Lia99 Aus welcher Ecke Deutschlands kommst du denn?
dass es sich normal anhört und ich Geduld mitbringen muss
Dass man mit Tierschutzhunden - egal ob Direktimport oder nicht - erstmal Geduld haben muss: ja, das ist normal.
Dass ein Direktimport-Hund aber 9+ Tage lang an ein und derselben Stelle klebt, unter sich pinkelt und kackt, DAS ist nicht normal!
Ich hab hier drei Auslandshunde sitzen. Eine Polin, einen Rumänen, eine Italienerin. Der Rumäne hat schon vor seinem Einzug bei mir 2 Jahre in DE gelebt, der ist in meine Wohnung reinspaziert und hat sich gleich wie zuhause gefühlt. Die Polin zog als 11-jährige bei mir ein; hat davor auch schon ein paar Jahre in Deutschland gelebt, sich die ersten 3 Tage bei mir aber trotzdem im Badezimmer "versteckt". Zum Gassi hab ich sie behutsam (!) rausführen müssen. In den folgenden zwei Wochen ist sie dann nach und nach immer mehr aufgetaut, aber richtig "angekommen" war sie irgendwie erst nach +-2 Jahren. Da fing sie dann nämlich auch mit Kuschelnwollen an.
Die Italienerin war ein Direktimport. Da waren die vermittelnden Leute aber vor Ort, haben die Hündin also auch persönlich kennenlernen und beurteilen können. Fazit: offene, in sich ruhende, freundliche Hündin. Hat halt noch nie in einer Wohnung/einem Haus gelegt, bis sie eben in Italien auf der Pflegestelle gelandet ist. Trotzdem hatte sie keine Angst, als sie zum ersten Mal in meinem Haus war oder so.
Was ich sagen will: dass gerade Hunde, die vorher noch nie in einem Haus o. Ä. gelebt haben, sich am Anfang damit schwer tun oder Zeit zum Auftauen brauchen - geschenkt. Ist normal. Was dein Hund aber macht, ist alles andere als normal, sondern ein absolut glasklares Zeichen für "Ich hab Todesangst". Hunde versuchen in aller Regel, nicht ihr "Nest", also ihren Schlafplatz, zu beschmutzen - wenn es geht, vermeiden sie es völlig in ihr Heim zu machen. Bei Dino (mein Rumäne) beinhält das auch den Garten: er pinkelt oder kackt da nur im absoluten Notfall. Dass Sirius wortwörtlich unter sich pinkelt, ist ein riesengroßes Alarmsignal.
Aber das ist eben schwer, wenn man keinen Garten hat und der Hund ständig unter sich macht. Das tut weh zu sehen.
Damit du erstmal nicht so viel putzen musst: Inkontinenzunterlagen. Kistenweise. Leg die auf den Teppich o. Ä., bis sich eine Lösung für Sirius gefunden hat, denn so wie es aktuell ist, ist es kein Zustand. Der Hund braucht Hilfe, und ich glaube, da bist du als Anfänger (leider) heillos überfordert. Das ist nicht mal böse gemeint - du merkst ja selbst, dass das irgendwie nicht so das ist, was du dir vorgestellt hast. Und dass das auch nicht das ist, was dir der Verein versprochen hat.
Er ist ein Schäfermischling, was genau alles drinnen ist kann man nicht sagen. Aber kein Herdenschutzhund, darüber wurde ich aufgeklärt. Sie vermitteln Herdenschutzhunde nicht an Wohnungen ohne Garten.
Meine Auslandshunde sind ebenfalls Schäferhundmischlinge. Alle drei. Der Rumäne und die Italienerin sind (laut Gentest) Kangal-Mixe - also Herdenschutzhund-Mischlinge. Der Italienerin sieht und merkt man das deutlich an, dem Rumänen nicht (sofort). Ohne den Gentest hätte ich z. B. niemals erfahren, dass der Dino zu 20% Kangal sein soll
Die Vereine können das auch nicht wissen, wenn sie nicht absolut sicher die Elterntiere und deren Rassen kennen - bei Masha, der Italienerin, wusste man auch nicht, dass sie mehr Kangal als Schäferhund ist.
