Zum Thema "Rudelführer und Rudel"

  • Aber wenn der Hund uns doch als vollwertigen Sozialpartner akzeptiert, so bildet die Familie des Hundes aus seiner Sicht vielleicht schon ein Rudel. Wissen wir nicht, können wir auch nicht erfragen.
    "Rudelchef" ist ein menschliches Konstrukt. Wie in jedem sozialen Setting switche ich auch beim Hund situativ zwischen meinen Rollen: Partnerschaftlicher Ohrenkrauler, Befehlsgeber, Spielkamerad... und vielleicht bin ich manchmal sogar Chef (aus Sicht des Hundes).

    • Ich denke schon, dass es bei einem solchen Begriff wichtig ist, wie der jeweilige Benutzer ihn definiert, damit es nicht zu endlos langen Diskussionen kommt. Optimal wäre farblich markiert oder mit Fußnote (ich sage das nur halb im Scherz).


    Nehmen wir ein Beispiel:


    Das Land braucht einen starken Führer!


    Kann man so oder so interpretieren...

    Ich denke, Worte sind ja erstmal neutral. Und je nachdem, wie wir sie mit Leben füllen, verbinden wir damit Gefühle, zb Abneigung oder Gefallen.


    Gutes Beispiel, das Wort "Führer ": Klar denkt man da in Deutschland sofort an Hitler und Nazideutschland, sogar im Ausland, denn dieses Wort hat es auch in den englischen Sprachraum "geschafft" :fear: .


    Und klar, möchte niemand mit furchtbaren Dingen wie Mord, Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Unterdrückung in Verbindung gebracht werden.


    Tun wir uns deshalb so schwer, zu sagen, ich bin der Führer meines Hundes?


    Und, klar gibt es Leute, die Unsägliches mit ihrem Hund veranstalten, weil sie irgendwo gelesen haben, dass das Wölfe auch so machen (wobei der Wahrheitsgehalt, ob Wölfe das wirklich "so" machen, oft gar nicht überprüft wird). Das ist natürlich nicht in Ordnung, aber deshalb komplett auszublenden, dass Hunde ja irgendwo doch vom Wolf abstammen und sich einige Verhaltensweisen zumindest gleichen, finde ich dann auch kontraproduktiv.


    Viele Menschen haben wohl allgemein ein Problem mit Autorität, das können wir jeden Tag daran beobachten, wie frühere Autoritätspersonen wie zb Lehrer, Polizisten, Amtsträger in Zeiten von Facebook und Twitter und alternativer Fakten heute behandelt werden.


    Keiner verlangt Kadavergehorsam, aber Respekt und gegenseitige Wertschätzung hat noch niemandem geschadet :klugscheisser: .


    Und ein Teil genau dieser Menschen, die ein Problem haben, sich selbst unterzuordnen (vielleicht schlimme Kindheit gehabt, Gewalt erlebt), neigen vielleicht eher dazu, entweder in Allmachtsphantasien ihren Hund zu unterdrücken um sich auf seine Kosten grandios zu fühlen, oder aber, und das werden mehr sein, ihrem Hund möglichst viele Freiheiten zu gönnen, ungeachtet dessen, ob der Hund damit umgehen kann. Also es wird in Extreme verfallen, die beide für sich genommen nicht gut sind für den Hund.


    Den goldenen Mittelweg sehen beide Seiten uU nicht, nämlich Halt, Anleitung, Führung und, ja, auch Kontrolle zu geben bzw. auszuüben und dabei die Bedürfnisse des Tieres immer im Blick zu behalten, nicht die eigenen.

    Fakt ist mMn, dass ein Hund sich einem Menschen, der eine gewisse ruhige, überlegte und freundlich-konsequente Autorität ausstrahlt, deutlich lieber anschließt als einem Menschen, der nicht weiss, was er eigentlich vom Hund will, verwirrende Signale sendet oder (anderes Extrem) gar grob und laut ist.


    Zum Thema Rudel... meine Hunde, meine Kinder, mein Mann und ich stehen ja in einem bestimmten Systemischen Verhältnis zueinander, wie bei allen sozialen Gruppen (auch Mitarbeiter in einer Firma oder Kinder in einer Schulklasse oder Pferde in einer Herde, Vögel in einem Schwarm, Wölfe in einem Rudel stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander, was allerdings dynamisch ist und sich jedes mal neu verschiebt, wenn jemand sich verändert, geht oder neu dazukommt). Und in jeder sozialen Gruppe gibt es Macher, und Leute, die ihnen nachfolgen.
    Insofern sehe ich meine Hunde und meine Familie als mein Rudel an, und meine Hunde wissen, wie sie zu jedem einzelnen Mitglied stehen und wer ihr Verhältnis zb zu meinen Kindern kontrolliert (ich nämlich, wobei die Kontrolle inzwischen gen 0 geht, da meine Kinder nicht mehr klein sind und die Hunde sehr entspannt und brav).


