Frustmotivierte Leinenaggression - Was tun?

  • Hallo!


    Mein Doctor (6 Monate) reagiert in letzter Zeit leider öfter mal Leinenaggressiv. Ich bin inzwischen überzeugt davon, dass das nicht mit Angst oder Ähnlichem zu tun hat, sondern mit Frust. D.h. mein Hund ist frustriert darüber, dass er nicht zu dem anderen Hund kann und das schlägt dann in Gepöbel um, auf das der andere Hund natürlich sofort entsprechend reagiert. Ihn zieht es also zum anderen Hund hin und flüchten möchte er eigentlich nicht.


    Das Problem gestaltet sich eigentlich meist wie folgt: In einer Situation, in der der Hund gerade mal brav neben mir laufen muss (Straßenüberquerung etc.) oder wenn ein anderen Hund unvermittelt um die Ecke kommt, springt mein Hund auf den anderen zu und mir dabei in die Leine. Dann fühlt er sich offenbar plötzlich eingeschränkt/bedrängt (ohne, dass ich etwas gemacht hab. Ich war einfach nicht so schnell wie er) und fängt plötzlich an zu pöbeln und sich auf den anderen Hund zu werfen.


    Meine bisherige Reaktion: Hund schnappen, an mich drücken, manchmal sage ich laut "Nein!" (Das ist im bekannt) und warten, bis der andere Hund samt Besitzer von dannen marschiert ist. Bisschen unangenehm ist mir das dann trotzdem. Besonders wenn unbeteiligte Fußgänger in der Nähe sind und sich erschrecken.


    In anderen Situationen ist das überhaupt kein Problem. Im Freilauf versteht er sich sowieso gut mit allen Hunden und es gibt in den seltendsten Fällen Kommunikationsprobleme. Aber auch an der Leine klappen entspannte Hundebegegnungen, solange wir das Mensch-Hund-Gespann aus einiger Entfernung sehen können. Dann lenke ich ihn entweder ab und wir gehen in die andere Richtung - das findet er nicht so gut, schaut dem anderen Hund immer noch nach, aber randaliert nicht und ist für andere Reize (Kommando, Leckerlie, Ball) offen. Oder wir gehen langsam auf den anderen zu, bleiben irgendwann stehen, meistens legt er sich dann von allein hin und wartet ab. Irgendwann entlasse ich ihn dann mit einem "Sag Hallo!" und lockere dabei die Leine (oder mache die ggf. kurz ab, wenn der andere Hund auch frei herumläuft) und er hopst freundlich zum anderen Hund und begrüßt. Das ist dann quasi seine Belohnung fürs ruhige Verhalten. Vielleicht könnte ich versuchen, da nochmal einen Zwischenschritt einzubauen, indem er mich noch kurz angucken muss, bevor er losläuft.


    Meine Frage ist: Wie würdet ihr in der zuerst geschilderten Situation reagieren? Ich bemühe mich nach Kräften, meine körperliche Einwirkung so ruhig wie möglich zu gestalten, sodass ich den Hund nicht noch weiter aufstachele. Fest zupacken muss ich aber, sonst kriege ich ihn halt nicht zu fassen. Er wiegt halt jetzt schon seine 23 Kilo.
    Kann ich ihm kurz danach noch irgendwie vermitteln, dass ich mit so einem Verhalten unzufrieden bin? Ihn Platz machen lassen, bis er sich beruhigt hat? Oder lieber gleich weitergehen, weil es eh zu spät ist?
    Und was kann ich sonst noch tun? Bisher passiert es noch nicht so oft und ist auch einigermaßen händelbar. Aber ich möchte natürlich nicht, dass sich das Ganze verschlimmert und er irgendwann auch pöbelt, wenn er einen anderen Hund nur vom Weitem sieht.


    Könnte es sein, dass sich die Lage von allein ein wenig entspannt, wenn der Hormonhaushalt etwas normalisiert (er kommt wohl gerade in die Pubertät) und sich daran gewöhnt, dass nun mal nicht JEDER Hund der in seinem Sichtfeld auftaucht, begrüßt werden kann?


    Fällt jemandem dazu etwas ein? Bin für jeden Tipp und jede Idee dankbar.

