Frustrationstoleranz und Impulskontrolle, Ideen gesucht.

  • Zitat von Querida

    Habe gerade wenig Zeit - falls erwünscht, schreibe ich dazu später mehr - einfach Bescheid geben!

    Unbedingt, sowas finde ich immer extrem hilfreich und spannend!

    Ich bin auch gespannt! :smile:

  • Ich gehe sowas breit gefächert an.

    Erst nach Freigabe fressen, aus dem Auto erst nach Aufforderung verlassen, nach dem Ableinen noch einen Moment stehen bleiben, bekannte Menschen erst nach Erlaubnis begrüßen - nicht immer, aber dann wenn ich es verlange.

    Außerdem ruhiges Sitzen und gucken bei aufregenden Situationen - Enten im Park, andere Hunde beim Training, Menschenansammlungen auf dem Wochenmarkt, bei Familienfeiern in der Ecke liegen und ruhig sein.

    Und dann gibt es noch gezielte Übungen wie Bällchen schmeißen und der Hund muss sitzen bleiben, sich auf dem halben Weg zum Ball hinlegen oder abrufen lassen.

    Liegen während diverse Spielis oder Futter über den Hund hinwegfliegen, während andere Hunde spielen oder zB im Training wenn ein anderer Hund am liegenden Hund vorbei abgerufen wird.


    Das alles geht von Welpentagen an ganz nebenbei im Alltag vonstatten, es gibt täglich so viele Situationen die Impulskontrolle verlangen, sodass ich das dem Hund nach und nach zumute und immer mehr erwarte.


    Wenn ich der Meinung bin der junge Hund kann diese Situation eigentlich aushalten und macht aber trotzdem Theater, dann gibt es situationsbezogen auch mal eine Korrektur.

  • Vorab:

    Ziel meiner Ausbildung ist es, Temperament und Trieb des Hundes in meinem Sinne lenken zu können – nicht, den Hund zu verbiegen und in seinem Wesen zu beschneiden.

    Ich persönlich möchte einen Hund, der bei hoher Triebveranlagung selbstsicher und belastbar ist. Diese Faktoren beinhalten zwar eine genetische Komponente – je nach Aufzucht und Ausbildung sind Selbstsicherheit und Belastbarkeit aber förderbar.

    Verbote und Deckeln ohne Spaß und Motivation in niedriger Trieblage führen langfristig zu einem gehemmten, stumpfen Hund. Und das möchte ich nicht.

    Ziel ist es daher nicht, einen temperamentvollen, reizoffenen Hund dahin zu bringen, teilnahmslos auf einer Decke zu liegen, während neben ihm die Post ab geht.

    Im Gegenteil, ich arbeite mit „Erwartungshaltung“ und „Hoffnung“ (die dürfen beideniemals sterben!) und will keine tote Schlaftablette, sondern einen aufmerksamen Hund, dessen Focus bei mir, statt im Außen liegt. Weil der Hund gelernt hat, dass er in vielen Situationen nur über Umwege / über mich / über Gehorsam ans Triebziel gelangt, nicht aber über Ausraster, Hinzerren, Hinrasen, Fiepen, Kläffen, Hampeln oder im Gegenzug Meiden. Ich arbeite also mit dem Trieb statt gegen ihn.

    Darüber hinaus ist es mir gerade bei sensiblen Hunden wichtig, dass sie Konflikte (in die sie bei Frustrationstoleranz- und Impulskontrollübungen zwangsläufig geraten) nicht durch Meideverhalten noch „Flucht nach vorn“ lösen, sondern aktive Arbeit. Statt den Hund bei diesen Übungen zu hemmen, möchte ich ihn also dahingehend aktivieren, dass er sich mir verstärkt anbietet und glaubt, dadurch die Bestätigung oder Konfliktlösung erreichen zu können.

    Aufbau einiger (beispielhafter) Übungen für den Junghund:

    Bei mir sind diese Übungen natürlich auf den (zukünftigen) Sport gemünzt, können so oder auch leicht abgewandelt aber auch für die Alltagserziehung eines Hundes angewandt werden, der Probleme mit Impulskontrolle und dem Aushalten von Frustration hat.

    Wichtig ist mir, dass der Hund lernt, über mich und den Gehorsam (häufig) ans Ziel zu kommen und nicht, dass ich eine Person bin, die permanent hemmt, einschränkt und verbietet. Es muss sich für den Hund lohnen, sich zurück zu nehmen oder UO anzubieten.

