Mal ganz allgemein gesprochen: Es kann mehrere Ursachen geben, weshalb ein Hund völlig überdreht. Ein ausgeglichener Hund hat eine gute Balance zwischen "Gas und Bremse", und kann vor allem zwischen beidem problemlos wechseln. Es gibt aber auch Hunde, bei denen das nicht richtig funktioniert. Dabei werden dann diejenigen, die bildlich gesprochen immer auf der Bremse stehen und kaum Gas haben, von den Haltern meist nicht als Problem wahrgenommen. (Eine Ausnahme bilden dabei Hundehalter, die mit ihren Hunden in irgendeiner Form arbeiten wollen, sei es beruflich oder sportlich. Da kann es schon auch für den Halter zum Thema werden, wenn der Hund seinen "Anschalter" nicht findet. Wie es für die Hunde aussieht, das steht auf einem anderen Blatt.) Hunde dagegen, die nur Gas kennen und den Ausschalter dafür nicht finden, die werden - wie im Fall hier - durchaus als Problem gesehen. Fragt sich: Wieso schaffen diese Hunde das nicht?
Zum Teil ist das natürlich genetisch. Sei es per Rasse oder per Individuum, manche drehen einfach schon im Grundsatz höher als andere. Daran kann man als Halter erst mal nicht viel machen, außer durch "Augen auf beim Hundekauf".
Der nächste wichtige Schritt ist, dass gerade entsprechend veranlagte Hunde (aber natürlich auch alle anderen) als Welpe lernen, ihren Energielevel zu steuern. Junge Welpen auf ersten Entdeckertouren kennen zunächst nur "an" und "aus": Entweder sie geben Vollgas, oder sie kippen um und schlafen. Die feinere und vor allem bewusstere Steuerung müsen sie erst lernen.
Später wird dann wichtig, wie der Alltag des Hundes gestaltet ist. Bekommt der Hund keine richtigen Ruhephasen, kann er wahrgenommenes nicht richtig verarbeiten und entsprechend abspeichern. Das führt dazu, dass sich seine Eindrücke alle in der Zwischenablage stapeln, bis es dort aussieht wie in einem Messiehaushalt und der Hund damit nicht mehr klarkommt. Das wieder ordentlich aufzuräumen dauert eine Weile und muss Schritt für Schritt gemacht werden. Wobei klar ist, dass man am Anfang kaum einen richtigen Fortschritt sieht, das kommt erst mit zunehmender Ordnung.
Zu einem ähnlichen Effekt kommt es auch, wenn zu viele Eindrücke und Reize auf den Hund einprasseln, also dauerhaft mehr, als er verarbeiten kann. Auch hier wieder bietet sich der Vergleich mit der Ablage an: Wenn jeden Tag mehr Zettel reinkommen als man abheften kann, dann läuft die Ablage irgendwann im Chaos über.
Ein weiterer Faktor, weshalb ein Hund zu sehr hochdreht, kann aber auch sein, dass er zu wenig Gelegenheit bekommt, seine Energie - körperlich wie geistig - auf eine sinnvolle Art auszuleben. Und da muss man beim Hund genauso trennen wie beim Menschen: Auch hier käme ja niemand auf die Idee, Job und Ausgleichssport in einen Topf zu werfen! Hat ein Hund also zu wenig Gelegenheit, sich seinen Bedürfnissen entsprechend auszuleben, dann sammelt sich die angestaute Energie wie der Dampf im Kessel, und irgendwann pfeift es nur noch.
So weit die häufigsten Faktoren. Bei den vielen auffälligen Hunden ist es dabei nur einer oder zwei, und entsprechend kann man das relativ gut in den Griff bekommen. Es gibt aber auch andere, bei denen praktisch jeder einzelne Punkt zutrifft. (So ein Exemplar hab ich hier daheim, und weiß von daher wie viel Management, Einfühlungsvermögen und Geduld es braucht, um das auf die Reihe zu bekommen!)
Nehmen wir nun den Fall hier: In wie weit die Genetik mitspielt lässt sich nur schwer sagen. Allerdings legt die körperliche Problematik nahe, dass es da ein Thema geben könnte, auf jeden Fall ist die allgemeine Rassedisposition schon ein Faktor.
Ob der Hund es als Welpe gelernt hat, zwischen Gas und Bremse zu wechseln, das darf bei dem, wie der Züchter und seine Ansichten geschildert werden, bezweifelt werden. Und ich vermute ins Blaue, dass ein unerfahrener Hundehalter auch nicht gleich passend versuchen konnte, es wenigstens ein Stück weit noch nachzuholen. (Die meisten Hundehalter gucken zwar darauf, was im "Gasmodus" passiert, viele auch auf die "Bremse-", sprich Ruhe- und Kuschelzeiten; aber dem guten Übergang zwischen beidem widmen nur die wenigsten Aufmerksamkeit.)
Nach der Schilderung im Eingangsbeitrag zu urteilen sind die Ruhezeiten nicht wirklich angemessen, zumindest von der Qualität der Ruhe nicht. Und ebenso scheinen zu viele Reize einzuwirken, zumindest klingt es so. Wobei man auch nicht immer sagen kann, dass "Natur" für den Hund notwendigerweise reizarm ist! Je nach dem, was den Hund triggert, können auch die vielen (Wild-)Gerüche, Bewegungen von Kleintieren etc. extrem aufregend wirken. Wichtig zu wissen wäre in diesem Zusammenhang hier auch, wie geregelt der Tagesablauf üblicherweise ist. Denn auch eine unklare Erwartungshaltung im Sinne von "es könnte jederzeit was passieren" sorgt dafür, dass der Hund permanent eine innere Grundspannung aufrecht erhält.
Und was den Rest angeht, da ist zumindest zur Zeit auch der "Ausgleichssport" körperlich wie geistig nicht ansatzweise ausreichend gegeben. Womit praktisch jeder einzelne Punkt zum Gesamtproblem beiträgt.
Die Frage lautet also nun: Was kannst du jeweils tun, um in den einzelnen Bereichen für eine bessere Balance zu sorgen? Der Ansatz der Trainerin zielt, wenn das was du hier schreibst wirklich alles ist, vor allem auf den Punkt Reduzierung des Reizinputs ab. Völlig in Ordnung, aber eben nur ein einzelner Baustein. Und vor allem, wenn es der einzige bleibt und auf diese Art durchgezogen wird, wird dadurch umgekehrt der Baustein "Ausgleichssport" eher noch verschlimmert. Deshalb müsstest du dir nun Gedanken machen, wie du gleichzeitig die Reizmenge reduzieren und deinem Hund trotzdem ein körperliches und geistiges Auspowern ermöglichen kannst. In diesem Rahmen geht es dann im weiteren darum, deinem Hund zunehmend Kompetenz darin zu vermitteln, von selbst zwischen Ruhe und Aktivität zu wechseln. Und vor allem: Selbst nicht die Geduld zu verlieren, wenn am Anfang die Fortschritte nur winzig sind. Die gute Nachricht dabei ist nämlich, je weiter man kommt desto schneller geht es voran!