Beiträge von Marabea

    Ich habe eben erst gelesen, was passiert ist, da ich so wenig im DF unterwegs war.
    Dein Schmerz wird immer noch sehr „laut“ sein und es dauert mehr oder weniger lange, bis er „leiser“ wird.
    Aus diesem Grund auch heute noch mein herzliches Beileid und eine sanfte Umarmung! :streichel:

    Nun also zu „Runa“, dem Debütwerk von Vera Buck, das eher eine Mischung aus historischem Roman (Paris am Ende des 19. Jhs), Krimi (grausame Morde an einer Adligen und einem alten Mann) und einem historischen Bericht über den Stand der Neurologie bzw. Hypnoseforschung sowie über die Behandlung von geistig-psychischen Erkrankungen darstellt.

    Die einzelnen Erzählperspektiven (der Schweizer Medizinstudent Jori / der ehemalige Inspektor Lecoq / der zuerst mysteriöse Ich-Erzähler) sowie ausführliche Darstellungen der medizinischen Behandlungsmethoden jener Zeit machen es dem Leser eventuell nicht leicht dranzubleiben, obgleich das Werk für mich eine große Sogwirkung entfaltet, der ich nicht widerstehen konnte.

    Ein aufwendig recherchiertes Werk, In dem die zu jener Zeit berühmteste Nervenheilanstalt Europas, die Pariser Salpetrière, den zentralen Schauplatz der Ereignisse bietet. Als das seltsame neunjährige Mädchen Runa eines Tages eingeliefert wird, das auf keine Behandlung anspricht, ergreift der Student Jori die Möglichkeit für eine längst fällige Promotion über die - vermeintlich - erste Gehirnoperation an einem lebenden Menschen im Bereich der Psycho-Chirurgie...

    Ein Roman, der mehr als nur ein historischer Roman/Krimi ist und daher tiefe Betroffenheit auslösen kann aufgrund der authentischen Schilderung zeitgenössischer Verhältnisse.

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    Im Verlauf des Romans wird der Leser immer wieder mit der detailreichen Darstellung der Dienstagsvorlesungen Charcots für das männliche Fachpublikum und Voyeure jeglicher Art, in denen er kranke Patientinnen auf erniedrigende Weise wie Zirkustiere vorführt. Diese Passagen rauben manchmal den Atem und können heftige Gefühle bei der Leserin auslösen. Lesepausen sind also manchmal nötig, um die darstellten historischen Methoden zu „verdauen“. Dass damals im Bereich von Medizin und Wissenschaft ein heftiger Konkurrenzkampf zwischen Ländern, Universitäten und einzelnen Koryphäen tobte, ist überzeugend.
    Ob tatsächlich reale Personen wie Charcot für Ruhm und Ehre buchstäblich über Leichen gingen, müsste ich erst recherchieren. Was dieser über die grausamen Menschenversuche im unterirdischen Paris wusste, beauftragte oder duldete, kann ich daher nicht sagen. Dass die Zustände in jener Irrenanstalt so waren wie beschrieben,
    nehme ich der Autorin ab, nachdem ich einige Aspekte nachgeprüft habe. In der Tat wird wohl manche/r Leser/in angeregt, über die Psychiatrie jener Zeit, die einzelnen historischen Personen, die Lehre Lombrosos über die Physiognomie von Verbrechern und vieles mehr, weitere Recherchen anzustellen.

    Das Schicksal des kleinen Mädchens macht betroffen, die Entwicklung des Protagonisten Jori (die Spannungen in seiner Freundschaft mit Paul Bleuler und seine verzweifelte Liebe zu dessen kranker Schwester Pauline) werden sehr überzeugend beschrieben. Die Morde, die merkwürdigen Schriftzeichen, die brutalen Aufseher, die Katakomben von Paris...., viele Aspekte erzeugen Spannung.
    Der Schlussteil überzeugte mich völlig: Für Fans eines Happy-Ends findet sich allerdings wenig. So manches bleibt unklar, so manches wird nicht aufgelöst oder nicht positiv beendet.
    Viele Fragen bleiben im Kopf: Wie weit darf Wissenschaft gehen? Was bedeuten Moral und Menschenwürde angesichts der Forschung und des Fortschritts?

    Also eine anspruchsvolle Lektüre für diejenigen, die an der Geschichte der Medizin und der Psychiatrie interessiert sind und zugleich eine spannende Mordermittlung Ende des 19. Jhs verfolgen wollen.
    Ein großartiges Debüt, d.h. uneingeschränkte Leseempfehlung.

    Obwohl ich bisher von Seethalers Werken sehr angetan war, habe ich nach der Lektüre vieler Rezensionen, die überwiegend eine negative Beurteilung abgegeben haben, den Kauf des neuen Romans unterlassen. Schade eigentlich, aber vermutlich gilt es sich von der Erwartung zu lösen, dass einem jedes Buch eines „Lieblingsautors“ gefallen muss.

    Bin nun doch schon den dritten Tag im Bett :ill: , aber etwas ist doch gut daran: Ich habe „Runa“ durchgelesen und ‚durchlitten‘: Eines der Bücher für mich, die einen fesseln, tief bewegen, zu weitergehender Recherche über die Psychiatrie bzw. Neurologie gegen Ende des 19.Jhs anregen und anderes.
    Kurz: Leseempfehlung ohne Wenn und Aber!!!
    Weiteres gehört wohl in den anderen Thread, oder? @Stachelschnecke

    Melde mich wieder zurück aus einem schönen Urlaub - leider ohne Internet/WLAN im Ferienhaus.
    Lesezeit war auch: „Honigtot“ von Hanni Münzer und „Winterhonig“ von Daniela Ohms beendet: Beide passten gut zusammen, nicht nur aufgrund des Titels - aber mehr dazu einmal später.

    @Stinkelilly: Sind deine beiden Bücher inzwischen wieder zuhause (Kluftinger Band 5 „Rauhnacht“ und Dr. O. Sacks Werk)?