Also, mit Arbeitslinie kann ich natürlich nicht dienen. Aber mit einem ruckzuck reizgefluteten Hund, der mit Artgenossen in den allermeisten Fällen massive Probleme hat, ja, das hab ich hier. Und nebenher sogar einer, der bei zu viel Stress abends Krampfanfälle bekommt, richtiges dosieren ist also unerlässlich. So viel nur als kurzer Hintergrund.
Und auf dieser Basis kann ich dir sagen: Nur runterfahren ist eine mögliche Erstmaßnahme über kurze Zeit (maximal zwei Wochen), danach wird das zu einem eigenen Problem. Im Prinzip lautet deine Aufgabe, die gesamten Elemente erst einmal getrennt zu analysieren: Wie viel geistige Anregung braucht dein Hund, um zufrieden zu sein aber nicht überfordert? Und welche Art? Wie viele Reize verträgt sie, welche davon triggern sie wie stark? Wie viel Bewegung braucht sie, wann dreht sie über? Welche Art von Bewegung tut ihr gut? Auch das Futter spielt übrigens eine oft unterschätzte Rolle! (Mein Terrorterrier darf nie völlig "leer" sein, und verträgt definitiv nicht zu viel Eiweiß und Fett. Beachte ich das nicht, merke ich das auch am Verhalten!)
Hat man all das sortiert, empfiehlt es sich einen Wochenplan zu basteln. Wie viel Bewegung, wie viel geistigen Input, wie viel Außenreize etc. braucht es, wie viel geht maximal? Und dafür müssen dann Wege gefunden werden, das umzusetzen. Bei den meisten Hunden geht das alles völlig unverkrampft auf einem Spaziergang; bei eher speziellen Hunden halt nicht. In unserem Fall lief es zum Beispiel darauf hinaus, abends immer ca. 10 Minuten zu clickern oder ähnliches, an Spaziergängen die immer gleichen entspannten kleinen Runden zu laufen, und dafür 2-3 mal pro Woche auf dem Hundeplatz sowohl im klassischen Sinne zu "arbeiten" wie auch Freispielrunden einzulegen. (Garten geht da natürlich genauso, der Kernpunkt war ein zwar freier, aber als Sicherheitszone wahrgenommener Raum.) Und nicht vergessen, das ist alles nicht in Stein gemeißelt, sondern verändert sich immer mal wieder. Wenn man es richtig macht dahingehend, dass immer mehr möglich wird.
Das alles erfordert aber eine Menge Reflektieren, Analysieren, und natürlich Ausdauer. Dass es sich lohnt zeigt mir mein Problemfellchen jeden Tag wieder. Aber eines muss man dafür bereit sein zu tun: Sich von der Idee verabschieden, dass es mit ein wenig Erziehung schon getan ist, und man innerhalb kurzer Zeit einen völlig normalen Alltagsbegleiter hat. Vielmehr kann man sich zwar über kurz oder lang einen brauchbaren Alltag schaffen - aber nur mit enstprechendem Management und entsprechender Anpassung. Und vor allem ganz viel Empathie für die oft einander widersprechenden Bedürfnisse des Hundes, die er selbst und ohne Hilfe nicht in Balance bekommt.