen, den Ereignissen nicht zu viel anzukreiden, und hatte deshalb nie hier drüber geschrieben...(Bewegte sich alles im Zeitraum Oktober-Dezember).
    Aber jetzt gehts nicht mehr... Alfons düst bei jeder Gelegenheit ab.... er traut mir nicht mehr, wenn ich sage "nee is ok"... und wenn er von einem anderen Hund angepöbelt wird, geht er nicht - wie vorher- einfach weg oder ignoriert es, sondern macht Radau.
    Würde es nur bei Radau bleiben, wäre es ja nicht schlimm... aber wie kann ich mir denn da sicher sein?
    Monsieur Kacktöle war ja angeblich ein verträgtlicher Hund, und sowas hört man immer wieder... nur anscheinend sozial total verkrüppelt.

    Jetzt sitz ich hier mit meinem Hund, dem ich ein dreiviertel Jahr beigebracht habe, "hör mal zu.. wenn du dir nicht sicher bist.. komm einfach zu mir, ich regel das dann" und just dieser Hund, der das schon fast verinnerlicht hatte (leider eben nur fast), läuft in der eigenen (!) Wohnung nur noch mit eingezogenem Schwanz herum, bellt Nachts wieder Menschen an, marschiert wie ein Soldat durch den Garten und ignoriert jedes "ey" von mir ("ey" = lass das, ich weiss du magst den/die/das nicht, aber das ist mein Brei, nicht deiner) und schlottert am ganzen Körper wenn man ihn anfässt.

    Klar gibts noch die guten Tage, an denen alles glatt läuft, aber dann erwischt er sich dabei, dass er sich zu sehr gehen lässt und verkrampft sich wieder.
    Letzt haben wir sogar mal ausser Haus geschlafen, bei einem -für Alfons- Fremden. Und er fands total ok.
    Er lässt sich nicht mehr gerne an den Ohren massieren und hat sich jetzt schon mehrmals, nur weil ich sein Kuschelkissen aufklopfen wollte auf den Rücken geworfen, die Beinchen angezogen, die Rute eingeklemmt und er fiepst schon, wenn ich ihn am Halsband (oder wenn er keines trägt auch mal am Fell) festhalte.
    Er hat eben gekrischen wie am Spieß, weil ich nochmal kurz die Gartentreppe runter gegangen bin, nachdem wir sie eigentlich schon hochgelaufen waren, um wieder reinzugehen. Früher lief er dann einfach kurz mit runter und dann wieder hoch. Jetzt stand er über den 4-5 Stufen, hat seine Beine so weit wie möglich auseinandergestemmt, sein Gewicht nach hinten verlagert, und schmatzend und gähnen die Treppe angewinselt.


    Es ist nicht so, dass ich dafür kein Verständnis, oder keine Geduld im allgemeinen habe, aber... wo ist denn mein alter Hund?

    Im Moment sehe ich ihn nur noch alle 3 Tage.... und ich hab echt Angst, dass das nicht wieder besser wird.

    Ich kann mein "Wissen" und mein Verhalten ihm gegenüber irgendwie nicht einfach zurückschrauben auf Null.. ich habe ja schon meine Ansprüche, weil ich Dinge mit ihm einfach anders gewohnt bin, und es wär ja auch Bullshit, ihn jetzt anders zu behandeln... aber alter Schwede... es kann doch nicht sein, dass ich mit ihm plötzlich nicht mehr die Treppe runterlaufen kann?
    Außerdem apportiert er nicht mehr, hat totale Angst davor, wenn ich ihm seinen Dummy anbiete, also hab ich das jetzt erst mal aufs Eis gelegt...
    Kabbeln und Balgen tut er sich noch gerne mit mir.... das ist das einzige was ich noch habe :/

  • Hallo,

    lass Dich mal :streichel:
    Ich weiss wie es Dir geht, denn es ist mir auch schon passiert, dass Filou sein Vertrauen in mich verloren hat.
    Auch ich konnte ihn auf einem Spaziergang nach der Kastration nicht vor 5 hernanstürmenden Hunden schützen. Einer hat ihn halt doch geschnappt.

    Er ist auch aus dem Tierschutz und hatte vor allen Hunden und auch Menschen Angst.
    Wir hatten das nach einem Jahr super im Griff und dann passierte das...

    Er fing wieder an Menschen anzubellen, egal wie weit weg sie waren, er war wieder unansprechbar und wurde leinenaggressiv.
    Menschen lässt er jetzt (5 Monate später) wieder völlig in Ruhe und ich kann auch wieder nach der Uhrzeit gefragt werden. :lol:

    Im Freilauf rennt er knurrend auf Hunde zu, macht aber nichts, sondern will nur spielen. Leider haben viele Angst und daher sind die Kontakte sehr beschränkt, oder besser gesagt, gar nicht vorhanden.
    Um Hundekontakte zu ermöglichen fahr ich auf die Freilauffläche.

    Ich war damals auch am Boden zerstört und kann Dir nur einen Tipp geben:
    Bleib ruhig, dräng Dich nicht auf und betüddel ihn nicht.
    Versuch Dich nicht zu sehr um ihn zu bemühen, denn das merkt er und es macht ihn noch unsicherer. Versuch "normal" zu bleiben und übe neue Sachen mit ihm. Sachen an denen er Spaß hat. Zeigt er Angst, oder weicht Dir aus, dann ignorier ihn einfach. Wende Dich ab und mach was anderes.

