Ressource VERTRAUEN in der Hund-Mensch-Beziehung

  • Bei den zahlreichen Bemühungen um DIE richtige und artgerechte Hundeerziehung und Hund-Mensch-Beziehung erscheint mir m.E. eine grundlegegende Ressource elementar.
    Jenseits wichtiger und hilfreicher Verhaltens- und Hirarchieforschung, Erziehungs- und Beschäftigungsansätzen, Trainings- und Konditionierungstheorien, die sicherlich alle ihre Berechtigung haben.

    Das VERTRAUEN meines Hundes in mich und mein VERTRAUEN in meinen Hund.

    Jeden Tag weckt mich meine nun halbjährige Rosa um acht Uhr morgends - gleich einem präzisen Uhrweck.
    Das, was kein Wesen vorher geschafft hat, gelingt ihr mit Leichtigkeit - als notorischer Morgenmuffel greife ich mir widerspruchslos die nötigen Klamotten, die Leine und ein paar Leckerlies und wage mich noch VOR meinem heiligen Milchkaffee und meiner "Menschwerdung" auf die Strasse.

    Sie beginnt, unruhig auf ihrer Bettseite herum zu dappeln, wechselt unentwegt ihre Positionen, springt erst zum Standspiegel, schaut sich dort sekundenlang an um dann wieder mit Schwung zu mir zurück zu kehren und sich erwartungsvoll vor mich hin zu setzen und zu fixieren.
    Wenn ich nicht schnell genug reagiere, schmeisst sie sich an meine Seite, startet einen zarten Hals-Schlabber-Versuch (sie weiss schon, das ich das Gesabber' nicht wirklich mag...), dreht sich auf den Rücken und hält mir ihren beflaumten Bauch zwecks Streicheleinheit hin.
    Und jeden Tag, wenn ich meine Augen öffne, schaue ich in ein bezaubernd offenes und erwartungsvolles "Hundegesicht", das ohne Umschweife mein Herz erobert und zutiefst berührt.

    Dieser erste Blick am Morgen vereint und zeigt mir auf ganz schlichte Weise all das, was mir mein Hund als grundlegende Ressource und Bereitschaft für eine sich positiv entwickelnde Hund-Mensch-Beziehung entgegenbringen kann - VERTRAUEN.
    Vertrauen in mich als ihr Frauchen, Vertrauen auch in sich selbst und Vertrauen in das, was geschieht.
    Ich habe es von Beginn an, ähnlich dem des Menschen, als Urvertrauen bezeichnet.
    Gleichwohl mir bewusst ist, das Hund Hund ist und bleibt und diesem die meisten menschlichen Kategorien fremd sind.

    Ich bin ganz und gar kein perfektes oder fehlerloses Hundefrauchen.

    Unser Unternehmen "Stubenreinheit" kostete mich viele Nerven und Rosa einige, zu Unrecht erlittene Zurechtweisungen, den einen oder anderen impulsiven barschen Griff und auch mal den einen gehörigen Brüller.

    Die Übung "Leinenführigkeit" gestaltete und gestaltet sich nicht immer einfach.
    Leckerchen haben mitunter eine erstaunlich kurze Halbwertzeit und die Welt ist doch so unglaublich spannend.
    Mein Beutelchen kann gar nicht so groß sein, als dass er unsere Übungsstrecke füllt.
    Ergo hilft beizeiten einfach nur ein wenig Druck an der Leine, ungeachtet des automatischen Gegendrucks.
    Der mutierende Hundeelefant am anderen Ende der Leine zieht (noch...) den kürzeren.

    Ich gehöre zu der Spezies von HundehalterInnen, die sich freuen, wenn mein Hund viele und unterschiedliche Hundekontakte erfährt.
    Ich empfinde das für mich persönlich als stressfreier und es kann das Hund-Menschleben unglaublich erleichtern.
    Ich fördere das und ich bin dankbar, einen heranwachsenden Hund zu haben, der seine Artgenossen ohne Misstrauen, schwanzwedelnd und erwartungsvoll begrüsst.
    Vorausgesetzt - die Befindlichkeit des Gegenübers ist unter den Menschen geklärt - steht einem Spiel nix entgegen.
    Ich habe allerdings das Glück, das auch Rosa diese Situationen defensiv und fast instinktsicher (Feind oder Freund...?!) meistert.
    Und ja - es gab auch Situationen, wo sich meine überschwengliche Jungspündin eine deutliche und klare Ansage einhandelte und mir kurzfristig das Herz in die Hose zu drohen flutschte.
    Sie sich fluggs zwischen meinen Beinen verknotete und mich flehend ansah:" "Warum beschützt Du mich nicht...?!"

