Ich habe seit 5 Monaten eine 9 Monate alte Hündin aus dem Tierschutz. Genauer gesagt, ich habe sie als Kettenhund in der Tiefgarage meines Vermieters in Jordanien gefunden, wo ich damals ein paar Monate Praktikum gemacht habe.
Deine Hündin wurde bereits als Welpe (!) auf dem Weg zum Junghund an der Kette gehalten. Das sollte einem erst einmal bewusst sein. Das so etwas nicht spurlos an einem Hund vorbei geht, auch.
Sie bellt bei jedem Geräusch in der Wohnung, sie reagiert aggressiv auf fremde Menschen, die in die Wohnung kommen möchten. Sie hat einen starken Jagdtrieb, so dass jedes Eichhörnchen zum Leinenkampf wird. Sie reagiert an der Leine aggressiv auf andere Hunde. Schon weit entfernt beginnt sie, in die Leine zu springen, zu bellen und zu knurren, so dass andere Leute Angst bekommen
Deine Hündin ist erst 9 Monate alt, hat bis dahin sehr viele Stationen hinter sich gebracht. Ein normal aufgewachsener Hund kann schon bei Wohnortwechseln Schwierigkeiten haben, d.h. deine Hündin hat mehrere Wochen in Unsicherheit verbracht: Sie hat keinen verlässlichen Rythmus entwickeln dürfen, nach einer Aufregung kam die nächste. Sie durfte nie ankommen.
Das von dir beschriebene Verhalten finde ich übrigens überhaupt nicht ungewöhnlich, Wach- und Jagdtrieb kommen in den besten Familien vor, Leinenpöbler ebenfalls. Manche Verhaltensweisen bekommt man mit dem richtigen Training in entspanntere Bahnen gelenkt, manche eben nicht. Darauf muss man sich dann einstellen, oder man trainiert weiter.
Allerdings immer nur mit großem Sicherheitsabstand (sie lässt sich dann immer jagen).
DAS würde ich absolut vermeiden. Die Hunde spielen nicht, sondern deine Hündin versucht einfach, der Situation zu entfliehen. Auch das führt zu aggressivem Verhalten anderen Hunden gegenüber: Deine HÜndin will einfach ihre Ruhe. Oder überhaupt mal Ruhe. Akzeptier das. Wenn sie die Gegenwart anderer Hunde nicht schätzt, dann ist das eben so. Vermeide den Kontakt und mach einen großzügigen Bogen. Geh einfach zunächst Wege, wo ihr eure Ruhe habt.
Sie knurrt mich oft aggressiv und sehr laut an, wenn ich sie schimpfe,
Ihr müsst eine Bindung aufbauen, die sehe ich bei euch nicht. Schimpfen hilft nicht weiter (wie du siehst), zeig ihr, wie sie sich richtig verhalten soll. Mit 9 Monaten testen Junghunde gern ihre Grenzen, es ist wichtig, dass DU souverän bist, damit deine HÜndin dir vertrauen kann und sich sicher fühlt. Sie musste sich die ersten Monate auf sich selbst verlassen, und scheinbar ist sie immer noch der Meinung, dass das der bessere Weg für sie ist.
Ob du zu viel mit ihr machst, glaube ich nicht mal, du machst wahscheinlich nicht das mit ihr, was sie braucht. Rennen, toben ist alles gut und schön, viel wichtiger ist aber, dass ein junger Hund, gerade mit der Vergangenheit und den Ortswechseln, Ruhe bekommt, um das Erlebte verarbeiten zu können. Wenn sie Jagdtrieb zeigt, mach Fährtenarbeit mit ihr.
Ich bin kurz vor der Abgabe meiner Abschlussarbeit und so langsam echt ziemlich am Ende mit den Nerven. Ich habe lange nicht mehr gut geschlafen
Genauso geht es deiner Hündin vermutlich auch. Sie ist am Ende mit ihren Nerven und reizüberflutet, weil alles zu viel und zu schnell war. Das zeigt sich bei ihr in vermeintlicher Aggression, ich nenne es lieber Hilflosigkeit. Die Rettung des Hundes ehrt dich, auch die Bemühungen die du dafür auf dich genommen hast. Du erwartest jedoch unterschwellig von deiner Hündin eine Art Kooperation aus Dankbarkeit, die sie gar nicht in der Lage ist zu leisten.
Auch, wenn du meinst viel Hundeerfahrung zu haben, so ist doch jeder Hund anders. Die Kunst ist es zu erkennen, welche Anlagen ein Hund hat und diese zu fördern um sie kontrollierbarer machen zu können und den Hund auch geistig auszulasten. Natürlich muss man einem Junghund auch Grenzen setzen, aber so, dass er sie versteht. Klare Kommunikation, klare Aktionen ohne dabei laut oder hektisch zu werden. Das versteht ein Hund nicht, er erkennt dich höchstens als unsicher und versucht umso mehr, die Situation zu kontrollieren.
Wenn du versuchst, deine Hündin zu lesen und ihr Verhalten zu verstehen, werdet ihr einen Weg finden. Wenn das nicht möglich ist, würde ich sie in wirklich erfahrene Hände abgeben, damit sie eine Chance hat.