Also: Körperlich werden ist in Ordnung wenn "Hund gelernt hat einfach seinen Willen mit den Zähnen durchzusetzen" ?
Ich finde man muss dann doch aber ganz genau verstehen was der Hund für Bedürfnisse hat die nicht gestillt werden können und warum es überhaupt keine Möglichkeit gibt dieses Bedürfnis zu stillen.
Nur weil das Tier nicht aus Angst, Ressourcenverteidigung oder Territorialverhalten beißt, bedeutet es ja nicht dass seine Motivation nicht nachvollziehbar wäre.
Bestes Beispiel: Einer meiner Kater. Und ja, ich musste bei ihm auch körperlich werden aber das ist nicht der Grund warum wir heute so gut miteinander klar kommen.
Szenario: Ich liege im Bett und will eigentlich nicht mit den Katern kuscheln.
Kater A würde trotzdem mehrmals Köpfchen geben, vor mir hin und her kugeln und irgendwann hat er mich dann doch überredet. Dafür wird er auch nie ungemütlich wenn ich ihn mal knuddel obwohl er eigentlich keine Lust mehr hat. Wenn ich ihn dann nochmal an mich ran drücke bleibt er halt noch ein bisschen obwohl er längst aufstehen wollte und er setzt sogar weiter sein "Höflichkeitsschnurren" auf obwohl man spürt dass er halt eigentlich echt genug hat. Er tut es halt um auch meine Bedürfnisse zu stillen.
Kater B ist da völlig anders. Wenn der auf das Bett hüpft und ich gebe nur die minimalsten Andeutungen dass ich nicht kuscheln will (Blickkontakt abwenden, leicht wegdrehen), dann ist er schon wieder vom Bett unten noch bevor er überhaupt näher als einen Meter an einem dran war. Er fragt vorher und akzeptiert sofort wenn ich etwas nicht möchte. Dumm nur dass er genau das selbe auch für sich beansprucht. Und das führt spätestens beim TA zu Problemen.
Und er ist auch einer der Kandidaten wo Medical Training mit clickern nur bedingt hilft. Denn er hat eben keine Angst vor dem in die Ohren schauen usw sondern mal lässt er sich problemlos sogar alle Krallen vorne 1-2 Millimeter kürzen, liegt entspannt schnurren da und nimmt die Leckerbissen natürlich auch gerne und mal meint er einfach: "Du?An meine Krallen/Ohren/Maul? Jetzt? Also jetzt habe ich so überhaupt keinen Bock darauf, auch wenn du mir dafür ein Filet anbietest. Frag mal ganz nett in ein paar Tagen an. Vielleicht darfst du dann."
Was hat geholfen? Ganz einfach: Hauptsächlich 98% positiv arbeiten und jede minimale Toleranz positiv bestätigen. Und zwar sowohl bei gewollter Mitarbeit durch Dinge wie Leckerlie, spielen, kuscheln. Was ich eben gespürt habe was von dem Tier in dem Moment am meisten gewünscht wird. Und wenn Kater nicht wollte, dann eben dadurch dass ich möglichst schnell aufgehört habe. Er hat gelernt dass ich zu 98% nie versuche ihn unnötig und absichtlich zu ärgern. Er hat gelernt dass ich genau weiss dass er auf Krallen schneiden usw keine Lust hat wenn er irgendwo liegt und schlafen will. Aber wenn es dann doch sein muss, dann fährt er besser wenn er sich nicht wehrt. Weil ich dann schneller aufhöre, weil ich ihn notfalls im Nacken halte und weil ich nicht nachgeben bis ich zumindest die Kralle anfassen darf.
Er hat mich eine Menge Arbeit gekostet. Nicht nur in den Auseinandersetzungen sondern vor allem in den anderen 98% weil man auch da so viel geben muss. Je mehr Momente wir beide hatten in dem seine Bedürfnisse gestillt wurden, in denen wir eng gekuschelt haben, in dem ich ihm eine Tür aufgemacht habe, mit ihm das gespielt habe was er wollte usw. Je mehr und besser ich ihn kennengelernt und respektiert habe desto toleranter wurde er wenn ich etwas gemacht habe was er gerade nicht wollte. Und ich glaube er hat in unseren 11 gemeinsamen Jahren auch gemerkt dass ich eben auch "Opfer bringe". Zum Beispiel wenn ich ihn dann zum kuscheln zurück in Bett gerufen habe. Obwohl ich eigentlich nicht wollte und er das gespürt hat. Aber er ist ja deshalb angekommen und hat sich gefreut dass er sich dann doch nicht zurücknehmen musste. Auf den ersten Blick hat das überhaupt nichts mit seinem ursprünglichen Problem zu tun. Auf den zweiten halt doch.
Und obwohl es jetzt um Katzen ging, ist es doch bei Hunden nicht anders.