Leinenaggression und "randalieren" alleine Zuhause

  • Hallo,




    ich hoffe so sehr, dass ihr Ratschäge habt und mir irgendwie helfen könnt :/



    Kurz zu uns:
    Ich bin 22 Jahre alt, mache eine Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten und habe mich wegen meinem 2-jährigen Labradorrüden Balu hier angemeldet.
    Balu kam mit einem halben Jahr zu uns (damals habe ich noch mit meinem Exfreund zusammengelebt) und ist sozusagen ein Secondhandhund. Die Vorbesitzerin hatte nicht viel Ahnung und ihn auch kein bisschen erzogen, so dass wir bei null anfangen mussten. Lediglich stubenrein war er.



    Ich war damals bei einer Hundetrainerin, die ihre Hunde mitgebracht und Unterricht draußen im Wald oder auf der Straße absolviert hat. Schon damals fing er an immer dominanter zu werden, im Freilauf lieb und sozial, an der Leine aber aggressiv gegenüber Artgenossen, irgendwann wollte er auch Menschen anspringen (manchmal schienen das aber eher Übersprungshandlungen zu sein).
    Balu war schon immer sehr aktiv und braucht viel Auslastung, Zuhause war und ist er aber immer lieb, gelehrig und ein richtiger Schmusehund.


    Vor einem 3/4 Jahr habe ich die Hundetrainerin gewechselt, um aktiveren Unterricht zu bekommen. Nach einigen Einzelstunden zur intensiven Beobachtung und Einschätzung sind wir in die Gruppenstunden gewechselt und haben viel geübt und gelernt. Trotz dessen reagiert er an der Leine immernoch oft aggressiv, will Menschen, Hunde und Kinder anspringen, rastet manchmal richtig aus, an manchen Tagen ist aber auch total entspannt. Es ist kein "Muster" zu erkennen, er reagiert oft unberechenbar, man kann ihn nicht einschätzen.


    Das belastet mich wirklich sehr, wir haben ihn nun auch aufs Barfen umgestellt.


    Wenn er Zuhause alleine ist, beachte ich ihn vorher und nachher wenig, mache ihm das Radio an, gehe vorher nochmal raus. Er kennt das, aber grade diese Woche rastet er laut Vermieter und Nachbarn wieder richtig aus wenn jemand durch den Flur läuft, springt an die Tür (diese ist nebenbei schon richtig zerkratzt, da er einen Maulkorb tragen muss, da er sonst die Einrichtung zerstört).


    Ich bin mittlerweile wirklich sehr verzweifelt und weiß nicht mehr weiter :/ Danke für das Durchlesen des langen Textes, ich würde mich über Antworten freuen.



    Liebe Grüße,
    Joana

  • Für mich hört sich das nach Stress an, massivem Stress sogar. Angefangen mit dem Alleinbleiben. Das verkraftet er ja offensichtlich nicht, und der Maulkorb wirkt lediglich gegen die Symptome (und für mich ist Maulkorb ohne Überwachung viel zu gefährlich), behebt aber nicht die Ursache. Dann zeigt er Übersprunghandlungen, flippt unberechenbar - alles Anzeichen für zu viel Stress. Wenn ihr nun auch noch ein grosses Auslastungsprogramm fahrt, hat er nie eine Chance, zur Ruhe zu kommen.


    Wie sieht sein Tages-/Wochenprogramm sonst aus? Auslastung, Training, Spaziergänge mit/ohne Freilauf..... Die Leinenaggression ist ja meist unabsichtlich hausgemacht, besonders wenn es im Freilauf gut klappt mit Begegnungen. Ein hoher Stresspegel trägt dazu bei. Das Anspringen ist nicht untypisch für menschenfreundliche, gestresste Hunde. Ich vermute, beides ist eher Symptom als Ursache des Problems.

  • Hallo,




    danke für deine Antwort.


    Als er damals kam, haben wir das alleine sein langsam gesteigert, von 5 min auf irgendwann einige Stunden.


    Meinst du, dass er generell nicht alleine bleiben kann?


    Unser Wochenplan sieht folgendermaßen aus:


    Ich bin von 9-13.30 und von 15.30 bis 19 Uhr arbeiten. Davor und in der Mittagspause gehen wir entspannt gassi, kuscheln mittags Zuhause. Abends kommt er 4 Mal die Woche mit zum Reitstall. Da darf er mal mit den anderen Hunden toben oder mit Spazierengehen, auch mal durch die Halle flitzen, aber genauso ruhig in der Box oder auf der Stallgasse warten oder bei Fuß neben dem Pferd laufen (klappt bisher nur an der Leine). Am Wochenende ist mein Freund hier, dann machen wir uns entspannte Tage mit schönen Spaziergängen.
    Mittwochs haben wir Mittags Hundetraining, am Wochenende auch nochmal. Durch die neue Arbeit kann ich nicht mehr an den geänderten Gruppenstunden teilnehmen, dh wir müssen nun die Hundeschule wechseln, um wieder öfter gehen zu können.


    Wie kann ich seinen Stresspegel senken? :/ Mittlerweile hat er ja immerhin gelernt sich zu entspannen, kann also auch in Menschenmengen mal ruhig liegen, ich achte dann sehr darauf, selber auch ruhig und entspannt zu sein.