    Je normaler Du bist um so sicherer wird er wieder werden.

    Hundekontakte würde ich nur zu souveränen Hunden suchen. Sobald ein Hund komisch wird, verabschiede Dich und geh andere Wege. Geh auch mal neue Gassistrecken mit ihm, die er nicht kennt.

    Ich wünsch Dir alles Gute und hoffe, dass es bald überstanden ist.

    Ganz liebe Grüße

    Steffi

  • Danke Steffi :bussi:

    Schon ein komisches Gefühl... da hat man sich was aufgebaut mit allem Herzblut und so viel Einbuße... und dann.. rumms.... wird die Seifenblase zerstochen.

    Das Problem dabei ist, dass man den Frust ja irgendwie nicht so recht kompensieren kann.. und dann wird man knatschig und hat keinen Bock mehr auf garnix, und der Hund spürt es.. dann tuts einem Leid... man ist von einer auf die andere Sekunde komplett anders... und der Hund spürt es...
    Ich werde mich daran festklammern, dass es normal ist, mal ein tief zu haben, und mich auch an deine Ratschläge halten! Das mit der neuen Beschäftigung ist super! Ich überleg mir mal, was Alfons und ich gemeinsam machen könnten... Sport geht nicht so gut, wegen meiner Gelenke, und seit dem letzten Vorfall will ich seine Hüften nicht unbedingt belasten, Tricks lernen kann er ganz gut, aber ohne Vertrauen wird das nix, denn er fühlt sich schnell eingeengt, wenn er unsicher ist...

    Vielleicht einfach mal wieder da anfangen, wo ich damals merkte, dass er Kontakt zu mir aufnimmt: Die Hundespielstunde.
    Dort kann er mir nicht ausbüchsen, die meisten Hunde kennt man, und zwischendurch kann ich ihm zeigen, dass ich für ihn da bin.
    Auch mal spielerisch ranrufen etc.
    Und dann vllt mal Otto-Normalvebraucher Hundeschule?! Ein bisschen was gemeinsam erleben,...auch dein Vorschlag mit den neuen Routen ist super. Morgen entdecken wir nämlich eh schon ein neues Areal ganz in der Nähe, und ich hab noch ein paar Örtchen die ich mit ihm abklappern will.

    Vor allen Dingen brauche ich aber Geduld... und ich muss mir bewusst machen, dass man Vertrauen wieder aufbauen kann (wie in einer Beziehung eben), und daran nicht die Welt scheitert. Meinen Frust mir selbst gegenüber muss ich ja dann nicht an Alfons auslassen, der natürlicht nicht versteht, wieso ich denn verzweifelt vor ihm steh, nur weil er die Treppe nicht runter will. Da dann einfach wie früher: konsequent und liebevoll sein.
    Damit haben wir ja schließlich bis jetzt auch alles gepackt!

    Dankeschön nochmal!
    Ich hoffe dein Großer lässt weiterhin alle Leute nach der Uhrzeit fragen o.ä und behält sein Vertrauen in dich. Du hast es dir redlich verdient :)

  • Huhu,
    hab das hier grad zufällig entdeckt und kenne Euch schon aus ein paar anderen Threads von Dir, die ich manchmal still mit verfolgt habe.

    Gibts was Neues von Dir und Deinem schwarzen Diamanten? =)

    Zur Beschäftigung ist mir spontan noch Nasen- also Spurenarbeit eingefallen, da kann er sich nicht eingeengt fühlen und Sport ist es auch nicht..?

  • Entschuldigt ihr beiden, ich hatte den Thread in die Versenkung geraten lassen, und nicht mitbekommen, dass noch etwas geschrieben wurde.

    wir haben uns wieder aneinander gewöhnt. Alfons kommt mich morgens wieder stürmisch begrüßen inklusive Küsschen und rumspringen, sich wälzen, grunzen und mehr.

    Draussen hört er auch wieder besser... ich habe einfach mal meine Ansprüche etwas runtergeschraubt und gebe mich jetzt schon mit kleinen Besserungen zufrieden, das hilft schon enorm. Außerdem hat mein Freund mir für 3 Tage die Alfons-Arbeit abgenommen, und ich konnte mich mal sammeln =)

    staffy:
    Wenn es termintechnisch packt (was gerade etwas schwer ist), haben wir Freitag einen Termin bei mir in der Wohnung, da zeigt er sein Verhalten ja am deutlichsten.
    Er ist ja nicht immer so.. das ist so ein bisschen das Problem. Stichwort Vorführeffekt.
    Ich hoffe, die Trainerin nimmt mich trotzdem ernst, denn sie findet Alfons eigentlich total lieb, und versteht nie so recht, was ich mit meinen Horrorgeschichten denn bitte meine.

    Ausnahmsweise hoffe ich also inständig darauf, dass er sich von seiner schlechtesten Seite zeigt, damit sie mir den Auslöser zeigen kann.

    Ich werde berichten!

  • Hallo,

    schön, dass ihr euch wieder annähert.
    Berichte bitte unbedingt was bei eurem Training rausgekommen ist. Es interessiert bestimmt einige hier.

    Liebe Grüße und weiterhin viel Erfolg

    Steffi

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