Beiträge von Marabea

    Der Sitte gemäß habe ich heute, am Tag des Buches, drei Bücher gekauft zum Verschenken: eins davon habe ich mir selbst geschenkt. Obgleich am heutigen Tag ebenfalls der Todestag von W. Shakespeare ist, bin ich doch bei einer amerikanischen Autorin geblieben (Elizabeth Strout).

    Was ist ein Ehrennürger? Ehrenbürger? Ehrenwürger? :ka:

    „Ach, Jahre ist das schon her, da lebte ein Pastor mit seiner kleinen Tochter in einer Stadt am Sabbanock River, oben im Norden, wo der Fluss noch schmal ist und die Winter sich damals endlos hinzogen. Der Pastor hieß Tyler Caskey, und eine Weile wurde seine Geschichte flussauf und flussab und hinüber bis an die Küste erzählt, in so vielen Varianten, dass sie ihre ursprüngliche Schlagkraft verlor, und natürlich tat auch das Vergehen der Zeit das seine dazu. Aber ein paar Leute soll es in West Annett noch geben, die sich deutlich an die Ereignisse jener winterlichen letzten Monate des Jahres 1959 erinnern. Und wer nur geduldig genug nachfragt und seine Neugier entsprechend zügelt, der bringt sie wahrscheinlich dazu, ihm ihre Version zu erzählen; wie verlässlich sie ist, steht dann wieder auf einem anderen Blatt.“


    Elizabeth Strout: Bleib bei mir.

    Nr. 3: Lies das Buch, das der Hund „ausgesucht hat“:

    Elizabeth Strout: Bleib bei mir / Note: 1


    Ein tiefgehendes Buch, das in beeindruckender Erzählweise das Leben in der amerikanischen Kleinstadt West Annett Ende der 50-er Jahre darlegt, deren junger Pastor mehr und mehr in eine existenzielle und spirituelle Krise gerät... Weiteres zum Roman im Leserattenthread.

    WeisseSchwalbe : Für das von dir erwähnte Buch „Mit Blick aufs Meer“ hat Elizabeth Strout ja den Pulitzerpreis bekommen. Es ist auch auf der „Zu-Kaufen-Liste“ bei mir. Ihre Romane sind schon etwas Besonderes, so habe ich gelesen. Es geht mehr um Einzelschicksale, feine Beschreibungen von Persönlichkeiten, Beziehungsanalysen, innere Kämpfe bzw. Entwicklungen der Protagonisten. Viel Handlung und „Action“ sucht man wohl vergeblich, vermute ich. Erst, wenn ich weitere Bücher von ihr gelesen habe, werde ich Genaueres wissen.
    abraxas61 : Der Name von Anne Tyler ist mir noch nicht begegnet. Ich werde mal recherchieren...

    Ich bin begeistert von meinem Zufallsfund: „Bleib bei mir (Abide with me)“ von Elizabeth Strout! Bisher hatte ich noch nichts gelesen von dieser feinfühligen, exzellenten Autorin und Pulitzer-Preisträgerin, die das (amerikanische) Kleinstadtleben mit allen Facetten meisterhaft beschreiben kann.

    Der Titel des Romans bezieht sich auf den gleichnamigen bekannten Kirchenhymnus (im Spoiler die übersetzte 1. und 2. Strophe) , der für den seit kurzem verwitweten jungen Pastor Tyler Caskey eine ebenso besondere Bedeutung hat wie das Leben und die Schriften des lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der im April 1945 von den Nazis ermordet wurde.

    Die Erzählweise der Autorin ermöglicht dem Leser eine intensive Begegnung mit dem Protagonisten, seiner Lebens- und Glaubenskrise nach dem Krebstod seiner jungen Ehefrau. Allein geblieben in dem heruntergekommenen Farmhaus versucht Tyler, den Erwartungen seiner Gemeindeglieder weiterhin gerecht zu werden, mit seiner traumatisierten 5-jährige Tochter, die aufgehört hat zu sprechen und durch zunehmend aggressives Verhalten auffällt, klarzukommen und sich mit seiner dominanten Mutter, die die Betreuung der ca. einjährigen zweiten Tochter an sich gerissen hat, zu arrangieren. Immer mehr Lasten durch die Schicksale einiger Gemeindeglieder werden ihm aufgebürdet, während der Pastor seinen eigenen Trauerprozess verdrängt und nach und nach erst merkt, wie sein Familienleben ihm entgleitet und seine Erschöpfung zu schweren Glaubenszweifeln führt. Klatsch und Tratsch, Gerüchte, schwierige Beziehungen zu einzelnen Personen in der Gemeinde, Zweifel Einzelner an seiner Eignung als Seelsorger und Vater führen zu einer allumfassenden Krise - zumal die Gemeinde seine Verzweiflung und Not ebenso wenig wahrnehmen kann/will wie Tyler die stummen Hilfeschreie seiner kleinen Tochter...


    Ein „stiller“ Roman mit Tiefgang und psychologischem Einfühlungsvermögen, eine Milieustudie des Kleinstadtlebens Ende der 50-er Jahre, die weiterhin aktuell ist, für theologisch Interessierte ebenso interessant wie für Leser, die Werke mögen, in denen die Erzählkunst und Menschenkenntnis der Autorin in wunderbarer Weise deutlich werden.

    Fazit: Weitere Bücher dieser Autorin werden in Kürze folgen.

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    Bleib bei mir (Abide with me)


    Bleib bei mir; schnell schon bricht der Abend an
    Die Dunkelheit vertieft sich; Herr, bleib bei mir
    Wenn andere mir keinen Trost spenden können und Unbehagen sich einschleicht
    So bist doch du die Hilfe der Hilflosen, ach, bleib bei mir


    Schnell schon neigt sich der kurze Tag des Lebens seinem Ende zu
    Irdische Freuden verlieren ihren Glanz und ihre Herrlichkeit vergeht
    Überall und in allem sehe ich Veränderung und Verfall
    Oh du, der sich nie ändert, bleib bei mir

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