    0)    Neue Übungen beginne ich immer mit wenig Ablenkung, z.B. zuhause im Garten und steigere diese dann erst nach und nach. D.h., wenn es zuhause klappt, dann draußen ohne anwesende Ablenkung und erst viel später mit „Halligalli“ oder anderen Hunden drum herum. Es erfordert viel Arbeit, kleine Schritte und überlegtes Vorgehen, um nachher einen Hund mit toller Impulskontrolle zu erhalten. Immer nur verlangen, was der Hund zu diesem Zeitpunkt auch leisten kann.

    1)    Beherrscht der Hund das Futtertreiben, bei dem er gelernt hat, aktiv in die Hand zu treiben und lässt sich in Positionen bringen, fange ich an, die Hand kurz weg zu ziehen (und schleichend immer länger), wenn er sitzt oder Platz macht. Macht der Hund einen langen Hals oder versucht, vor zu rutschen, gebe ich mein „falsch-Signal“ (bei mir ein „e-e“) und lasse die Hand geschlossen, korrigiere den Hund ggf. wieder in die gewünschte Position. Sobald er die hält, geht meine Hand aktiv zum Hund und das Futter wird freigegeben.

    Das weite ich erstmal zeitmäßig aus, dass die Hand vor der Hundenase umher schweben kann – ohne, dass der Hund seine Position verlässt. Dann gehe ich weg, wie bei den Technischen Übungen und auch da gehe ich erst nur wenige Schritte mit Blick zum Hund und irgendwann dann beliebig weit mit Rücken zum Hund.

    Dazu habe ich jetzt auf die Schnelle folgendes Video gefunden, hier macht die Hand eine Art hin-u-her Bewegung zum Hund und er muss die Position halten, damit das Futter kommt:

    https://www.youtube.com/watch?v=k-DcClc6aKI

    Kann der Hund das, kommt Beute ins Spiel und der Hund lernt, es auszuhalten, wenn ich mich mit sichtbarem Spielzeug (in der Hand) entferne – erst wieder mit Bick zum Hund, dann mit Rücken zum Hund. Da kann ich dann variabel bestätigen, mal fliegt die Beute zum Hund, mal gehe ich zurück, mal löse ich auf.

    Kann der Hund auch das, binde ich ein „Zurück-Kommando“ ein (was der Hund natürlich vorher im Stand gelernt hat), also Platz-zurück oder Sitz-zurück. Der Hund soll dann in der Position einige cm zurück rutschen, von der Bestätigung weg und erhält sie für die Aktion weg vom Triebziel.

    Zwischendurch lockere ich den Hund übrigens immer mit „Party“ auf, er darf mich dann zur Bestätigung anspringen, mit mir rumkaspern oder spielen. Das soll alles Spaß machen.

    Auch für den Alltag lernt der Hund hier z.B.: Ohne Auflösekommando muss ich in Position bleiben (egal, ob auf einer Decke, auf dem Rasen oder sonstwo). „Platz“ ist bei uns allerdings immer „Sphimx-Stellung“, gemütlich irgendwie liegen aber dort bleiben ist bei uns „Legen“ (da darf der Hund dann auch die Liegeposition beliebig wechseln).

  • 2)    Mit Welpen und Junghunden spiele ich anfangs viel körpernah (also kein Wegwerfen und bringen lassen), lasse den Hund die Beute jagen, packen, zerren und fange hier auch schon an, eine „Kontrolle“ einzubauen. Ich sperre z.B. das Spielzeug mit der Hand oder halte den Hund am Geschirr davon weg und bringe ihm bei, auf Kommando los zu dürfen (bei mir „Pack“). Anfangs gebe ich mit „Pack“ einfach frei, später verlange ich dann Sitz, Platz, Verbellen oder Fuß/angucken vor dem Kommando.

    Das „Aus“ fange ich auch früh an, einzubauen. Wichtig: „Aus“ ist die Verheißung auf ein noch tolleres Spiel und niemals (!) ein Strafkommando (viele benutzen es ja wie „Pfui“ oder „Ruhig“ und damit ist das Kommando dann „verbrannt“). Ich zergle oder lasse das Spielzeug über den Boden flitzen, vor dem „Aus“ geht anfangs von mir aus der Zug raus und die Beute wird zur „toten Beute“, friert ein. Beim Kommando „Aus“ kann man anfangs ein identisches Spielzeug raus zaubern oder abwarten, bis der Hund (bei Welpen klappt das noch) von selbst los lässt – sofort wird die Beute wieder zum Leben erweckt und das Spiel geht toll weiter. Die meisten Hunde begreifen das schnell. Schrittweise arbeite ich nun daran, dass der Hund aktiv trennt, also sich nicht raus kaut oder einfach das Maul öffnet, sondern dabei den Kopf ein wenig rückwärts zieht.