Genau so ist es auch bei deinem Verein: wie wollen die bei einem fremden Hund wissen, was da an Rassen (nicht) drin steckt? Klar, Optik und Verhalten können einem viel sagen - wenn man weiß, worauf man achten muss. Und selbst dann sind es nur Einschätzungen, auf die man sich nicht zu 100% verlassen sollte.
Eins kann ich dir mit Sicherheit sagen: wenn's ein Hund aus Rumänien ist, ist die Chance sehr hoch, dass du da einen Herdenschutzhundmix sitzen hast. Das muss nun kein Kangal wie bei mir sein, das kann auch ein Carpatin, ein Kuvasz, irgendein bunt gemischter regionaler HSH-Schlag sein - aber dass da irgendwas herdenschutzhundartiges drin ist, davon kannst und solltest du eigentlich ausgehen. Gerade wenn's eh schon ein großer Hund ist.
So. Wie hilft man dir jetzt am ehesten? Dass die Situation sowohl für dich als auch für Sirius irgendwie ziemlich scheiße ist, merkst du ja selbst. Haben dir auch schon x Leute vor mir gesagt. Im Normalfall würd ich jetzt anbieten: "wenn du aus Berlin/Brandenburg kommst, komm ich gerne vorbei und wir gehen mal zusammen spazieren, dann guck ich mir den Hund an". Bringt ja aber nix, weil Sirius ja nix macht (außer unter sich). Besuch wär jetzt aktuell erstmal mehr Stress als unbedingt notwendig für ihn. Und du hast ja immerhin schon jemanden vom Verein, der mal vorbeikommen und sich das anschauen will. Wie hilfreich das ist ... hm, fraglich. Ich (!) würd auf die Karte erstmal wenig Hoffnung setzen.
Was ich dir mitgeben kann, sind Tipps zur Sicherung. Du sagst, Sirius hat ein Sicherheitsgeschirr an. Das ist schon mal gut. Hol dir unbedingt einen gut sitzenden Bauchgurt und eine dazu passende Sicherheitsleine. Den Bauchgurt machst du dir um, Sirius hängst du mit der Sicherheitsleine am Sicherheitsgeschirr an den Bauchgurt dran. Die Leine muss und sollte nicht super lang sein - 2 Meter reichen völlig. So. Damit führst du Sirius aber nicht - Sirius sollte auch ein gut und eng sitzendes Halsband tragen. Da hakst du eine Leine (ebenfalls 1-2 m lang) ein, und mit dieser Leine führst du Sirius. Ihr geht erstmal wirklich nur für Pipikacka raus. Sprich: keine langen Gassirunden. Logisch. Raus bis zur nächsten Grünfläche, auf der Sirius sich löst (wenn er das denn tut), und danach wieder rein.
Wenn Sirius sich draußen nicht löst, sondern wirklich nur drinnen auf dem Teppich oder den Inkontinenzunterlagen - dann nimmst du eine vollgepinkelte Inko-Unterlage eben mit raus, legst die auf die angepeilte Grünfläche und hoffst darauf, dass Sirius irgendwann rafft "aha, hier riechts nach meinen Hinterlassenschaften, hier darf und soll ich pinkeln - hier isses sicher genug dafür". Das kann dauern. Erwarte bitte nicht zu viel von ihm am Anfang, der Kerl ist absolut überfordert mit allem.
Lass das Sicherheitsgeschirr am besten auch in der Wohnung an Sirius dran. Dann sparst du euch beiden den Stress mit dem Geschirr an/aus ziehen. Das wird Sirius schon helfen - nicht viel, aber ein bisschen. Jedes Fitzelchen Stress weniger ist aktuell gut.
