Beiträge von Montagsmodell

    Ich erlaube auf dem Weg nach draußen kein Ziehen oder Aufregung


    Dazu hätte ich eine Frage: Wie genau macht man das denn, keine Aufregung zu erlauben? Ich meine, Leinenführigkeit ist das eine. Aber Aufregung ist doch ein innerer Zustand, und mir ist nicht ganz klar wie man Aufregung erlauben oder verbieten könnte, genauso wenig wie man meinetwegen Angst erlauben oder verbieten kann? :???:

    du hast absolut recht damit, dass du mehr schaden als nützen würdest, wenn der Hund durch deine Angst verunsichert wird.

    Das würde ich genau so unterschreiben. Hier geht es um eine schlichte Abwägung, was das geringere Übel ist.


    Generell hab ich so ein leises Problem mit dem Begriff "vermenschlichen" in Bezug auf Emotionen. Hunde und Menschen harmonieren vor allem deshalb schon so lange so gut, weil wir uns emotional wie auch im Aufbau unserer Sozialstrukturen doch sehr ähnlich sind. Und seit es möglich ist, bei Menschen wie Hunden durch durch die bildgebenden Verfahren dem Gehirn auch im Wachzustand ein wenig bei der Arbeit zuzusehen, und unser Wissen um hormonelle Vorgänge drastisch angestiegen ist, hat sich gezeigt: Wir sind uns noch viel ähnlicher, als man früher gedacht hat.


    Ein besonders schönes Beispiel dafür finde ich etwas, das wohl keinen Hundehalter überrascht haben dürfte, aber die Wissenschaft schon: Der Augenkontakt. Bei den weitaus meisten Tieren ist ein längerer Augenkontakt schlicht eines: Eine Drohung. Menschen sind da anders, wir können zwar per Blick drohen (sieht man vor Boxkämpfen), aber wir schauen uns auch lange tief in die Augen wenn wir uns mögen. Und dabei wird messbar ein Bindungshormon ausgeschüttet. Genau die gleiche Wirkung hat es auf uns, wenn wir unserem Hund innig in die Augen blicken. Und, was der wohl spannendste Teil ist: Das gleiche passiert im Hund! Auch dieser schüttet beim intensiven Blickkontakt mit seinem Bezugsmenschen reichlich Oxytocin aus. Man könnte also ganz salopp sagen: Wir vermenschlichen den Hund nicht, sondern seine Geschichte hat ihn tatsächlich vermenschlicht!


    Mittlerweile haben sich auch etliche Forscher dieses Themas angenommen. Zum Beispiel im "Family Dog Project" wird ganz viel dazu untersucht; besonders interessant deshalb, weil die eben nicht mehr oder weniger steril aufgezogene Laborhunde dafür benutzen. Sondern davon ausgehen, das "natürliche" Lebensumfeld des Haushundes ist in der Nähe seines Menschen, also sollte man auch Hunde untersuchen die mit ihren Menschen leben. Und was sie da alles herausgefunden haben ist hoch spannend. Unter anderem gehört da auch die Wichtigkeit dazu, die die soziale Unterstützung durch ihre Bezugspersonen für Hunde hat.


    So gesehen: Es kann durchaus richtig sein, lieber den Raum zu verlassen. Nämlich wenn man keine Unterstüztung sein könnte, sondern nur ein weiterer Stressfaktor wäre. Daraus würde ich aber nicht ableiten, dass man Hunde vermenschlicht wenn man sagt, sie würden von der Unterstützung durch ihren vertrauten Menschen (was in eurem Fall wohl durch die Familie gegeben war) profitieren. Und umgekehrt diese Unterstützung nicht vermissen, wenn sie ihnen vorenthalten wird. Ob ein Hund das nun exakt so empfindet wie ich? Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht mal, ob andere Menschen das so empfinden wie ich. Auch darüber kann ich nur spekulieren. Sicher gehe ich nur davon aus, dass der Hund es nicht so in Worte fassen würde wie ich. Aber Gefühle? Bei einem Lebewesen, dessen Gehirn da so sehr änlich aufgebaut ist wie meines, und bei dem die gleichen Hormone genau die gleiche Wirkung zeigen wie bei mir? :???:

    Wenn ich allerdings wüsste dass es dadurch zu Behinderung kommen würde würde ich das nicht machen.

    Ich finde, das trifft es nicht ganz. Es geht nämlich in sehr, sehr vielen Fällen m.E. nicht darum, ob es dadurch zu Behinderungen kommt, sondern wie sehr. Nehmen wir die Schlappohren, da macht das hier absolut Sinn:

    Also rein theoretisch ist es nur logisch wenn ein Schlappohrhund weniger gut hören kann wie ein Stehohrhund. Immerhin hängt da vor dem Ohreingang ein dicker Hautlappen vor, der dämpft.

