Hund aggressiv + demütig? Zuviel Erziehungsversuche?

  • Hallo an alle Hundekundigen, hier noch mal eine Bitte um Hilfe!

    Wir haben unseren Hund vor 2 Wochen aus dem Tierheim geholt, seitdem haben wir einige Probleme mit ihm. Die genauere Geschichte steht ein paar Themen weiter unten unter "Neuer Tierheimhund verteidigt seinen Korb" (bitte lesen, ist für das Verständnis vermutlich wichtig). Meinen tiefempfundenen Dank an alle, die sich diese Liturgien durchlesen! Ich weiß langsam einfach nicht mehr weiter!

    Also, mir ist natürlich klar, daß 2 Wochen lang Erziehungsversuche bei einem Hund so gut wie gar nichts sind und daß man von einem 9 Jahre alten Hund auch nicht erwarten kann, sich so fix hier einzuleben. Ich habe nur langsam das Gefühl, alles in der Erziehungs falsch zu machen und würde mir deswegen gerne ein paar Ratschläge holen, bevor ich das hier völlig verbocke.

    Wie im weiter untenstehenden Thema beschrieben verteidigt er aggressivst seinen Korb, dies ist aber schon besser geworden. Wir nähern uns ab und zu mit gesenktem Blick, lassen ihn an unserer offenen Hand schnuppern, dann lässt er sich oft auch kraulen. Allerdings macht er dabei oft Beschwichtigungsgesten wie deutliches weggucken, Ohren flach anlegen und ist am ganzen Körper angespannt. Wenn es aber das nur wäre! Seit ca 1 Woche ziehen wir das ganze Spektrum an "netten" Dominanzgesten durch wie als letzter Futter bekommen, hinter uns durch die Tür gehen, die Familie begrüßt sich zuerst, er wird bei Annäherungsversuchen zwecks kraulen oft komplett ignoriert, dann später aber gerufen und ausgiebig gekrault.
    Seitdem ist er demütiger und verkrampfter als je zuvor, längst nicht mehr so fröhlich wie vorher. Er schleicht teilweise zur Begrüßung heran, mit gesenktem Kopf und ganz langsam, andererseits ist er aber auch aggressiver geworden, z.B. hat er heute meine Schwester angeknurrt, als sie ihn aus der Hand füttern wollte!!!! Außerdem hat er jedes mal Angst und verkrampft sich am ganzen Körper, wenn ich mich auf den Boden setze und ihn rufe, teilweise knurrt er dann auch (ohne Lefzen hochziehen). Pfoten angeben geht im Stehen bei ihm gar nicht.

    Weiter geht's: Meinen Vater knurrt er öfters (besonders abends) richtig aggressiv an, z.T. sogar wenn er nur an ihm vorbeigeht!! Richtig aggressiv mit hochgezogenen Lefzen und aggressivem anstarren!!

    Kann es sein, daß wir ihm mit unserem ganzen Dominanzverhalten momentan einfach überfordern??? Hab jetzt wieder etwas von wegen Streß und daraus resultierender Aggressivität gelesen. Ich weiß ehrlich nicht mehr weiter, die ganzen Beschwichtigungsgesten passen doch absolut nicht zu dieser wachsenden Aggressivität!


    Hilfe! Montag ist die Probezeit aus dem Tierheim zu Ende, wir werden anfragen, ob man sie evtl. verlängern kann. Falls das so weitergeht trauen sich meine Eltern nicht zu, sich alleine um den Hund zu kümmern, wenn das Semester wieder anfängt.