    Hab mal gesucht, folgendes Video zeigt das Prinzip ganz gut:

    https://www.youtube.com/watch?v=PxeTudWHKFc

    Der Hund hat Spaß und lernt dabei ganz nebenbei, sich zu kontrollieren und zurück zu nehmen sowie aufzupassen, was verlangt wird.

    Erste Schritte, um im Trieb kontrollierbar zu werden.

    Jetzt könnte man noch (auch, wenn man keinen Schutzdienst machen will, kann es Sinn machen, dem Hund Bellen auf Kommando und Abstellen beizubringen) das Bellen mit ins „Spiel“ bringen. Wie man das Bellen aufbaut, habe ich ja an anderer Stelle bereits beschrieben. Wichtig ist mir hier, dass der Hund nicht die Beute anbellt, sondern mir ins Gesicht, während die Beute sichtbar vor mir oder an der Seite in der Hand ist – also wieder über mich als Umweg ans Ziel…

    Auf die Schnelle habe ich dieses Video gefunden:

    https://www.youtube.com/watch?v=R5FgN2lMaeo

    3)    Wenn der Hund bereits einen Grundgehorsam hat und vor allem das Prinzip, ans Ziel zu kommen, verstanden, werfe ich dann aber natürlich auch Spielzeug von mir weg (oder irgendwann, wenn das Halten sitzt, das Bringholz – da gibt es nochmal spezielle „Regeln“, das lasse ich hier aber weg und beziehe mich auf Spielzeug).

    Zur Übung von Impulskontrolle darf der Hund dann aber nicht direkt losspurten, sondern muss neben mir sitzen bleiben, bis ich es frei gebe. Zur Impulskontrolle macht es auch hier Sinn, dem Hund beizubringen: Suche Blickkontakt zu mir und starre nicht zum Spielzeug, dann kommt die Freigabe am Ehesten.

    Hat der Hund das Spielzeug aufgenommen, wird es spannend für den HF: Bringt der Hund es direkt zurück und will mit seinem Menschen weiter spielen? Oder rennt er weg, um es zu „sichern“ und muss gar eingefangen werden? Wenn Möglichkeit 1 eintritt, hat man bisher alles richtig gemacht – wenn nicht, muss man überlegen, warum der Hund es vorzieht, alleine zu spielen… Zu 99% Hundeführerfehler…

    4)    Wenn der Hund bereits bellen und fußlaufen kann, kann man das Prinzip „Triebziel durch Gehorsam“ ausweiten:

    Ich nehme dafür z.B. einen großen Stoffball mit Handschlaufe (bei mir von Gappay), ziehe dem Hund ein Geschirr mit Brustplatte an und arbeite wie folgt:

    Ich werfe den Ball einige Meter weg und lasse den Hund am Geschirr zum Ball hin zerren und bellen. Ich stehe dabei nach rechts zur Seite gedreht hinter dem Hund und rufe nach einiger Zeit „hier, Fuss“ – Hund wird mit „Pack“ zur Beute frei gegeben, wenn er zu mir (ich stehe) in die Grundstellung kommt und mich ansieht, ohne weiter zu bellen. Der Ball liegt dann links vom Hund, also auf der anderen Seite. Später weite ich es so aus, dass ich um die Beute herum Fuss laufe und freigebe, wenn korrekt gelaufen wird. Auch hier gilt: Zunächst bereits nach wenigen korrekten Schritten freigeben, später längere Strecken. Nie freigeben, wenn der Hund zur Beute guckt, quietscht oder weiter bellt. Das Bellen ist mit Kommandos wie „Sitz“, „Platz“ oder „Fuss“ vorbei.

    Kann der Hund die Übung gut, stelle ich eine Hilfsperson (macht mein 10jähriger Sohn sehr gern) mit dem Ball hin, die diesem Leben verschafft. Dann Dasselbe Vorgehen wie oben unter schwierigeren Bedingungen.