Und dann will ich dir noch etwas sehr, sehr wichtiges mit auf den Weg geben: einen Hund abgeben ist nicht gleichbedeutend mit aufgeben. Oft ist eine Abgabe das beste - für Hund UND Halter. Ich hatte mal eine Hündin, die (ähnlich wie Sirius) sehr wenig kannte, aber immerhin nicht mit Angst reagiert hat ... dafür mit Angriff. Da sie noch recht jung war, war das noch nicht soo super ernst, aber sie hat ihre Unsicherheit nach vorne umgesetzt. Sprich: andere Hunde, Menschen, Radfahrer, Tiere, alles was sich irgendwie bewegt hat, wurde verbellt. Ohne Leine wäre sie auch jedem möglichen Bewegungsreiz hinterher gejagt. Die war einfach VÖLLIG drüber. Die kannte im alten Zuhause wirklich nur den popeligen Hinterhof-Garten. Kein Gassi, keine Leine, kein Halsband, keine Wohnung, kein Haus - nix. Nur den schnöden Garten. Das 9 Monate lang - so alt war sie, als ich sie dann blauäugig gekauft habe.
Am Anfang gings gut. Mit Dino kam sie klar, alleine bleiben war scheinbar kein Thema, und das mit den Reizen draußen kriegen wir auch hin. Irgendwie. Hat bei Dino ja auch geklappt. Irgendwie.
Drei Wochen später: shit, der Hund kann auf einmal nicht mehr alleine bleiben. Maximal ungünstig, weil ich einen neuen Job angefangen hatte und den Hund nicht mitnehmen konnte. Mein Chef hat mir wenigstens zugestanden, dass ich den Hund im Auto lasse, bis ich eine Lösung gefunden habe.
Ende vom Lied: es hat nicht geklappt. Die Hündin war x Nummern zu groß für mich, was die Verhaltensauffälligkeiten anging, ich bin irgendwann aufm Zahnfleisch gegangen, weil die Hündin einfach permanent drüber war und ich vor allem weder die Finanzen noch die Ressourcen hatte, um die Probleme anzugehen. Schlussendlich hat auch mein Dino unter der Hündin gelitten; sie hat ihn mehrfach verletzt. Nicht bösartig! Aber es war blutig und sowas will ich in meinem Hundehaushalt nicht haben. Find mal ruckzuck einen guten Platz für eine junge, verhaltensauffällige Schäferhündin! Das geht nicht. Auch wenn sie noch so süß und verschmust und eigentlich ja lieb ist. Mir blieb am Ende nur, sie im Tierheim abzugeben, und selbst DAS war ein Drama in drei Akten, weil kein Tierheim im Umkreis von 200 km einen verhaltensauffälligen Junghund einer anspruchsvollen Rasse aufnehmen wollte. Es hat sich dann doch noch ein Platz gefunden und rund drei Monate später zog die Hündin in ein fantastisches Zuhause um.
Ich hab mich drei Monate lang mit dieser Hündin abgemüht. Einen Monat lang war das Leben mit dieser Hündin schön, die anderen zwei Monate waren einfach nur die Hölle, weil ich irgendwann aufm Zahnfleisch gegangen bin. Hätte ich nicht "aufgegeben" und die Hündin abgegeben - wir würden alle drei heute noch leiden. Nix anderes war das.
Wenn du dich dazu entscheidest, Sirius abzugeben, dann gibst du nicht auf, sondern gibst ihm eine Chance!
Eine Chance auf ein Zuhause, in dem er z. B. andere Hunde hat, an denen er sich orientieren kann.
Ein Zuhause, das nicht mit ihm überfordert ist (nochmal: das ist NICHT böse gemeint!).
Ein Zuhause, das damit leben kann, dass Sirius eben ein(e Art) Angsthund ist.
Ein Zuhause, das Sirius bestmöglich in den Alltag integriert und den Alltag so gestaltet, dass Sirius damit kein Problem hat.
Und in Sirius' Fall wär das wahrscheinlich (für den Anfang) eine kleine, souveräne Hundegruppe, die ihm zeigt, wie in Deutschland der Alltag mit Mensch aussieht.
Ich wünsche dir sehr, dass sich für dich und Sirius eine vernünftige Lösung findet - und dass der Verein sich nicht als völlig inkompetent herausstellt.