  • Hallo,

    ich würde die ganze Situation entkrampfen. Was helfen diese ganzen Vorgaben, wenn sie nicht gefühlt werden?
    Was der Hund braucht ist Lockerheit, Fröhlichkeit, aber auch Klarheit.
    Wie soll der Hund zurechtkommen, wenn ihr beschwichtigt, aber gleichzeitig Dominanz für euch verlangt? Mal Führung, mal nicht?
    ER ist heillos überfordert.
    Gebt ihm doch einfach mal etwas Ruhe. Zwei Wochen ist wirklich eine verdammt kurze Zeit für ein älteres Semester.
    Schenkt ihm Distanz, wenn er beschwichtigt. Verzichtet auf Beschwichtigung von euch, überlegt euch, was euch wichtig ist und setzt das durch (z.B. nicht in die Küche). Ansonsten lasst ihn einfach in Ruhe, gebt ihm Zeit zu beobachten und euch kennenzulernen. Vielleicht kann er euch mit euren vielen verkrampten aufgezwungen Gesten (Beschwichtigung) auch einfach nicht lesen. Es ist für ihn ein nicht stimmiges Bild. Er kann sich keine Reim darauf machen.
    Schenkt ihm einfach Distanz und Ruhe. Wenn er zum Schmusen kommt, freut euch darüber - ihr braucht ja nicht immer darauf einzugehen.
    Ihr seid durch die ganzen Vorgaben wahrscheinlich sehr verkrampft. Warum eigentlich? Bleibt locker, dann wird es auch der Hund.
    Es muss nicht alles 100% stimmen.

  • Wow, eine Menge Zeug.

    Ein Münsterländer ist es, richtig?

    Was wisst Ihr über die Vorgeschichte?

    Hat er zufällig in einem Zwinger gelebt?

    Ich hab da so ein Bauchgefühl - mehr nicht, weil ich dazu den Hund sehen müsste - und zwar vermute ich, dass er mit dem "Trubel" in Eurem Haus überfordert ist.

    Es gibt so Hunde - der Zeus von meiner Mutter ist auch so einer - bei denen ist irgendwann der Kopf voll. Die wollen sich an Regeln halten (schreibst Du ja auch), aber alles ist neu und zuviel und sie sind einfach überfordert.

    Der Hund von meiner Mutter schläft z.B. freiwillig im Keller! Da geht abends keiner mehr hin und er hat dort seine "Höhle". Dort wird er absolut in Ruhe gelassen. Und das braucht er auch. Auch tagsüber kann er sich dorthin zurückziehen und alle wissen, wenn er das tut, ist es ihm einfach zuviel.

    So ähnlich erscheint mir Euer Problem.

    Er ist neu - tausend neue Eindrücke - dann die vielen neuen Menschen, die alle an ihm "herumdoktoren". Und das nach der traumatischen Tierheimerfahrung. Vermutlich kommt er einfach nicht mehr mit vom Kopf her.

    Habt ihr die Möglichkeit ihm einen Ruheraum, in dem er auch zu 100% in Ruhe gelassen wird! , einzurichten?

    Dort sollte er immer reindürfen, aber auch regelmäßig (also z.B. jeden Tag für ca. 5 Stunden - immer die gleiche Zeit) zum Schlafen hingepackt werden.

    Lasst ihn ersteinmal ankommen und "belästigt" ihn nicht zuviel. Er muss ersteinmal vertrauen fassen und ihr wisst ja nicht, was alles vorher passiert ist.

    Viele Grüße
    Corinna

  • Unser Bobby kommt auch aus dem Tierheim, wir haben ihn seit Mai, wissen praktisch gar nichts über seine Vorgeschichte und reimen uns alles so zusammen durch Beobachtung und Erfahrung. In den ersten Wochen war er auch eher schüchtern und machte einen bedröppelten Eindruck, zweimal hat er uns auch angeknurrt, von "zwielichtigen Elementen" (aus seiner Sicht), die uns draußen begegnet sind, wollen wir gar nicht erst reden ;) !

    Inzwischen ist er ein fröhlicher, unbeschwerter Hund geworden, der sich zunehmend auf uns verlässt. Das haben wir mit "sanfter Konsequenz", aber auch mit Nachsicht erreicht. Es muss nicht alles nach Lehrbuch funktionieren *an eigene nase fass* :p

    Habt einfach Geduld mit dem neuen Familienmitglied, lasst ihn erstmal ankommen und seinen Platz bei Euch finden. Ich habe jetzt schon öfter gehört, dass es ungefähr ein halbes Jahr dauert, bis ein Tierheimhund, zumal ein erwachsener, sich eingelebt habt. Scheint zu stimmen.

    Liebe Grüße + viel Glück!

    Wauzihund

  • wie du selbst schon merkst und hier ja auch geschrieben wurde: ihr macht viel zu viel. Warum Erziehungsversuche? Warum Dominanzregeln? Wichtig ist wirklich nur zu wissen was ihr absolut nicht wollt. Das wird zwar konsequent aber ohne Körperkontakt durchgesetzt. Vor allen Dingen darf es nur das Allernötigste sein.