    Bei dem Begriff Rudel sehe ich also eher den systemischen Zusammenhang, genau wie bei den Begriffen Familie, Team, Abteilung, Gruppe, Herde.


    Das Wort ist für mich nicht "schlecht" oder negativ belegt, genau wie Führer, Anführer, Chef.


    Ende der Predigt :lol: ;)

  • Sorrrrrryyyyyy! - eigentlich wollte ich mich hier auf meine Finger setzen, um nicht zu sehr ins sprachphilosophische abzudriften - aber nein.


    Kein einziges Wort, dass in irgendeiner Form mit Macht, Besitz, Hierarchie, Abhängigkeiten Beziehungen etc. zu tun hat, ist neutral. Ist es nicht, kann es nicht. Liegt an der menschlichen Sozialisation und der Art und Weise des Spracherwerbs. Es fließen immer unzählige Konnotationen, Wertungen und teils auch heftige Emotionen mit, die sich fieserweise meist unterm bewussten Wahrnehmungshorizont bewegen.


    Deswegen scheiden sich ja auch immer so die Geister an bestimmten Begriffen. Und deswegen können sich manche Konzepte so verselbständigen. So dass man mit dem Konzept sein Gegenüber in seinen Bedürfnissen einfach wie eine Dampfwalze überrollt.


    Und deswegen reagiert man ggf. auch etwas heftiger als eigentlich nötig auf bestimmte Begriffe und Konzepte.


    Ich hoffe, Ihr verzeiht mir den Exkurs. Aber das ist einfach mein Fach, es liegt und geht mir Nahe und ist daher für mich auch sehr präsent.



    Deshalb finde ich solche Diskussionen - wenn auch oft sehr mühsam und kreiselnd - trotzdem als spannend. Und freue mich über alles, was ich daraus lernen kann.

  • Kein einziges Wort, dass in irgendeiner Form mit Macht, Besitz, Hierarchie, Abhängigkeiten Beziehungen etc. zu tun hat, ist neutral. Ist es nicht, kann es nicht. Liegt an der menschlichen Sozialisation und der Art und Weise des Spracherwerbs. Es fließen immer unzählige Konnotationen, Wertungen und teils auch heftige Emotionen mit, die sich fieserweise meist unterm bewussten Wahrnehmungshorizont bewegen.

    Völlig korrekt!
    Denn wozu sprechen wir noch? Genau, um uns mitzuteilen. Und um das so differenziert, umfassend und verständlich tun zu können, verfügen wir eben über einen solchen Sprachschatz, mit dem wir auch ausdrücken könne, was wir ausdrücken wollen.

  • Voll auffen Punkt!





    *winke BINGWU

  • @Stinkelilly
    aber auch Liebe, Aufmerksamkeit, im Mittelpunkt stehen, Sex etc. sind nicht neutral belegt - sie können positiv sein (wenn man geliebt wird, aufrichtige Aufmerksamkeit erhält, gerne im Mittelpunkt steht oder Sex genießt), aber auch negativ (wenn einem Liebe aufgedrückt, Sex gewaltsam erzwungen wird, Aufmerksamkeit erregt wird oder ungewollt in den Mittelpunkt gezerrt wird).


    Genauso können Besitz, Macht, Hierarchie, Abhängikeiten oder Beziehungen per se nicht schlecht sein. Ein Baby oder Kind, dass Abhängig von den Eltern ist, wird dies sicherlich nicht als negativ ansehen. Hierarchie bedeutet auch, dass jeder seinen Platz weiß, sofern keiner es ausnutzt und es keine starre Hierarchie ist. etc. pp.


    Und das zeigt doch wieder, es kommt darauf an, was wir daraus machen! Wenn wir alle verantwortlich handeln würde, würden es keinen Missbrauch - egal in welche Richtung - geben. Und deswegen plädiere ich für einen verantworungsvollen Umgang mit unseren Mitmenschen und Tieren - egal ob wir es Rudel, Familie, Team oder sonstwie nennen.


    Dennoch finde ich die Diskussion interessant und ich freue mich, dass wir das so sachlich diskutieren können!

  • Hi,


    :winken: ich hab auch nicht von schlecht gesprochen, nur von „nicht neutral“ :smile: Und ich meine tatsächlich das jeweilige Wort, nicht die „Sache“.


  • :shocked: wieder etwas dazu gelernt...

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