    Und so fein, wie ein Hund mit Stehohren kommunizieren kann, geht das mit Schlappohren einfach nicht. Und zwar je "schlappohriger", desto weniger. Ähnliches trifft aber auch auf viele andere Körpermerkmale zu. Sandor kann keine Bürste stellen, das gibt sein Fell einfach nicht her - und die Mimik wird dadurch auch stellenweise überdeckt. Eine richtige Ringelrute kann auch nicht annähernd so viel ausdrücken wie eine Säbelrute. Ein stelzbeiniger Chowchow hat nicht die besten Möglichkeiten, über sein Gangwerk etwas auszudrücken, genau wie eine Bulldogge. Ein Bloodhound ist gezielt so gezüchtet, dass weder Seh- noch Hörvermögen sonderlich toll ausgebildet sind - der soll sich voll auf den Geruch konzentrieren! Kurz gesagt, ich denke die meisten Hunderassen sind auf die eine oder andere Art eingeschränkt. Die Frage lautet doch also eher, wie viel davon ist vertretbar ohne dass die Lebensqualität darunter leidet?

    Die einen sehen hinter einem "hinter dem Herrchen gehen", Dominanz oder Kontrolle und die anderen sehen dahinter simples Training welches auch in einer Notsituation sehr hilfreich sein kann, wenn der Hund diese beherrscht.

    Es stimmt schon, da interpretiert man schnell allein vom Bild her viel herein. Weshalb man da ein wenig vorsichtig mit schnellen Verurteilungen sein sollte.


    Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Wege, die zu diesem Verhalten führen, und viele Grundhaltungen des Menschen dahinter - und beides hat einen wesentlichen Einfluss darauf, wie ein Hund so etwas wahrnimmt und wie es sich auf ihn auswirkt. Auch das sollte man nicht unterschätzen.


    Bleiben wir doch bei dem Beispiel "hinter dem Menschen gehen". Der eine sieht das vielleicht als nützliche Sache an engen, unübersichtlichen Stellen. Folglich möchte er es seinem Hund antrainieren, überlegt sich eine Methode und entscheidet sich meinetwegen für "Kekse in die eigene Spur werfen". (Nicht, dass ich diese Methode nun besonders hervorheben möchte - ist nur ein Beispiel.) Dann packt er ein Signal drauf, und voila, Verhalten "Hund läuft hinter dem Menschen" ist fertig.


    Nun kommt der andere. Der findet es wichtig, weil schließlich der Alpha immer vorn zu gehen hat. (Was so per se schon nicht ganz richtig ist - ist aber noch weit verbreitet.) Also wird der Hund, wann immer er nur eine Nase am Menschen vorbei steckt, sofort vehement geblockt, vielleicht auch eingeschüchtert. Bis der Hund sich nicht mehr traut, diese Linie zu überschreiten. Und voila, Verhalten "Hund läuft hinter dem Menschen" ist fertig.


    Man kann und sollte von einer Momentaufnahme also nicht unbedingt darauf schließen wollen, wie das entstanden ist. Aber umgekehrt kann und sollte man auch nicht vernachlässigen, dass ein ähnliches Verhalten - ich schreibe jetzt nicht "gleiches", weil die Körpersprache des Hundes eine andere sein dürfte, und ganz bestimmt die inneren Vorgänge beim Hund andere sind - immer auch gleich zu bewerten ist. Um ein ganz deutliches Beispiel dafür zu bringen: Sandor hat per Clicker den Trick "Fauli" gelernt, bei dem er sich auf den Rücken rollt und die Hinterbeine auseinander klappt. Was sehr ähnlich aussieht, aber doch ganz was anderes ist als ein Hund, der seinen "Alphamenschen" kommen sieht und sich vorsichtshalber auf den Rücken schmeißt.

    Ich glaube, das hier

    Ich hatte die zu diesem Zeitpunkt gar nicht wirklich unter Kontrolle. Die haben alle gemacht, was sie immer machen... ihr Ding... bloß ist das halt unauffällig...

    bringt einen sehr wichtigen Aspekt auf den Punkt: Wie viel Kontrolle braucht es wirklich? Und vor allem, wo macht Kontrolle Sinn - und wo wäre es genauso gut möglich, eher an der Kernmotivation des Hundes zu "drehen"?