    Ansonsten muss er die Annäherung von sich aus starten. Dies bedeutet aber nicht das ihr jetzt nach seiner Pfeife tanzen sollt. Sondern ihr entscheidet dann wie weit ihr darauf eingeht.

    Allerdings bin ich mir nicht sicher ob es gut ist etwas durchzuziehen wenn seitens der Besitzer eindeutig Angst vorliegt.

    Gibt es vor Ort denn keine professionelle Hilfe? Allerdings eher um deinen Eltern den Rücken zu stärken und vor allen Dingen ohne das etwas mit irgendwelchen Maßnahmen überstürzt wird und das ganze eskaliert.

  • Wow, erst einmal vielen Dank für die tolle Resonanz hier im Forum und die vielen Antworten!

    Wir scheinen ihn wirklich übelst zu überfordern, wenn ich das hier so lese :-( All diese Erziehung sollte doch nur verhindern, daß er ab und zu so austickt... Unserer alter Hund ist irgendwie einfach nebenbei erzogen worden, er war aber auch wesentlich jünger.

    Ups, über die Vorgeschichte hab ich nicht wirklich viel geschrieben, sorry :-(

    Von der Vorgeschichte wissen wir wirklich nicht viel, er ist angeblich erst seit 3 Monaten im Tierheim. Sein Besitzer ist im Gefängnis und so ist der Hund dort gelandet, angeblich war der Besitzer zudem Alkoholiker. Er war aber dennoch laut verläßlichen Quellen (kenne den Amtstierarzt, der die Geschichte mitbekommen hat, persönlich) von Anfang an nicht vorsichtig oder hatte Angst vor Schlägen, sondern war freundlich und ist auch jetzt noch interessiert, verspielt und freundlich gegenüber anderen Hunden und Menschen.

    Das ganze Dominanzding haben wir erst begonnen, als er völlig ohne Grund (nach unseren Gesichtspunkten, wer weiß schon wie er das sieht) unseren Vater wirklich giftig angeknurrt hat, nicht nur warnend oder drohend sondern ala "zuck einmal und ich geh dir an die Kehle", ohne vorher auch nur zu beschwichtigen, unruhig auszusehen oder sonstig ein Unwohlsein mit der Situation auszustrahlen. Z.B.: Mein Vater geht in die Küche, guckt aus der Küchentür, dreht sich um und vor ihm steht ein röhrender Hund! Ich hab es selbst gesehen, er hat ihn vorher weder angeguckt, noch angesprochen, noch hat er sich ruckartig bewegt o.ä, der Hund ist ihm sogar aus dem Wohnzimmer heraus interessiert nachgelaufen. Also so etwas auch im Korb mehrmals passiert ist (da auch bei uns) haben wir erst mit der "organisierten" Erziehung angefangen.

    Den Hund lassen wir inzwischen im Korb völlig in Ruhe. Inzwischen hat er auch gemerkt, daß wir ihn dort nicht stören und das Knurren ist wirklich besser geworden. Allerdings erst nach ein paar unserer beschwichtigenden Annäherungversuche, da hat er wohl endlich kapiert, daß wir ihn im Korb nicht mit einer Kettensäge massakrieren wollen...

    Einen alleinigen Ruheraum können wir ihm leider nicht einrichten, ehrlich gesagt scheint er ihn auch nicht zu brauchen! Er weiß ja, daß wir ihn im Korb in Ruhe lassen, legt sich dort aber meist erst abends mal kurzzeitig hinein. Tagsüber liegt er um uns herum, zu unseren Füßen oder tapert durch die Gegend und folgt uns überall hin.

    Fall jetzt jemand denkt, wir hätten ihn mal geschlagen: Fehlanzeige! Einzige "Bestrafungen" nach Verfehlungen sind ein schlichtes "Nein!" oder nach Knurrattacken schlichtes Ignorieren.

