Ooh, da fühle ich mich doch auch angesprochen
Meine Hündin habe ich im Tierheim kennen gelernt, wo ich ehrenamtlich arbeitete. Sie war vollkommen überdreht, kannte keine Leine, keine normalen Spaziergänge, war draußen null ansprechbar und hatte keinerlei Selbstbeherrschung - immer nur auf 180. Wir brauchten 2 Leute, um ihr zum Gassi das Geschirr anzuziehen. Als ich gefragt wurde, ob ich mit ihr in die Hundeschule gehen möchte, um sie besser vermitteln zu können, hätte ich um ein Haar "Nein" gesagt. Das wollte ich mir echt nicht antun - aber aus irgendeinem Grund tat ich es doch.
Ich arbeitete über 2 Jahre mit ihr, in winzigen Schritten ging es stetig voran - mit vielen Rückschritten, aber genau so vielen kleinen Erfolgen.
Bei ihren ersten Interessenten biss sie beim Spaziergang binnen Sekunden ihre Leine durch und rannte fröhlich zurück ins Tierheim.
Irgendwann wurde es ernst, es hatte sich ein passender Bewerber gefunden, und ihr Auszug war schon geplant. Ich hatte ein verdammt ungutes Gefühl. Alle um mich rum redeten mir ein, ich sei nur traurig, ich könne nicht loslassen, kein Zuhause wäre mir gut genug für sie. Ich gab mich geschlagen und stimmte der Vermittlung widerwillig zu - ich wollte vernünftig sein, ich konnte sie ja nicht nehmen. Ich war alleinstehend, arbeitete Vollzeit, wohnte in einer Dachgeschosswohnung, in der Hunde nicht erlaubt waren. Ich packte eine Tasche für sie mit ihrem Futter, ihrem Lieblingsspielzeug, einer Decke von mir. Montags sollte sie abgeholt werden, und am Sonntag machten wir noch einen gemeinsamen Ausflug mit Freunden. Das waren unfassbar schlimme Stunden - ich wollte so sehr vernünftig sein, aber mein Bauchgefühl blieb. Während dieser Wanderung erreichte mich dann plötzlich eine SMS der Tierheimleitung: "Candy bleibt". Mein Widerwille hatte auch ihr keine Ruhe gelassen, und es stellte sich heraus, dass mein Bauchgefühl mich nicht im Stich gelassen hatte.
Es folgten immer wieder Bewerber, und immer wieder passte etwas nicht und es wurde nichts aus ihrem Auszug. Eines Tages kamen die - wie ich fand - perfekten Leute für sie: Erfahrene Hundeleute, die in der Rettungshundestaffel tätig waren und viel Lust und Zeit hatten, mit dem Hund zu arbeiten. Beim ersten Kennenlernen im Auslauf suchte Candy sich das nächstbeste Spielzeug, verkroch sich damit unter einem Busch und verweigerte jegliche Kontaktaufnahme.
Nach über 2 Jahren im Tierheim war immer noch keine ernsthafte Chance für sie in Sicht. Ich war mittlerweile umgezogen in eine kleine Doppelhaushälfte mit großem Hof, in der auch ein durchgeknallter Tierschutzhund herzlich willkommen sein würde. Und eines Tages war es dann einfach so weit. Die Tierheimleitung sagte mir nur "Überleg es dir gut. Überleg es dir verdammt gut. Aber wenn du wirklich sicher bist, dass das DEIN Hund ist und dass ihr zusammen gehört, dann nimm sie halt in Gottes Namen mit." Und am nächsten Tag nahm ich sie mit. Ich hatte noch nichtmal einen Napf für sie, kein Bettchen, nichts - ich nahm sie einfach nur mit. Und nach so langem Ringen mit meiner Vernunft war das die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.
In der ersten Zeit ging sie noch zur Tagesbetreuung ins Tierheim, ich brachte sie morgens vor der Arbeit und holte sie am Nachmittag wieder ab. Mittlerweile haben wir eine tolle Gassigeherin gefunden, die sich mittags um sie kümmert. So bleibt sie tagsüber zu Hause und geht mittags eine Stunde spazieren. Meine Freizeit nach der Arbeit gehört komplett dem Hund - wir machen Ausflüge, Wanderungen, Hundesport. Es ist immer noch verdammt anstrengend - aber es fühlt sich einfach richtig an.