    Mir ist durchaus klar, dass zumindest bei den meisten schwierigen Themen ein Stück weit beides nötig ist. Aber auch da kann man den Schwerpunkt setzen. Mit Pünktchen, Glenny und Kaya ging es mir dabei so wie hier beschrieben: Kontrolle war nahezu immer unnötig, weil die Hunde einfach von sich aus sehr in sich gefestigt waren. Was es an Situationskontrolle gebraucht hat konnten wir durch positiv auftrainierte Signale locker lösen. (Zugegeben, bei Pünktchen musste ich diesen Weg erst finden; Glenny und Kaya haben da von Anfang an davon profitiert.) Dabei war mir schon beim Aufbau der Übungen immer wichtig, meine Hunde selbst rausfinden zu lassen, dass sie durch die Befolgung der Signale nur gewinnen konnten - also schon "Kontrolle", aber aufgebaut auf ein freiwilliges Lernen.


    Bei Sandor ist nun notgedrungen ein hohes Maß an Kontrolle von außen nötig, einfach weil seine Fähigkeit zur Selbstkontrolle nicht ausreichend entwickelt ist, und trotz aller Übung auch nie sein wird. Aber auch da kann man den Schwerpunkt so oder so setzen. Standardsituation: Ein fremder Hund kommt frontal auf uns zu. Natürlich muss ich hier Kontrolle ausüben, damit Sandor nicht kopflos auf diesen losgeht. Das ist die eine Seite. Aber auf der anderen Seite steht natürlich die Bedürfnisfrage: Weshalb handelt er so, welches Bedürfnis steht dahinter? Entsprechend fand und finde ich neben der nötigen Kontrolle sogar noch viel wichtiger, ihm generell zu vermitteln dass lange nicht alle anderen Hunde eine Gefahr darstellen. Und quasi "mitten drin" zwischen Kontrolle und Bedürfnis, ihm ein Alternativverhalten aufzuzeigen das seinem Grundbedürfnis entspricht. In unserem Beispiel ein Wechsel der Straßenseite: Anfangs natürlich per Kontrolle, weil er schlicht von sich aus nicht in der Lage gewesen wäre, dieses Verhalten zu zeigen, und ein akuter Handlungszwang bestand. Mittlerweile hat er das so verinnerlicht - und zwar nicht als von mir durchgesetzte Regel, sondern durch Verknüpfung mit seiner inneren Erleichterung - dass er mir von sich aus signalisiert, wann er lieber auf die andere Seite wechseln möchte. Und eher in Stress gerät, wenn ich ihm das etwa aufgrund eine heranfahrenden Autos nicht gleich ermöglichen kann. Auf diese Art war die anfängliche Kontrolle also kein Selbstzweck, sondern nur ein Schritt auf dem Weg zum Erlernen einer auch selbstbestimmt anwendbaren Strategie.


    Und genau das ist etwas, was mir bei sehr vielen Hundehaltern, die den Kontrollaspekt betonen, leider ein Stück weit fehlt. Kontrolle ist oft nötig, allein schon um den Hund vor der Umwelt und die Umwelt vor dem Hund zu schützen. Aber ich finde, man sollte möglichst wenig an diesem Punkt stehen bleiben, und die Kontrolle nur dort als Dauerzustand akzeptieren, wo es anders nicht lösbar ist. Ansonsten sollte sie ein nötiger Zwischenschritt sein. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

    deshalb bin ich nicht der Meinung, dass das Qualzuchtrelevant ist

    Nur um das zu relativieren: Ich finde es bei den meisten Hunden auch nicht qualzuchtrelevant. (Von extremen Ausnahmen wie beispielsweise dem englischen Basset mal abgesehen - aber der wäre auch ohne diese extremen Ohren hoch problematisch.) Mir geht es dabei mehr darum, wieso manches als so sehr problematisch wahrgenommen wird und anderes als selbstverständlich.

    Ja, mit der Überschrift hat das viel zu tun. Und auch mit der allgemeinen Frage dazu, wen oder was will ich kontrollieren: Den Hund, die Situation? Immer, oder nach Bedarf? Und natürlich klingelt da immer auch im Hinterkopf die Sache mit all dem "du musst immer Chef sein", das im Alltag noch viel verbreiteter zu hören ist als man sich wünschen würde.


