Ich hab mich gerade ein bisschen zurückversetzt gefühlt.
Deine Geschichte erinnert mich schon ziemlich an die erste Zeit mit unserem Spinner.
Ari ist ein Wolfsspitz, jetzt bald schon 5 Jahre alt (man wie die Zeit vergeht).
Im Prinzip ist es bei uns doch sehr ähnlich.
Auch Ari kam von einem eingetragenen Züchter, hatte eigentlich auch keine schlechte Aufzucht (auch nicht perfekt, aber auch nicht so das man von Problemen die daher rühren reden könnte, ist vermutlich eher ein genetisches Problem, da sein Bruder auch so ist, die Welpen aus späteren Würfen scheinen aber keine Probleme zu haben, zumindest die die ich kenne).
Wir haben den Zwerg geholt mit ähnlichen Wünschen an einen netten Begleiter und haben eigentlich auch die Rasse entsprechend ausgesucht. Die meisten Spitze die wir inzwischen so kennengelernt erfüllen eben auch genau das was wir uns gewünscht haben - nur Ari halt nicht.
Er ist reizoffen, findet fremde Menschen ziemlich uncool, hat durchaus die Tendenz Konflikte nach vorne zu lösen und fremde Hunde, vor allem Rüden findet er richtig doof (das kam allerding erst später). Besuch war auch immer eine mittlere Katastrophe.
Er ist nicht super unsicher, aber auch nicht sicher, dafür schon ein bisschen ein Prollo.
In der Pubertät war spazieren gehen ein Spießtutenlauf, er ist bei Überreizung (was zu dem Zeitpunkt oft alles ab einer halben Stunde war, selbst bei der immer gleichen Strecke) völlig ausgetickt und hat nur noch wie ein Irrer wie von Sinnen wild um sich gebissen.
Zudem neigt er bei hohem Stress zu Autoaggression (er leckt sich die Ballen wund).
Unser Glück war, dass er wenigstens immer gut allein bleiben konnte.
Insgesamt klingt es bei euch aber noch einen Ticken heftiger als bei uns.
Wie gesagt ist der Herr Spitz jetzt bald 5.
Inzwischen ist es deutlich besser als es früher war. Grundsätzlich hat das Erwachsenwerden bei ihm einen positiven Effekt gehabt. Wir haben auch einen Zweithund, der ziemlich umweltsicher und selbstsicher ist, das hat ein bisschen geholfen.
Was bei ihm in der schlimmen Zeit festgestellt haben und uns geholfen hat:
- Futter muss zwingend mit niedrigem Proteingehalt sein - alles groß über 20% war zusätzlich massiv aufpuschend. KH sind deutlich besser als hoher Proteingehalt (weil das Gegenteil ja grad so gehyped wird...)
- Mais haben wir vermieden, allerdings auch weil wir ihm Tryptophan gegeben hatten, was bei ihm auch ganz gut geholfen hat und Mais bindet das wohl.
- Schilddrüse hatten wir bei ihm checken lassen, weil das ähnliche Probleme hervorrufen kann, wars bei ihm jetzt aber nicht.
- Routine, Routine, Routine und Rituale
- Wenn irgendwas aufregendes passiert ist, wurden die nächsten 1-3 Tage (je nachdem was es war) gar nichts Außergewöhnliches gemacht außer ganz vertraute, kurze Runden und viel schlafen, schlafen, schlafen
- Ab und zu wurde er auch separiert - wir haben Türgitter - damit er da zur Ruhe kommen kann
- Er kennt einen Maulkorb und der wird auch genutzt - entspanntere Halter, entspannterer Hund (und manchmal ist es halt auch einfach nötig)
- Wir hatten/haben eine Trainerin die uns wirklich sehr geholfen hat, zwischendurch haben wir überlegt zu einem gescheiten Verhaltenstierarzt zu gehen was aus unterschiedlichen Dingen dann doch nicht passierte, aber ich hab da inzwischen weiterhin viel Positives gehört
- ganz viel hat sich zum Positiven geneigt als WIR uns geändert haben und ihn einfach so akzeptiert haben wie er ist. Keinerlei Erwartungen daran was er können und leisten muss. Kein Druck von irgendeiner Seite - will er nicht bzw kann er (heute) einfach nicht leisten? muss er nicht. Dann bleibt er halt mal an der (langen) Leine und wird nicht gerufen oder irgendwas abgefangen. Grad im Junghunde, junger Erwachsenen-Alter war das für uns die Rettung. Irgendeine Form von Druck hat es da nur schlimmer gemacht. Heute geht da wieder deutlich mehr, aber an schlechten Tagen darf er durchaus auch heute einfach mal sein.
- Ari wurde zudem jetzt kastriert (im September, war aber seit April gechipt), was bei ihm einen massiv positiven Effekt hatte (was nicht bedeutet, dass das bei euch auch so wäre, sein Bruder ist zB sehr ähnlich vom Verhalten her, aber bei ihm war der Effekt deutlich geringer, wenn auch generell ein bisschen positiv. Grad bei unsicheren Hunden kann es aber auch nach hinten los gehen, logischerweise).
Dennoch haben wir unser Leben einfach auch ein bisschen um ihn herum gebaut und viele Dinge die wir eigentlich mit Hund machen wollten machen wir einfach ohne. Inzwischen vermissen wir da auch nicht mehr wirklich was (aber er kann natürlich auch gut alleine bleiben).
Inzwischen können wir ihn auch mal mit zu einem Restaurant oder so nehmen, mal einen schönen Ausflug machen, wo auch mal viele Hunde/Menschen sind etc. Tryptophan braucht er auch nicht mehr (bekommt er aber zB noch als Kur, wenn wir wissen eine Zeit wird besonders anstrengend).
Er nimmt sich inzwischen auch meistens den Schlaf den er braucht, das war am Anfang auch sehr schwer. Wir können sogar Besuch bekommen und er kann sogar teilweise mit dabei sein und schläft dennoch, das war so bis 3-4 fast undenkbar.
Das so ein Hund nie komplett normal wird, ist vermutlich klar.
Und jeder Hund ist natürlich individuell und was bei uns geholfen hat, hilft nicht jedem Hund. Grad sowas wie Kastration ist in meinen Augen nur nach guter Überlegung und am besten auch erst in erwachsenem Alter eine Option (und zuerst mit Chip). Wir haben uns dafür zB entschieden, weil er zusätzlich noch ziemlich üble Prostataprobleme bekommen hat und ich zu dem Zeitpunkt mehrere Fälle mit ähnlichen Problemen mitbekommen hatte, bei denen es geholfen hat. Also eine zweiteilige Entscheidung. Er war schon 4.