  • So wie ich das lese hast du ja schon Strategien, die funzen.
    Was das eigentliche "Problem" ist sind die doofen Ueberraschungssachen. :D


    Da wuerde ich auch ansetzen, so dass du deinem Hund einen Schritt voraus bist und schon direkt richtig handeln kannst, um Schlimmeres direkt abzuwehren.
    Z. Bspl. bei ner Strassenueberquerung wirklich erst losgehen, wenn alles huendische ausser Sicht ist, um im Erfolgserlebnis und Kommando rueberzukommen.
    Wenn du dafuer mal warten musst etc., das wuerd ich eher und lieber in Kauf nehmen, als dass er sich in Bloedsinn steigern kann.
    An Strassenecken, die unuebersichtlich sind Hund kurz vorher ins Kommando nehmen, dass er auf dich konzentriert ist und an deiner Seite MIT dir um die Ecke geht, nicht vor dir.


    Wenn er schon im Poebeln ist ist der Zug schon abgefahren.
    IM Poebeln wuerd ich ihn schon massregeln, aber sobald der Reiz ausser Sicht ist so lange auf der Stelle warten, bis Hund wieder ansprechbar ist.
    Da wuerd ich kein Kommando zu nehmen, sondern einfach auf der Stelle warten und evt. ruhig ansprechen.

  • Ich würde weiterhin an der Leinenführigkeit arbeiten, d.h. jedes erwünschte Verhalten wie ruhiges Neben dir laufen, ruhige Hingucken zum anderen Hund würd ich belohnen wie verrückt.


    Wenn der Hund bereits pöbelt würde ich mir ein " Nein" sparen. Aber ich würde schauen, wann er wieder ansprechbar ist und die Orientierung zu mir wieder wie verrückt belohnen. So kann er langfristig lernen, wenn ihn was verunsichert, kann er statt Pöbeln ein Leckerchen beim Menschen abholen.


    Die Hundebegegnungen würde ich ebenfalls anders gestalten. Ich würde den Hund sich nicht hinlegen lassen und auf Kommando zum anderen rennen lassen.


    Man kann tatsächlich ruhiges aufeinander zu laufen trainieren ( mit oder ohne Leine) auch wenn der andere frei ist.


    Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wieso das kaum gemacht wird, sondern sämtliche Hundebesitzer ihre Hunde auf Kommando lospreschen lassen ( mein Labbi hat das beim Ex Frauchen genauso gelernt: Sitz. schau. Okay. Hund rennt wie ein Irrer zum anderen Hund)

  • Das zur Belohnung hinrennen lassen finde ich persönlich kontraproduktiv. Entweder darf er gleich hin, bevor er Spannung aufgebaut hat, oder gar nicht.
    Diese Erwartungshaltung, die er aufbaut (und wie du es ihm ja beigebracht hast) entlädt sich natürlich in Frust.
    Festhalten finde ich auch nicht gut, besser, in Bewegung bleiben - und immer zwischen dem Hund und dem Reiz sein.


    Ich würde mal mit anderen HH angeleint spazierengehen, damit es normal wird, nicht immer hinzudürfen. Erst, wenn ruhe herrscht, beiläufig ableinen.
    "Hallo sagen" an der Leine gibt es bei mir gar nicht. Auch nicht bei bekannten Hunden.


    Ansonsten das übliche Programm bei Junghunden: häufig aus dem spiel abrufen, lieber gemeinsam laufen statt Stehpartys, Leinenführigkeit üben (v.a. darauf achten, dass er nicht die Seite wechselt), ruhig bleiben, Geduld.

  • Zitat

    Man kann tatsächlich ruhiges aufeinander zu laufen trainieren ( mit oder ohne Leine) auch wenn der andere frei ist.


    Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wieso das kaum gemacht wird, sondern sämtliche Hundebesitzer ihre Hunde auf Kommando lospreschen lassen


    Weil wir nicht wissen, wie man das erfolgreich übt! :ops:
    Kannst du euer Erfolgsrezept vielleicht hier in deinem Thread zum Thema bei Gelegenheit aufschreiben? Das würde mich sehr freuen.

  • Das ist recht unspektakulär: Hund bleibt entweder angeleint oder hat sich bereits gut im Griff und bleibt an meiner Seite, solange ich es sage. Das wird natürlich belohnt wie verrückt.
    D.h. für den Hund wird es zur Selbstverständlichkeit bei Hundesichtung erstmal bei mir zu bleiben.
    Und vor allem ist es auch nicht bei jedem frei laufendem Hund selbstverständlich, dass Kontakt zugelassen wird.
    Ich finde, auch frei laufende Hunde dürfen sich aus dem Weg gehen dürfen.
    Bandit ist ein Hund, der selber abschätzen kann, wie der andere drauf ist. Wir haben letztens eine ( wirklich! ) winzige Yorkie Hündin getroffen. Der Bandit imponiert, läuft aber im Bogen dran vorbei. Der kann das erkennen, ob die giftig wird oder nicht. Anton ist ein Labbi und ( sorry) zu ignorant. Der kann schlecht differenzieren und deswegen bleibt er bei mir. Das wirkt sich auf alle( ! ) Beteiligten positiv aus.