    Liebe Grüße,
    Joana

  • Ferndiagnosen sind natürlich immer schwierig..... Aber wenn er beim alleinbleiben ohne Maulkorb Dinge zerstört, dann hat er ein Problem damit. Oder macht er auch wenn du da bist viel kaputt?


    Das Programm sieht auf den ersten Blick nicht überrissen aus, aber wenn man annimmt, dass er eben beim Alleinbleiben nicht wirklich entspannt, hat er schon wenig Ruhe über den Tag.Ich kann verstehen, dass du ihm Action im Pferdestall bieten möchtest, aber es kann sein, dass das zuviel ist. Ich würde da die Tobereien und das Flitzen nicht zu sehr ausdehnen, lieber ein ruhiger Spaziergang neben dem Pferd.


    Stresspegel senken wird schwierig, solange ihn das Alleinbleiben so stresst. Besteht die Möglichkeit, einen Sitter zu suchen? Hast du ihn mal gefilmt beim Alleinbleiben? Da sollte etwas geschehen, könnte er in der Zeit wirklich entspannen, wären vermutlich die anderen Baustellen nicht mehr so gravierend.


    Hundeschule würde ich nur einmal wöchentlich machen, und sonst lieber privat in sehr kurzen Einheiten üben. Die Mittagsrunde zu einem wirklich entspannten Schnüffelspaziergang gestalten, ohne Action, an der Flexi oder 5m Leine. Erwünschtes Verhalten dabei ruhig bestätigen, aber nicht wirklich "üben". Allenfalls einige Leckerchen im hohen Gras suchen lassen oder ähnliches. Die entspannten Spaziergänge am Wochenende tönen gut. Lasst euch Zeit und macht auch Pausen.


    Du hast ja schon Fortschritte gesehen, baue das entspannt liegen aus - man kann das auch mit einem Ritual verknüpfen: http://www.easy-dogs.net/?id=828 Ein super Ansatz lies dich mal ein, gibt Anregungen, auch wenn es kein Wundermittel ist.


    Ich habe selber einen Hund, der in der Erregung Leute anspringt, ohne jede böse Absicht. Der auch mal flippt, mich anbellt. Ich musste lernen, Ratschläge à la "zeig ihm mal, wer der Chef ist" zu ignorieren. Ruhe reinbringen, positiv umlenken ist für uns wichtig. Der hat sich übrigens auch schwergetan mit dem Alleinbleiben. Da musste ich mit Bauchgefühl die stressärmste Lösung finden, die üblichen Trainingsansätze haben versagt. Drum bin ich da zurückhaltend mit konkreten Ratschlägen.

  • Hallo,



    wenn ich dabei bin, ist er hier ganz entspannt und stellt bis auf die ständige Essenssuche nichts an.


    Dass du sagst, dass ihm das Tagesprogramm zuviel werden kann, verstehe ich und es macht auch Sinn, nur habe ich bei ihm beobachtet, dass er mehr Zuhause anstellt und draußen gestesster ist, wenn ich mal einige Tage weniger für ihn Zeit habe oder krank bin, so dass wir nicht viel aktives machen können.


    Seit Montag ist er wieder so schlimm Zuhause, laut den Nachbarn war es vorher in Ordnung. Am Wochenende habe ich ihn auch auf barfen umgestellt, kann das vielleicht zusammenhängen?
    Eben kam ich nach Hause und er hat hier ganz schön umgeräumt.


    Ich suche auf jeden Fall direkt einen Hundesitter.


    Weiterhin besteht der Plan die nächsten Monate irgendwann umzuziehen, in eine ruhigere Gegend, mit weniger Nachbarn oder evtl in ein freistehendes kleines Häuschen. Das käme ihm bestimmt sehr zu Gute, oder?


    Wie hälst du es bei deinem Hund mit dem alleinsein?



    Danke schonmal!

  • Wenn der Hund ein gewisses Programm gewöhnt ist, wird er es natürlich auch einfordern. Man müsste das Ruheprogramm schon einige Zeit durchziehen, um Verbesserungen zu sehen. Bei manchen Hunden ist der Grat zwischen Über- und Unterforderung nur ein schmaler, ich finde es schwierig, konkrete Ratschläge zu geben. Mit meinem Hund habe ich nie ein Zeroprogramm gemacht, aber die Bespassung und das Training sind viel sparsamer ausgefallen als bei meiner Althündin. Es gab auch immer 2, 3 Tage hintereinander nichts als Spazierengehen. Freilauf hatte er allerdings meist täglich, wenn auch ohne Animation.


    Beim Alleinbleiben habe ich schliesslich herausgefunden, dass ihn die räumliche Begrenzung zusätzlich stresste. Kennel ging gar nicht, und im Zimmer war Randale, obwohl er ja nicht ganz allein war - meine Althündin war dabei. Als er dann dieselbe Bewegungsfreiheit hatte wie wenn ich da bin, ging es schlagartig besser. Bei den meisten Hunden ist es aber genau umgekehrt. Nur wenn er ganz allein ist, und ich etwas nur mit der Hündin mache, schiebt er noch Frust. Doch auch das hat sich stark gebessert. Am meisten gelitten hat da das Auto. :/

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!