Mir geht ehrlich gesagt dieser Generalvorwurf nicht so ganz aus dem Kopf, beim Sport würden die Hunde in ihrer Persönlichkeit negiert und zum Funktionsgegenstand für den eigenen Ehrgeiz gemacht. Ich finde es ja wichtig, sich auch mit solchen Vorwürfen auseinander zu setzen und zu überprüfen, ob da nicht was dran sein könnte - nicht, dass dem Hund durch eigene blinde Flecken unabsichtlich Schaden zugefügt wird.
Deshalb bin ich jetzt mal ganz tief in mich gegangen und hab versucht zu ergründen, ab welcher Stelle das denn der Fall ist? Und vielleicht mag Morelka mir da ja beim Denken helfen? Immerhin heißen blinde Flecken nicht umsonst so!
Also, ich hab bei Sandor von Anfang an darauf geachtet, dass er alles möglichst positiv lernt. Egal ob Alltag oder Training, immer unter besonderer Berücksichtigung seiner speziellen Defizite in Gesundheit und Psyche. Wir haben gespielt und geclickert, ich hab mir sehr viele Gedanken dazu gemacht wieso er sich jeweils verhält wie er es gerade tut, und wie ich ihm Stress nehmen kann den er durch zu viele Reize hat. Entsprechend war ich von Anfang an auch sehr genau in meinen Definitionen, was ich womit genau meine. Ein Platz war also nur ein Platz, wenn es in gerader Shpinxhaltung war, alles andere war ein "leg dich"; ein Fuß nur dann, wenn er gerade, motiviert und mit Blickkontakt gemeinsam mit mir gelaufen ist, alles andere ein "zu mir". Dafür kamen die genauen Übungen auch nur in mindestens ablenkungsarmer, besser nahezu ablenkungsfreier Umgebung dran, und immer hoch belohnt. Ist das schon der übertriebene Ehrgeiz, oder noch eine sinnvolle Art einen unsicheren Hund zu fördern?
Später dann hab ich mit ihm weiter trainiert, obwohl ich davon ausgegangen bin dass das immer nur auf dem Hundeplatz vor oder nach den Gruppen stattfinden kann, wenn er komplett seine Ruhe hat. Trotzdem bin ich dabei gleichermaßen motivierend wie genau geblieben, ich hatte halt den Eindruck dass die damit verbundenen Erfolgserlebnisse und die Anerkennung auch seinem Selbstbewusstsein echt gut tun - von der motorischen Förderung mal ganz abgesehen. Und für uns beide war es ein Highlight, ohne die in Sandors Augen "bedrohliche Umwelt" einfach miteinander Spaß und auch gemeinsame Erfolge durch gelöste Aufgaben zu haben. War das der Punkt, an dem es übertrieben und nicht mehr hundgerecht wurde, weil hat schon strukturiertes Training?
Dann war er so weit, dass ich ihn auch unter guten Bedingungen in Gruppen integrieren konnte, es gab nun also "Zuschauer", Leute die einen Kommentar abgegeben haben. Für Sandor eine erhöhte Schwierigkeit, die er zunehmend gelernt hat zu meistern; parallel dazu habe ich gemerkt, dass er auch draußen immer sicherer wurde. Aber ich gestehe, ich hab den wiedergewonnenen Austausch auch über Sandors Training sehr genossen, und es hat auch meiner Motivation und meinem Ego total gut getan ein wenig Zuspruch zu bekommen. Ok, ehrlich gesagt hab ich mich über Kommentare wie "das hätte ich diesem Hund niemals zugetraut!" gefreut wie ein Schneekönig. War es das was gemeint ist damit, dass der Hund nur noch fürs eigene Ego da ist?
Mittlerweile, der Krümel wird im Dezember schon zehn, ist er so weit dass er selbst unter viel Ablenkung, wenn es nicht gar zu heftig wird, gerne mitarbeitet. Ich habe immer das Gefühl, es fällt ihm auch leichter sich schwierigen Umständen zu stellen wenn er eine konkrete Aufgabe hat, in der er sich sicher fühlt und wo er schon ganz viel Erfolg erlebt hat. Nachdem ich nun in den letzten Wochen ganz oft gesehen habe, wie er mit diversen neuen Situationen, die ihn früher richtig gestresst haben, prima klarkommt, hab ich nun beschlossen: Wir wagen es und gehen auf Rally-O Prüfungen. Denn das, was da von der Aufgabenstellung her gefragt ist, beherrscht er schon seit Jahren völlig souverän, mit dem "Drumherum" kommt er mittlerweile offenbar auch klar - und ich hab über die Jahre mit ihm diese Turnier- oder Seminartage ehrlich gesagt so vermisst... Ist es jetzt also so weit, dass mein Krümel kein eigenes Leben mehr hat, weil ja dann "Prüfung/Turnier" drauf steht?
Wie gesagt, bei den Extremen ist es immer leicht was zu sagen. Wenn jemand mit seinem Hund rein gar nix macht außer ihn auf dem Hof laufen zu lassen, dann steht natürlich keinerlei Ehrgeiz dahinter. Wenn jemand sich den Hund speziell für den Sport holt, im Zwinger aufbewahrt und nur zwecks Training oder Prüfung rausholt, und "entsorgt" wenn er nicht taugt, dann ist der Fall auch klar. Aber wo dazwischen liegt die Grenzlinie?