  • Danke für die Antworten! :)


    Ich versuche die Hinweise mal zu verarbeiten:
    Grundsätzlich lassen wir erstmal das Begrüßen an der Leine. (Ich hab das Thema heute in der Hundeschule angesprochen. Meine Trainerin hält davon auch nix.) Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, wenn ein unangeleinter Hund direkt auf meinen zuhopst. Und dann lasse ich es schon geschehen, solange alles freundlich und entspannt ist. Aber ansonsten werde ich in Zukunft einfach, so oft es geht, vorbeispazieren und loben, wenn der Doctor mir ohne zu ziehen und zu murren folgt.
    Wenn er anfängt zu pöbeln, schnappe ich ihn mir demnächst einfach mal und gehe unbeeindruckt weiter, ohne zu versuchen, ihn an Ort und Stelle zu disziplinieren. Bringt eh nix und fühlt sich auch ziemlich unproduktiv an.


    So ist erstmal der Plan.


    Irgendwo gab es aber ein Missverständnis: Ich lasse meinen Hund nicht abliegen, bevor er zum anderen Hund darf. Er legt sich von selbst hin. Fand ich erst komisch, habe aber gelernt, dass das ein begrüßenswertes Verhalten ist. Denn der Hund nimmt sich auf diese Weise zurück und wartet ab, wie der andere Hund drauf ist, bevor er selbst etwas unternimmt.
    Und "Lauf!" bedeutet bei mir auch nicht automatisch "lospreschen", sondern "Mach, was du möchtest". In anderen Situationen bleibt er gern noch bei mir sitzen, folgt mir oder schnüffelt an Ort und Stelle. Aber ja, wenn er zum anderen Hund will, dann prescht der halt los, bleibt aber kurz vor dem anderen aber stehen und dann beginnt das Kennlernritual. Ist das so bedenklich? Und wie trainiert man das ruhige aufeinander zugehen? Vor allem: Wie macht man es, wenn der andere Hund da nicht mitspielt?


    Abrufen aus dem Spiel hat übrigens heute in der Hundeschule mal wieder erstaunlich gut geklappt. Sogar dann, als ein anderer Hund noch an meinem dran war und ihn weiter aufgefordert hat. Aber er wollte zu mir. Yeah! :)

  • Wenn es passt, lasse ich begrüßen oder vielleicht sogar spielen. Wenn ich weitergehen will, gehen wir weiter. Allerdings zerre ich ihn nicht, sondern lenke die Aufmerksamkeit freundlich auf mich und sage "weiter".
    Wie gesagt, halte ich dieses Ablegen und Abwarten grundsätzlich erstmal für wünschenswert, deswegen möchte ich das meinem Hund nicht madig machen, indem ich ihn da allzu unsanft raushole.

  • Zitat

    Das ist recht unspektakulär: Hund bleibt entweder angeleint oder hat sich bereits gut im Griff und bleibt an meiner Seite, solange ich es sage. Das wird natürlich belohnt wie verrückt.
    D.h. für den Hund wird es zur Selbstverständlichkeit bei Hundesichtung erstmal bei mir zu bleiben.


    Achso, er bleibt bei dir. Das raten mir leider auch alle Trainer und wir machen es auch weiterhin so. Ich hatte gehofft, es du hättest was gefunden, wodurch der Hund auch alleine eine vernünftige Begrüßung zustande bringt. :( :


    @TE: Ich habe leider keine hilfreichen Tipps zu deinem konkreten Problem, aber wovon ich leider ein Lied singen kann, sind Junghunde, die sich vor einer Begrüßung hinlegen, dann plötzlich hochspringen und damit meine kleine Hündin in Angst und Schrecken versetzen. :/ Wenn das Abliegen für dich eine unverzichtbare Erleichrung darstellt, gönne ich es dir von ganzem Herzen, aber bitte entlasse ihn aus der Position dann nicht zu einem fremden Hund. =)

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