    Auch der Grundgehorsam will gelernt sein - und kostet manchmal ganz schön Nerven, über die ich zugegebenerweise nicht uneingeschränkt verfüge.
    Ich versuche möglichst viel spielerisch zu vermitteln, eingebunden in den Alltag und die unterschiedlichsten Bedingungen.
    Jeder Hund braucht seine Zeit.
    Momentan kämpfen wir zwei um das Sitz und Bleib an der Strasse - bedingungslos und ohne Ausnahme.
    Da hilft eben manchmal nur ein deutlicher Nach-Druck auf den Allerwertesten - und das kann dauern...
    Ob Madame das gerade in ihre Vorstellung einer Sightseeingtour passt oder nicht - Widerstand zwecklos.

    Bei der Demontage meiner Matratze habe ich wutentbrannt so laut die Badezimmertür zugeknallt, das Rosa sich für zwei Stunden lautlos in die Küche verdrückt hat - ein einmaliger und ungeheuerlicher Vorfall.

    Und nicht zuletzt kann ich es gar nicht mehr zählen, wie oft ich während unserer Käbbeleien versehntlich auf Rosas Schwanz oder Pfoten getreten bin und sie das mit einem ohrenbetäubenden und herzzerreissenden Qieken quittierte...

    Rosa ist stubenrein und hat keinen ersichtlichen, neurotischen Schaden behalten.
    Die letzte Runde, mittlerweile im Dunkeln, üben wir schon zeitweise ohne Leine und Rosa lässt mich nicht aus den Augen.
    Der Lernerfolg "Sozialisation durch Hundekontakte" zeigt sich immer mehr in einer offensichtlich respektvollen Mensch-Mensch-, Hund-Mensch- und Hund-Hund-Begegnung, die im besten Fall für alle mit einem ausgelassenen Hund-Hund-Toben und freundlichen Mensch-Mensch-Geklöne ausklingt.
    An der Strasse müssen wir noch arbeiten - Vertrauen ist löblich, aber Kontrolle rettet im Ernstfall ihr Leben.
    Gestern habe ich Rosa versehentlich die Kühlschranktür vor die Nase geknallt, weil ich gar nicht so schnell reagieren konnte, wie das Öffnen derselben überschalltechnisch in Rosas Gehörgang und Magenöffnung drang.

    Heute morgen weckte mich meine Maus mit einem Blick - wie immer - voller Vertrauen.
    Bei all meinen Bemühungen um ein respektvolles und adäquates Hund-Mensch-Miteinander, all meinen Unzulänglichkeiten, spontanen Fehlverknüfpungen und geretteter Nervenenden qua unkonventioneller und nicht immer fairer Zwangsvollstreckungen kann sich mein Hund einer Sache immer bombensicher sein:

    Ich werde nie WISSENTLICH etwas tun, was ihr Schaden oder Schmerzen zufügt.
    Jenseits, was, wo und wie ich etwas situationsbedingt entscheide - ich bin immer an Ihrer Seite und schütze sie, so gut, wie ich es nur kann.
    Ich bin sicher, dass lohnt sie mir mit ihrem grenzenlosen und herzöffnenden Vertrauen.
    Jeden Morgen.
    Und ich tue mein Bestes, ihr gleiches entgegenzubringen.
    Jeden Morgen.

    Umso dankbarer und wertschätzender ob des Wissens, das dieses Vertrauen nicht jedem Hund /Menschen geschenkt wird und viele Hund-Menschbeziehungen sich diese Ressource aufgrund traumatischer oder verletzender Erfahrungen hart (wieder-)erringen müssen.

    Euch allen einen schönen und sonnigen Sonntag

    Andrea mit Lilly im Himmel und Rosa auf Erden und Beide im Herzen

  • Achja, so gehts mir auch immer. Gestern hat mich das Hundekind das erste mal geweckt, weil sie raus musste, wir waren aufgrund eines Konzertes die letzte Runde recht zeitig. Ähnlich wie deine kam sie mit Schwung ins Bett und schlabberte mir fröhlich durchs Gesicht. :D

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