    Von wegen Hundeschule etc: Die wird auch demnächst in Angriff genommen, allerdings muß er diese Woche erst einmal operiert werden, da er an einem Oberschenkel ein riesiges Lipom hat. Laut Tierheim wäre das nicht nötig, aber es stört ihn bei der Bewegung schon ein wenig und wir haben das Gefühl, daß es ihn beim Sitzen schmerzt. Nach der OP wird es mit Übungen erst einmal Essig sein, daher haben wir den Besuch der Hundeschule nach hinten verlegt... Wird aber sofort nach dem Abheilen in Anspruch genommen!

    Es beruhigt mich aber sehr, daß aus so vielen Hunden nach anfänglichen Schwierigkeiten doch noch ein toller Familienhund geworden ist. Ich hätte mit dem ganzen auch weniger Streß und würde mir mehr Zeit nehmen, aber wie gesagt gehört er eigentlich meinen Eltern und die sind da etwas überfordert. Naja, 2 Wochen bin ich ja zusätzlich noch da, danach winkt die Hundeschule!


    Tausend Dank an alle für die konstruktive Kritik und Aufmunterung!

  • das klingt jetzt wirklich nicht gut :???:
    Anfangs klang es so, als läge der Hund im Korb und würde jeden anknurren, der sich nähert.
    So wie du das jetzt beschreibst, wäre es auch mir zu riskant, den Hund mit dem Vater alleine zu lassen. Angst ist keine gute Basis für eine Dauerbeziehung.

  • Zitat

    Einen alleinigen Ruheraum können wir ihm leider nicht einrichten, ehrlich gesagt scheint er ihn auch nicht zu brauchen! Er weiß ja, daß wir ihn im Korb in Ruhe lassen, legt sich dort aber meist erst abends mal kurzzeitig hinein. Tagsüber liegt er um uns herum, zu unseren Füßen oder tapert durch die Gegend und folgt uns überall hin.

    Daran würde ich sofort arbeiten. Ein Hund, der den ganzen Tag auf seine Leute achtet (achten muss - weil er sich selbst warum auch immer dazu zwingt) kann nicht ruhen. Und ein Hund, der nicht ruht, ist ein unausgeglichener Hund. Also doch einen Ruheraum einrichten. Es sollte ein Raum sein, in dem tagsüber keiner reingeht und auch abends keiner ist.

    Einen Trainer rate ich Euch auch. Da ist mit Sicherheit viel in der Vergangenheit passiert, dass es aufzuarbeiten gilt.

    Viele Grüße
    Corinna

  • Hallo,

    ich würde euch auch einen Ruhe-Bereich dringend empfehlen, damit sich die Situation entspannen kann.

    So wie ich das sehe entsteht diese Aggression aus Unsicherheit und Angst.
    Vielleicht ist es auch möglich, dass der Hund mit 9 Jahren nicht mehr so gut sieht oder hört. Dann könnte die Situation in der Küchentür auch dadurch entstanden sein, dass er deinen Vater erst bemerkt hat, als er schon zu nahe drann war. Das war für ihn zu überraschend und wusste keine andere Lösung als zu knurren.

    Meine Senta war mishandelt worden bevor sie zu mir kam.
    Wir haben ein recht grosses Grundstück und haben ihr ein kleines Waldstück eingezäunt. Eine Ecke ging zum Hof hin, wo sie beobachten konnte wer so alles kommt und geht. Zusätzlich gibt es ne grosse Hütte darauf. Sie liebte diesen Auslauf, weil niemand ausser mir oder meinem Mann dort rein ging und wir gingen auch nur dorthin um sie zum spazieren abzuholen oder um sie ins Haus zu holen. Selbst wenn wir in Hof waren und hatten die Tür zum Auslauf geöffnet kam sie nur selten dort raus.

    Es wäre auch gut wenn sich euer Sorgenkind auf einen in eurer Familie einstellen könnte, dass nicht jeder an ihm rum doktert. Besser ist es wenn er erstmal nur eine Bezugperson hat. Als festen Punkt in seinem Leben.
    Das gibt Sicherheit.

    Er sollte euch auch nicht ständig hinterher rennen im Haus. Vermutlich kontrollier er, ob ihr noch alle da seid. Er muss lernen, dass ihr auch dann noch da seid, wenn er euch nicht ständig auf Schritt und tritt verfolgt.

    Daher wäre ein Ruhebereich wichtig. Vielleicht auch im Garten.

    Gruss, Alex.

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