    Die meisten wünschen sich wohl, ihre Situation unter Kontrolle zu haben. Das ist ein völlig normales Grundbedürfnis, und sogar ein ziemlich wesentliches. Auch wenn wir gelernt haben damit zu leben, dass das meist nur eingeschränkt möglich ist. Aber gerade weil das so wichtig ist für das innere Wohlbefinden finde ich es schlimm, wenn Menschen sich diese Sicherheit in Zusammenhang mit ihrem Hund damit erkaufen wollen, dass sie den Hund ständig unter Kontrolle haben. Denn wenn ich diese Kontrolle über den Hund so komplett übernehme, dann nehme ich sie gleichzeitig diesem weg. Oder anders gesagt, um sich selbst das schlimme Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben, komplett zu ersparen, wird es statt dessen dem Hund zugemutet. Und so kommt es dann zu den im TV zu bewundernden Bildern, wie ein glücklich grinsender Mexikaner auf die Kamera zuläuft, und hinter ihm eine Gruppe Hunde die keinerlei Regung mehr zu zeigen wagen...

    Aber ich weiss natürlich, dass die Ausprägung, also wie viel Führung so ein Hund braucht, von vielen Faktoren abhängt.


    Ist Führung denn aber das gleiche wie Kontrolle? Mein Krümeltier ist ja enorm schnell mit allem möglichen überfordert, ganz anders als meine vorigen Hunde. Er braucht also eine Menge Führung, in so ziemlich jeder Situation. Das hat aber mehr was mit Anleitung zu tun, mit vielen Sicherheit gebenden ritualisierten Abläufen - Kontrolle ist in meinen Augen schon was anderes. :???:

    Da kenn ich zig Mal mehr Tiere, die bitten, betteln, sich aufdrängen müssen - eben weil die Bedürfnisse ansonsten nicht erfüllt werden. Oder sie geben eben auf. Oder stehen ständig auf Hab-Acht weil der Halter ja jetzt vielleicht demnächst mal sehen Zuwendung austeilen könnte. Und dadurch wirken sie hibbelig, unruhig und als bräuchten sie noch mehr Kontrolle.

    Eben! Ist doch bei Kindern genauso: Wer glaubt, nicht gehört zu werden, fängt an immer mehr zu brüllen. Mich haben in den Kindergruppen schon etliche Eltern gefragt, wieso es bei uns in der Gruppe so leise zugeht. Na ganz einfach: Weil keiner laut werden muss, um sich Gehör zu verschaffen. Selbst die Zweijährigen wissen schon, manchmal muss man zwar einen Moment warten ("wenn ich einmal acht Arme habe wie ein Krake, dann geht es schneller!" :D ), manchmal heißt es auch "leider nein", aber sie werden immer gehört.


    Und genau so handhabe ich das mit meinem Hund auch. Er wird immer gehört, auch wenn die Antwort manchmal eben "nein" heißt. Bzw. wenn er mir signalisiert, dass er etwas nicht möchte, wird das meistens respektiert, aber manchmal gibt es halt auch die Antwort "sorry, muss aber sein". Und interessanterweise akzeptiert er das dann auch problemlos. Vielleicht ja gerade weil er weiß, dass er üblicherweise ein Mitspracherecht hat? Er hat jedenfalls nicht gelernt, dass er sich massiv ausdrücken muss damit der blöde Mensch es kapiert, also kann er es sich leisten die "leisen Töne" zu wählen. (Zumindest im bewussten Umgang mit mir, wenn er austickt weil er reizgeflutet ist sieht das noch mal anders aus.)


    Was ich dabei viel wichtiger finde ist Klarheit. Also nicht erst ja sagen und dann doch verbieten, und nicht erst nein sagen und dann doch erlauben weil der Hund so nervt. Sondern sich eben überlegen, wo ich bereit bin zu verhandeln und wo eben nicht. Bei uns hat das zu dem Ergebnis geführt, dass Sandor (mittlerweile!) unbeschwert nachfragt, wann immer er ein Bedürfnis oder auch nur Interesse hat. Und zwar fragt er in durchaus subtiler, höflicher Form. Und er weiß, sehr oft komme ich seinen Anfragen dann auch nach: Es ist nicht nötig da fordernd zu werden. Wenn ich aber ablehne, dann weiß er genauso, es bleibt dabei: Es ist sinnlos da fordernd zu werden.



    Einen sehr interessanten Aspekt dabei finde ich übrigens, wie sehr diese Grundstimmung sich auch überträgt. Denn umgekehrt, wenn ich ihn zu irgendwas auffordere, muss ich genauso wenig laut oder fordernd werden. Sondern kann ebenso entspannt einfach anfragen, und er reagiert darauf. Das scheint sich schlicht als unsere gemeinsame "Gesprächskultur" etabliert zu haben. (Und mit meinen anderen Hunden war das ähnlich. Dabei ist es ja nun nicht so, als wären Terrier für ihre leise und zarte Art bekannt...)