    Selbst, wenn man keinen SD anstrebt: Ich kann mit meinen Beutegeiern durch diese Übung im „Fuss“ an ballspielenden Kindern vorbei laufen – ohne, dass es stressig wird und der Hund da hin rast. In dem Fall kann ich sie dann natürlich nicht freigeben, bestätige sie dann aber anders, wenn wir vorbei sind. Trotzdem nährt sich diese Übung aus der Hoffnung und Erwartungshaltung, nicht aus den sonst üblichen strikten Verboten, die bei den meisten Hunden dazu führen, dass sie lernen: Nächstes Mal bin ich eben schneller oder komme erst gar nicht heran.

    Kann der Hund das, kann man dann auch anfangen, sich nicht seitlich zu drehen, sondern frontal zum Geschehen zu bleiben – so, dass der Hund rückwärts in die Fußposition kommen muss und man sich dann erst zum Kreislaufen dreht.

    Leider habe ich dazu kein Video gefunden – obgleich viele Leute dieses „Kreislaufen“ an Beute und am Helfer üben. Komisch.

    5)    Kann der Hund das alles, bringe ich ihm bei, sich ins Platz rufen zu lassen, während er bereits zur Beute hin galoppiert. Da führen viele Wege nach Rom – ausbremsen an der Leine und freigeben, sobald das Platz-Kommando befolgt wurde – Hilfsperson entfernt und blockiert Triebziel, wenn „Platz“ nicht befolgt wurde oder der Hund weiß nie, ob am Ende des Platzes etwas liegt und der HF ruft nur Platz, wenn er dort nichts hingelegt hat (damit der Hund bei Ignorieren des „Platz“ sich nicht belohnen kann) und bestätigt nach Ausführung dann bei sich. Da kann man sich unter dem Thema „Voraus“ ganz gut einlesen.

    6)    Reizangel-Training wäre ansonsten auch eine Idee – dazu kann ich nichts schreiben, weil ich das nicht praktiziere – ist wohl eher im Bereich Jagdhunde üblich. Ein Video habe ich aber gefunden:

    https://www.youtube.com/watch?v=7V4l1BRsyEo

    Das war jetzt einfach mal eine kleine Auswahl - der Kreativität sind ja ohnehin keine Grenzen gesetzt.

    Ansonsten übe ich persönlich die Impulskontrolle und Frustrationstoleranz auch im Alltag:

    Warten lernen,

    aushalten, nicht dran zu sein (während anderer Hund trainiert wird),

    im Körbchen im Wohnzimmer liegen bleiben, während die Kinder durchs Haus toben,

    läufige Hündin ignorieren,

    vor der Küchentür warten, während ich Futter zubereite,

    in der offenen Auto-Box sitzen bleiben, während ich die Leinen noch entwirre u.v.m.

  • Wow, ich bin baff, vielen, vielen Dank für diese Ausführungen, das ist ja genial!

  • Natürlich arbeitet jeder anders, aber mir fehlen ja komplett die Ideen. Jetzt habe ich wirklich was Gutes worauf ich aufbauen kann. Ich habe ja auch schon den Vorschlag bekommen das Bellen mit einer Wasserspritze abzustellen, das möchte ich natürlich überhaupt nicht und macht das auch nicht, weil das nicht seinen Konflikt löst.

  • Natürlich arbeitet jeder anders, aber mir fehlen ja komplett die Ideen. Jetzt habe ich wirklich was Gutes worauf ich aufbauen kann. Ich habe ja auch schon den Vorschlag bekommen das Bellen mit einer Wasserspritze abzustellen, das möchte ich natürlich überhaupt nicht und macht das auch nicht, weil das nicht seinen Konflikt löst.

    Ich denke, es wäre dann in Deinem Fall wirklich gar nicht schlecht, aus dem Bellen eine Übung zu machen. Sei gewarnt, es kann da zur "Erstverschlimmerung" kommen, das hat sich dann aber erledigt, wenn der Hund auch das "Abstellen" gelernt hat.

  • Ich habe jetzt angefangen dass ich ihn neben mich gesetzt habe und angeleint habe, wenn er dann anfing rum zu jiffeln wenn ich aufgestanden und ein Stück weg gegangen. Dann hat er angefangen zu bellen, dann bin ich noch ein Stück weiter weg gegangen. In dem Moment wo er aufgehört und mich angeguckt hat habe ich mein Marker Wort benutzt und ihn belohnt und bin wieder hin.

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